Haar

Haar
Die Redensarten, die mit dem Wort Haar gebildet sind, beziehen sich meist entweder auf die Feinheit oder auf die Menge des Haares: Haarklein erzählen (schon bei Grimmelshausen), haargenau untersuchen: überaus genau, auf die geringsten Fehler aufmerksam sein, vgl. auch die Ausdrücke ›Haardünn‹ und ›Haarfein‹. In der technischen Sprache bezeichnet man sehr feine, mit bloßem Auge unsichtbare Risse als ›Haarrisse‹; Haarscharf nachweisen, Sich nicht um ein Haar bessern (schon mittelhochdeutsch ›umbe ein hâr‹; s. ›Iwein‹ V. 4607 und 6063), Kein Haarbreit (nicht um Haaresbreite) nachgeben; vgl. französisch ›d'un cheveu‹ (um ein Haar) als Bezeichnung für ›um eine Kleinigkeit‹.
   Einem kein Härchen krümmen. »Er hett jm nicht gekrümpt ein haar« heißt es schon bei Johann Fischart. ›Um ein Haar‹, ›Bei einem Haar wäre er gefallen‹, ›... hätte er sich das Bein gebrochen‹ usw. meint immer: fast, beinahe. Hierzu auch das rheinische Sagwort ›Um en Haar, sat de Zimmermann, do hatt e de Balken om e halwe Fuß zu kurz geschnid‹, und der schwäbische Zungenbrecher: ›Om a Härle hätt' dr Herr Härle dr Frau Härle a Härle rausgrisse‹. Elsässisch ›Mer kann dem Mann glauwe uf's Haar genau‹.
   ›Er verruert sich keis Haar‹ will beteuern, daß er sich gar nicht rührt (schweizerisch). Wenn man etwas nicht so genau nehmen will, sagt man: ›'s chunnt uf e Zimmermanns Haar nüd a‹ (elsässisch); schweizerisch ›'s chunnt nüd uf es Haar a‹. Vgl. englisch ›It will come to me straight as a hair‹ (Es wird mir einleuchten so genau wie ein Haar), ›true as a hair‹ (haargenau) und ›we shan't give back a hair‹ (wir wollen um keine Haaresbreite nachgeben). Das englische Sprichwort ›No hair so small but has his shadow‹ deutet wieder auf die Wichtigkeit des kleinsten Details und der Exaktheit hin.
   Auch Haarspalterei im Sinne von ›Kleinigkeitskrämerei‹, ›Spitzfindigkeit‹ gehört in diesen Vorstellungskreis. Schon in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts schreibt Burkard Waldis in dem Spottgedicht ›Der wilde Mann von Wolfenbüttel‹ (V. 105ff.):
   Eyn glatten aal beim schwantz kan halten,
   Vnd in vier teyl eyn härlin spalten,
   Das graß hört auß der erden wachßen,
   Steckt vier reder an eyne achßen ...
Ebenso französisch ›couper un cheveu en quatre‹ und englisch ›to split hair‹. Auch in der Form Ein Haarspalter oder Haarspalterisch sein.
   Ähnlich Es hängt an einem Haar: es kommt auf den kleinsten Zufall an, die Entscheidung hängt von dem kleinsten Umstand ab; vgl. französisch ›Cela ne tient qu'à un fil‹, Faden. An die antike Erzählung vom Damoklesschwert braucht bei unserer Redensart nicht notwendig gedacht zu werden, da Haar im Sinne von ›Kleinigkeit‹ schon mittelhochdeutsch durchaus geläufig ist; »niht ein hâr« findet sich im ›Iwein‹ (V. 579) und im ›Tristan‹ (V. 16537).
   Haare meinen das Geringwertige auch in dem hessischen Sprichwort ›Korze Hoorn sei bale geberschd‹ (kurze Haare sind bald gebürstet), d.h., eine geringe Angelegenheit ist bald erledigt; auch: karge Mahlzeiten sind bald eingenommen. Das Sprichwort findet sich auch in Thomas Manns ›Buddenbrooks‹ und in Heinrich Schaumbergers bekannter Dorfgeschichte ›Im Hirtenhaus‹. Das ist gegen die Haare (vgl. ›Gegen den Strich bürsten‹): kommt von der unangenehmen Empfindung, die es verursacht, wenn man die Bürste gegen die Haare führt, Strich. Es wird von Personen gesagt, die von Widerspruchsgeist erfüllt sind. Im Solothurnischen sagt man: ›Er hat d'Haar de lätz Wäg g'strählt‹. Es kann aber auch bedeuten, daß er die Sache verkehrt angefangen, sich verrechnet hat oder daß es nicht seinem Wunsch gemäß gegangen ist. Vgl. französisch ›à rebrousse-poil‹.
   Die Haare stehen einem zu Berge: bezeichnet den höchsten Grad von Schauder oder Entsetzen beim Ansehen oder Anhören von etwas Schrecklichem. In der Tat hat man bei großem Grauen ein Gefühl, als ob einem die Haare emporstiegen (daher haarsträubend). Die Redensart findet sich auch in der Bibel: »Und da der Geist an mir vorüberging, stunden mir die Haare zu Berge an meinem Leibe« (Hiob 4,15). Auch das Altertum kennt sie; Homer gebraucht sie in der ›Ilias‹ (24, 359), und bei Vergil (70-19 v. Chr.) steht in der ›Aeneis‹ (2. Buch, V. 774): »Obstipui, steteruntque comae et vox faucibus haesit« (ich war starr, und mir sträubt' sich das Haar, und die Stimme versagte).
   In dem ›Ring‹ Heinrich Wittenwilers (V. 5250-5255) heißt es:
   Bertschin dem was also we
   Daz im die härel giengen zperg.
   Im 69. Fastnachtsspiel von Hans Sachs sagt der Pfaffe:
   Wen ich denck an seine trowort gar,
   So stent mir gen perg all mein har.
Besonders anschaulich findet sich das Bild in Gellerts Fabel ›Die Widersprecherin‹:
   Ihr Haar bewegte sich, stieg voller Zorn empor
   Und stieß, indem es stieg, das Nachtzeug von dem Ohr.
Französisch heißt es: ›Les cheveux se dressent sur la tête‹, und niederländisch ›Dat is eene vervlocking, waar van de haren op het hoofd te berge rijzen‹. ›Es tuet mir d'Haar lüpfe‹ bedeutet auch schweizerisch: entsetzt sein.
   Sich die Haare raufen: entsetzt, verzweifelt sein, ursprünglich eine alte Klagegebärde; vgl. französisch ›s'arracher les cheveux‹.
   Deshalb reiß' ich mir kein Haar aus; Darüber lasse ich mir kein graues Haar (keine grauen Haare) wachsen: darüber rege ich mich nicht auf, darüber gräme ich mich nicht; schon 1529 von Joh. Agricola (Nr. 163) gebucht: »Laß dir kein graw har darumb wachsen, sorge nicht, trawre nicht, du wirst sonst graw«. Sebastian Franck erklärt 1541: »Wer vil sorget, der wird leichtlich grau. Es geschieht aber das Grauen aus dreierlei Ursach, als: die aus Weisheit sorgen, die grauen auf dem Haupt; die um die Nahrung und zeitlich Gut sorgen, die grauen am Bart; die aber für ander Leut sorgen, die ... Die mag man mit diesem Sprichwort warnen, daß sie ihnen kein grau Haar darum sollen wachsen lassen«.
   An den Haaren herbeiziehen: die Logik vergewaltigen; mit einem Argument kommen, das überhaupt nicht zur Sache gehört; z.B. wenn ein Redner absonderliche Beispiele einflicht. 1649 bucht Gerlingius unter Nr. 63: »Capillis trahere. Bey oder mit den Haaren herzu ziehen«. Vgl. französisch ›tirer par les cheveux‹.
   Die heutige Färbung der Redensart ›mit Gewalt‹ hat sich erst im Laufe der Zeit entwickelt. Gerade weil etwas durchaus zur Sache gehört, zieht man es trotz allen Widerstandes (›mit Gewalt‹) an den Haaren herbei. Die heutige Bedeutung dankt ihre Entstehung der Ironie.
   Zur ursprünglichen Bedeutung vgl. Hans Sachs' Fastnachtsspiel ›Petrus und seine Freunde auf Erden‹ (363):
   Weil sie durch woldat von mir fliehen,
   Muß ichs (= sie) mit dem har zu mir ziehen.
In älterer Zeit ist außerdem das feinere Gegenstück An einem Härlein heranziehen: leicht heranziehen, bezeugt, so 1541 bei Sebastian Franck (I, 84): »Man mag den willigen leicht winken. Mit eim härlin zöh man jn darzu«. 1639 bei Lehmann S. 907 (Will 16): »Wer willig ist, den kan man leicht erbitten, mit eynem Härlein herbey ziehen«.
   Sich in die Haare geraten (fahren): sich streiten, Wolle; vgl. französisch ›se crêper le chignon‹ (wörtlich: einander in den Haarknoten greifen). Ursprünglich als Kampf gemeint, bei dem man sich tatsächlich an den Haaren zog bzw. riß; dann, bildlich übertragen, auf jeglichen Streit gemünzt; auch auf den mit Worten. Dazu gehören noch die folgenden Varianten: ›Einem in die Haare wollen‹, eine Gelegenheit suchen, Streit mit ihm anzufangen oder sich an ihm zu rächen; schweizerisch ›frömd Händ i's Haar übercho‹, gerauft werden; ›Einem in die Haare wachsen‹, mit ihm in Streit geraten. Die ähnliche englische Version befaßt sich jedoch eher mit der psychischen als mit der physischen Seite dieses Gedankens. So würde man ›This fellow is beginning to get in my hair‹ mit ›dieser Kerl geht mir so langsam auf die Nerven‹ übersetzen. Diese Ausdrucksweise ist so beliebt geworden, daß sie sogar in der modernen Operette ›South Pacific‹ aufgegriffen wird, wo es heißt: »I'm going to wash that guy right out of my hair«.
   Sich in den Haaren liegen: sich streiten. In Jörg Wickrams ›Rollwagenbüchlein‹ von 1555 heißt es: »Die lagen einanderen für und für im har und konten nit miteinander gestellen«. Und entsprechend ›Den Leuten die Haare zusammenbinden‹, sie in Streit verwickeln. Aus dem Jahre 1523 stammt ein schweizerischer historischer Beleg: »Ir verräter von Zürich habent den Eidgenossen das har an einandern g'knüpft und lachent jetzt durch die finger«.
   Haare lassen: zu Schaden kommen, im Streit den kürzeren ziehen, ist von Raufereien entlehnt; vgl. französisch ›Y laisser des plumes‹ (Federn lassen), Feder; mit dem altgermanischen Rechtsbrauch, daß der aus dem Stande eines Freien ausgestoßene Verbrecher geschoren wurde, hat die Redensart kaum etwas zu tun. Sie ist schon bei Luther bezeugt und findet sich z.B. auch in der ›Zimmerischen Chronik‹ (I, 546): »Aber die Schweizer truckt ir furnemen hinauß, und mußt Hagenbach har lassen. Der ward enthauptet«.
   1649 übersetzt Gerlingius unter Nr. 200 das horazische »Quidquid delirant reges, plectuntur Achivi« (das wahnwitzige Beginnen der Könige büßen die Achäer) mit: »Wann die Herrn einander rauffen wollen, so müssen die bawren die haar darleihen«. Anders leitet 1639 Lehmann die Redensart ab: »Wo sich der Esel walzet, da muß er Haar lassen«. Dies scheint jedoch nicht sinngemäß zu sein, denn es deutet nicht auf Kampf oder Streit hin, besonders da sich im Englischen noch eine weitere selbständige Redensart gleichen Inhalts findet: ›Where the horse lies down, hair will be found‹. Das französische Gegenstück heißt: ›Il y a laissé des plumes‹, was aber möglicherweise vom Hahnenkampf abzuleiten ist. Niederländisch ›Hij heeft daar haar gelaten‹. – Falls ein Streit beendigt werden soll, heißt es sprichwörtlich ›Es ist besser, einige Haar lassen als den ganzen Balg verlieren‹. Entsprechend wird für ›Frieden machen‹: ›Die Hände aus den Haaren lassen‹ gebraucht. Schweizerisch bedeutet ›Er hät müesse Haar la‹: er ist in Konkurs gekommen.
›Er läßt nicht gern Haar gehn‹ sagt man von einem geizigen Mann. Wenn einer unverschämt bei Tische zugreift, sagt man von ihm, daß er ›nimmt, bis ihm d'Haar a de Fingeren abbrönne‹.
   Aus dem 16. Jahrhundert ist mittelniederdeutsch belegt jemanden ›van den haren bringen‹: ums Leben bringen, hinrichten und ›sick sulven van haren gebracht‹: sich selber umgebracht.
   Nur in der Literatur des 16. und 17. Jahrhunderts nachzuweisen ist ›har vff har machen‹, Streit erregen, bei Sebastian Franck einmal anschaulicher ausgedrückt als »krieg anrichten, das haar vff yhenes haar reitzen«. Auch der schweizer Chronist Joh. Salat kannte den Ausdruck noch in anderen Variationen: ›har uf har richten‹ für uneinig machen und ›jemandem jemand ins har richten‹, gegeneinander aufrichten. Das Haar steht hier ursprünglich als Charakteristikum für das Tier. Die Jäger unterscheiden Haarwild und Federwild; ›haar um haar handeln‹ meinte den Tauschhandel mit Tieren (›Schwäbisches Wörterbuch‹ 3, 1168), Johann Fischart erwähnt ein Gesellschaftsspiel ›har vf har‹, das er wohl zutreffend von der Fuchsjagd herleitet, und so wird auch unsere Redensart sich in diesen Zusammenhang einfügen. Rupf ein Haar aus, wo keines ist und Zieh mir ein Haar aus der (hohlen Innen-) Hand: Warnung vor unnützem Unternehmen; Was nicht geht, das geht nicht;
Wo nichts ist, hat der Kaiser sein Recht verloren; mundartlich hessisch ›rob e hur aus, wu ka ies‹ (Gießen). So schon mittelhochdeutsch:
   wer roufet mich, dâ nie dehein hâr
   gewuohs, innen an miner hant?
   der hât vil nâhe griffe erkant.
Der frißt mir die Haare vom Koppe weg; er geht mich fortwährend um Geld an (obersächsisch). Im Schwäbischen bezeichnet man mit derselben Redensart einen Gefräßigen oder Heißhungrigen.
   Jemandes Haar loben: ihm Schmeicheleien sagen (früher geläufig, jetzt veraltet). Da blondes Haar besonders geschätzt war, sagte man auch ›Das geschieht nicht um deiner blonden (gelben) Haare willen‹. Schwäbisch ›einem e Härle ums Maul streiche‹: ihm schmeicheln.
   Das Gegenteil davon ist Kein gutes Haar an jemandem lassen: ihn über alle Maßen tadeln. »Es ist kein gutes Haar an ihm« findet sich schon bei Grimmelshausen; ebenso: »Bist du der Haare?« Bist du so gesinnt?
   Dasselbe Haar haben: meint eine Familienähnlichkeit, Verwandtschaft; und ins Negative gewendet, wird festgestellt: ›Der Knabe hat kein Haar von seinem Vater‹, entsprechend schweizerisch ›kes Hörli vom Vater ha‹. Bemerkenswert ist im Englischen die gleiche Wendung bei Shakespeare (›Heinrich IV.‹): »The quality and hair of our attempt brooks no division« und »A lady of my hair cannot want pitying«. Den gleichen Zusammenhang zeigt die Feststellung: ›Den Vogel erkennt man an den Federn‹; vgl. englisch ›It's all hair of the same dog‹.
   Haare auf den Zähnen (auf der Zunge) haben: energisch sein, sich nichts gefallen lassen, rigoros sein Recht verteidigen (besonders gern von Frauen gesagt; Steigerung: ›Die Haare auf ihren Zähnen sieht man selbst bei geschlossenem Mund‹). Die Redensart ist wohl eine Weiterbildung von Ausdrücken wie ›Haare haben‹, ›Ein haariger Kerl sein‹, d.h. sich der vollen Männlichkeit erfreuen (vgl. französisch poilu, wörtlich = behaart, dann tapfer; im 1. Weltkrieg Name für den Frontkämpfer). Das Äußerste solcher ›Haarigkeit‹ wäre, wenn sogar auf den Zähnen Haare wüchsen! Es handelt sich also um eine übertreibende Redensart Die Beziehung zur Werwolfsage, die frühere Erklärer zur Deutung der Redensart herangezogen haben, ist sicherlich irrig. Die ältere Schicht der Redensart kennt die Formulierung ›Haare auf der Zunge‹; so schon ein Beleg in Sebastian Francks ›Weltbuch‹ (1534): »Es ist kein pfaff frumb, er hab dann haar auf der zungen«. Noch in Schillers ›Räubern‹ (II, 1) redet Franz den Bastard Hermann an: »Du bist ein entschlossener Kerl – Soldatenherz –
Haar auf der Zunge!«
   Umgekehrt sagt man in Schwaben von einem, der nicht beherzt genug ist: ›Der hat me' Har unter der Nas als auf der Zung‹. ›Haar in der Hand haben‹ nämlich an der Innenseite der Hand, wo kein Haar wächst, stand mittelniederdeutsch für Unmöglichkeit und Niemals: »den Dithmarschen magstu geloven geven, wanner du har in siner hant findest«. Schwäbisch ›d'Müller ha'nt kei' Har an der Hand‹ scheint dagegen als Warnung vor Unredlichkeit gedient zu haben.
   Etwas ist haarig, ist eine haarige Sache mahnt ebenfalls zur Vorsicht vor Schwierigkeiten, Gefahren und Unberechenbarkeit. Früher sagte man auch ›Eine Sache ist haarig schwer‹: sehr schwierig. Schwäbisch ›mach mir nu' de' Pudel 'et z'harig‹: übertreib nicht zu sehr! ›Du sollst harig werde' am ganze' Leib‹ ist dagegen eine Verwünschung. ›Bei dem geht's harig her‹: dürftig, schlecht, und ›des ist scho' e ganz Hariger‹ bezeichnet einen Geizhals, mit dem man schwer ein Geschäft machen kann.
   Euphemistisch steht ›haarig‹ insbesondere im Alemannischen auch für Geschlechtliches: ›haarige Sachen‹ meint die Genitalien, ›auf haarige Gedanken kommen‹: erotische Vorstellungen haben. Diese Bedeutung von ›haarig‹ taucht sogar in einem beliebten Kinderreim Südwestdeutschlands in der Fasnet auf:
   Hoorig, hoorig, hoorig isch die Katz,
   und wenn die Katz net hoorig isch,
   dann fängt sie keine Mäusle net.
Die ›hoorige Katz‹ steht hier – freilich von den Kindern selbst noch nicht so verstanden – für eine geschlechtsreife Vulva, die schon zum Sexualverkehr (›Mäusle fange‹) fähig und bereit ist.
   Ein Haar in etwas finden: eine Schwierigkeit oder Unannehmlichkeit in einer Sache entdecken, durch eine unangenehme Entdeckung abgeschreckt werden; vgl. französisch ›Y trouver un cheveu‹; ursprünglich von der Speise, so noch heute Ein Haar in der Suppe finden. Bei Grimmelshausen heißt es im ›Simplicissimus‹ (4, 234): »Weil er auch in einem Ey ein Haar finden könnte, so sollte er sagen, was dieser Tafel mangele«; bei dem Prediger Abraham a Sancta Clara: »Es gibt Köch, die so säuisch mit den Speisen umgehen, daß man zuweilen einen halben Spülhader unter dem Kraut findet und bisweilen so viel Haar in der Suppe, als hätten zwei junge Bären darin gerauft. Pfui!«, und: »Soldaten, die ein Grauen haben vor dem Streit, als hätten sie einmal ein Haar darin gefunden, verdienen nichts«, und auch: »Ich hab' noch nie ein Haar in der Arbeit gefunden, daß mir darvor grausen sollt'« (›Judas der Erzschelm‹ III, 155). Anstelle der Suppe heißt es in der Schweiz auch: ›Es ist ein Haar in der Milch‹ oder ›Es ist Haar unter der Wolle‹, die Sache ist nicht sauber. Die englische Version ›a hair in one's neck‹ bedeutet ebenfalls: Ärgernis verursachen; auch mit französisch ›il y a un cheveu‹ ist das gleiche gemeint. Vgl. auch französisch ›Il tombe comme un cheveu sur la soupe‹ (wörtlich: Er fällt wie ein Haar in die Suppe): Er kommt völlig unerwartet.
   Haar in die Wolle schlagen bezeichnete früher unredliches Handeln. Die Redensart bezieht ihr Bild vom Wollenschläger, der billiges (Hunde)haar in das Tuch webte, das beim Tragen dann kratzte. Bei Hans Sachs heißt es: »Wie köndt ich haar int wollen schlagen, / Das ich meim unglück unterkem«.
   Mehr Schulden als Haare auf dem Kopfe haben sagt man wohl in Anspielung auf Ps. 40, 13, wo dies von den Sünden gesagt wird: »Ihrer sind mehr denn Haare auf meinem Haupt«. In Schwaben sagt man scherzhaft untertreibend auch: ›Der hat Geld wie e' Frosch Har‹.
   Sechs (drei) Haare in sieben Reihen: erster spärlicher Bartwuchs. Das redensartliche Bild ist von dünner Aussaat hergenommen.
   Einem die Haare beschneiden: einem die Leviten lesen.
   ›Im Haar ha‹ heißt in der Schweiz: betrunken sein, was elsässisch mit ›geschwollene Haare haben‹ (auch ›Katzenjammer haben‹) ausgedrückt wird.
   ›Einem Weibe in die Haare (in den Zopf) geflochten sein‹ war im 16. Jahrhundert ein Hinweis auf freien, außerehelichen Geschlechtsverkehr.
   Mit Haut und Haar Haut.
• H. SCHRADER: Das Haar in sprachlichen Bildern und Gleichnissen, in: Zeitschrift für deutsche Sprache 7 (1894), S. 21-27 und 41-47; H. BÄCHTOLD-STÄUBLI: Artikel ›Haar‹, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens III, Spalte1239-1288; M. JEDDING-GESTERLING und G. BRUTSCHER (Hrsg.): Die Frisur. Eine Kulturgeschichte der Haarmode von der Antike bis zur Gegenwart (München 1988); U. KUDER: Artikel ›Haar‹, in: Enzyklopädie des Märchens VI, Spalte 336-343.}
Die Haare stehen einem zu Berge. Zeichnung von Brisolla, Abbildung 12.
Etwas ist haarsträubend. Amerikanische politische Karikatur (Chicago Tribune). Aus: DER SPIEGEL, Nr. 9, 1981, S. 131.
Sich die Haar raufen. Antike Gebärden bei der Totenklage. Schwarzfiguriges Vasenbild, Louvre, Paris (nach: Karl Sittl: Die Gebärden der Griechen und Römer, Leipzig 1890).
An den Haaren herbeiziehen. Slowenisches Bienenstockbrettchen von 1886.
Ein Haar in der Suppe finden. Zeichnungen von Wilhelm Busch zu: ›Die Brille‹.

Das Wörterbuch der Idiome. 2013.

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