hören

hören
Das läßt sich hören: das klingt durchaus annehmbar, das ist gut.
   Jemandem vergeht Hören und Sehen: er weiß nicht mehr, was los ist; er ist äußerst überrascht, sehr betroffen, eigentlich: gleichsam betäubt. Oldecop (S. 458): »Do sint de splitteren dem konige to Frankrichen in dat vorhovet gewischert, dat ome beide san und horen vergen was«.
   Vgl. französisch ›Cela vous coupe le souffle‹ (wörtlich: Das verschlägt einem den Atem).
   Zu einem Schwerhörigen sagt man: ›Du hörst wohl heute mit dem linken Bein nicht gut‹, von einem Unfolgsamen oder Vergeßlichen: ›Er hört gut, aber behält schlecht‹.
   Da muß man ›Hören Sie‹ sagen: das ist nicht so einfach, bedarf eigentlich einer gefälligen Anrede als Einleitung; besonders obersächsisch ›Große Leite mußmer Heernse heeßen‹, d.h. vorsichtig behandeln. Auch auf Sachen angewendet: ›Da mußmer Heernse sagen‹, damit muß man behutsam umgehen, das muß man Mit Glacéhandschuhen anfassen, Glacéhandschuh. Auch niederdeutsch ist die Redensart bezeugt: ›Dat ös man nich so, dat ös hörn se‹.
   Etwas vom Hörensagen wissen (weitergeben): es nicht selbst gesehen oder gehört haben, sondern aus dem, was ein anderer über die Sache gesagt hat. Die Paarformel stammt aus der Rechtssprache und spielt als Prinzip der Wahrheitsfindung eine Rolle. Vom Zeugen wird verlangt, nur das zu behandeln, was er wirklich selbst gesehen und gehört hat.
   In einem Urteil des Ingelheimer Oberhofes von 1450 wird einem Kläger der Beweis mit Zeugen auferlegt, die aussagen müssen, daß »sie dabi und nahe gewest sin und daz sie das gesinne und gehort haben«.
   Ähnlich heißt es auch im St. Gallener Weisthum (5,152 von 1466): »item welher och kuntschaft uber den andren sagen will vor recht, der sol sagen ... was im von der sach ze wissen si und uf in bezügt sie, och darbi und mit gewesen, das gesehen und gehört hab, dann man sol nieman daz sin abkennen uf hörensagen, sonder sol man es wissen«. Wie wenig das Zeugnis vom Hörensagen gilt, ergibt sich aus zahlreichen literarischen Belegen und Sprichwörtern: »was man hört, ist nicht so gewisz, als das mann sihet, und wenn einer sagt, er habs vom hören sagen, so stelt ers in einen zweifel, und wil es nicht für eine ganze warheit nachsagen« (Agricola ›Sprichwörter‹,1570,87); »vom hörensagen kommen die lügen ins land, vom hörensagen leugt man viel« (Simrock, Deutsche Sprichwörter,1846, 261); vgl. englisch ›I speak on hearsay‹.
   »Ich hab es nicht von hören sagen« (habe es selbst gesehen) (H.W. Kirchhoff, ›militaria disciplina‹, 1602,185).
   ›Wer nicht hören will, muß fühlen‹. Das pädagogische Sprichwort stammt aus den Zeiten der Prügelstrafe. Wer ungehorsam war, bekam mit dem Stock oder mit der Hand einige fühlbare Hiebe. Aber in erweitertem Sinne versteht sich das Sprichwort als schadenfrohe Genugtuung gegenüber jedem wider besseres Wissen selbst verschuldetem Unglück. Heute kennt man diesen Satz eher in parodistischer Umwandlung, z.B. ›Wer nicht hören will (Hörfunk), muß fernsehen‹.
• O. DILCHER: Paarformeln in der Rechtssprache des frühen Mittelalters (Diss. Frankfurt/M. 1961, Darmstadt 1961); E. ERLER: Artikel ›Hörensagen‹, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte II, Spalte 238-241; M. SCHÄFER: Klang und Krach. Eine Kulturgeschichte des Hörens (Frankfurt/M. 1988); D. GREEN: Hören und Lesen: Zur Geschichte einer mittelalterlichen Formel, in: W. RAIBLE (Hrsg.): Erscheinungsformen kultureller Prozesse (=Script Oralia 13) (Tübingen 1990), S. 23-44.

Das Wörterbuch der Idiome. 2013.

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