- Hafen
- Oberdeutsch Hafen = Topf liegt vor in den Redensarten: Das ist nicht in seinem Hafen gekocht: er schmückt sich mit fremden Federn. Er will jedem aus einem Hafen anrichten: er versucht, es allen Leuten recht zu machen, was aber unmöglich ist. Für jeden Hafen einen Deckel wissen: alle Fragen beantworten können, auch: für jedes Mädchen einen Mann wissen (›Jedem Hafen gehört sein Deckel‹; mitteldeutsch ›Jeder Topf findet seinen Deckel‹ u.a.).Dem Hafen den Deckel heruntertun: einen beschimpfen, jemanden desillusionieren; dazu das Sprichwort ›Man muß dem Hafen den Deckel ablupfen‹. Guck in (deinen) eigenen Hafen!: kümmere dich um deine Angelegenheiten, kehre erst vor der eigenen Tür! Vgl. französisch ›Mêle-toi de tes oignons‹ oder ›... de tes affaires‹ (wörtlich: Kümmere dich um deine eigenen Zwiebeln,... um deine eigenen Angelegenheiten). Vgl. schwäbisch ›Häfelesgucker‹ = ein allzu Neugieriger, Indiskreter.Schwäbisch ›Er guckt in neun Häfen zumal und noch d'Stieg hinab‹, er schielt stark, ⇨ Deckel.Aus einem hohlen Hafen reden: gehaltloses Zeug schwatzen. Worte reden, die man selbst nicht versteht; frühneuhochdeutsch, so 1512 in Murners ›Schelmenzunft‹ als Überschrift des 10. Kapitels mit entsprechendem Bild: »Lesen, Beten ohn' Verstand und aus einem hohlen Hafen klaffen; was können sie mit Beten schaffen«. Eine ähnliche Verwendung der Redensart kennt auch noch Grimmelshausen (›Das wunderliche Vogelnest‹): »Mein Gebein müsse in meiner eygenen Haut wie in einem Mörser zerstossen vnd zermalmt werden, hat auch dessfalls aus keinem lären Hafen geredet«. Ist es aber des Guten zuviel, so heißt es oft: ›Das Häfele ist voll!‹ Der Hafen für die Schiffe (portus) steht bildlich in zahlreichen Redensarten, die aus der Seemannssprache stammen. Mit Hafen ist der Begriff der Ruhe und Sicherheit verbunden, was auch in den Redensarten zum Ausdruck kommt. Einen Hafen suchen: eine Zuflucht suchen; In einen sicheren Hafen kommen: in Sicherheit und Ruhe, auch niederländisch ›hij komt in behouden haven‹, ›men is daar in eene veilige haven‹; Den Hafen verlassen: sich aus der Sicherheit hinaus ins Ungewisse begeben, ebenso niederländisch ›hij zeilt de haven uit‹; vgl. auch das Bild Schillers:In den Ozean schifftmit tausend Masten der Jüngling;still auf gerettetem Boottreibt in den Hafen der Greis.Er hat den Hafen (nicht) erreicht: er hat das Ziel seiner Wünsche (nicht) erreicht, vgl. französisch ›arriver à bon port‹; auf den konkreten Fall bezieht sich die Redensart In den Hafen der Ehe einlaufen; Er ist in einem fremden Hafen gewesen heißt es dementsprechend von unerlaubten sexuellen Beziehungen vor allem bereits Verheirateter; auch niederländisch ›hij is op eene vreemde haven geweest‹. Er ist in einen schlechten Hafen gekommen, niederländisch ›hij is daar in eene slechte haven verzeild‹, er ist an einen schlechten Ort, in eine schlechte Stellung, eine schlechte Ehe geraten.Schiffbruch im Hafen (er)leiden, Vor dem Hafen untergehen: Unglück nehmen, wenn man sich schon in Sicherheit glaubt; so bei Goethe (21, 213): »... daß wir, bei so schönen Hoffnungen, ganz nahe vor dem Hafen scheitern«. Diese Redensart ist auch niederländisch bekannt ›in het gezigt van de haven en nog vergaan‹ sowie auch französisch ›au premier port faire bris‹, ›faire naufrage au premier port‹ und auch schon lateinisch ›in portu naufragium pati‹.Man kann keinen Hafen mit ihm besegeln: mit ihm ist nicht auszukommen, bezieht sich auf die Tatsache, daß das Segeln in einem Hafen einfacher ist als auf dem offenen Meer, also nicht ganz soviel Übereinstimmung unter den Seglern benötigt wird; die Redensart ist also so zu verstehen: ›man kann nicht einmal einen Hafen mit ihm besegeln‹.• R. ECKART: Niederdeutsche Sprichwörter und volkstümliche Redensarten (Braunschweig 1893); W. STAMMLER: Seemanns Brauch und Glaube, in: Deutsche Philologie im Aufriß, 29. Lfg. (1965), Spalte 1815-1880; O.G. SVERRISDÓTTIR: Land in Sicht (Frankfurt/M. 1987), S.158-159; W. MIEDER: American Proverbs. A Study of Texts and Contexts (Bern – FrankfurtM., New York 1990).Aus einem hohlen Hafen reden. Holzschnitt, Murner: Schelmenzunft, 1512.
Das Wörterbuch der Idiome. 2013.