- Kamellen
- Alte Kamillen, niederdeutsch ›Dat sünd olle Kamellen‹ (oft mit dem Zusatz: ›de rükt nich mehr‹): alte, längst bekannte Sachen, abgenützte Phrasen; ein vorwiegend in Norddeutschland gebräuchlicher Ausdruck; er ist seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Pommern nachgewiesen. Bei langem Lagern büßen die Kamillen ihren würzigen Geruch und auch ihre Heilkraft ein. Fritz Reuter erläutert seinen Buchtitel ›Olle Kamellen‹ 1863 brieflich so: »dat heit so vel ungefihr, as ›Meidinger‹ (Anekdoten), de halw vergeten sünd, un stammt sick von de Kamellenbleumen her, dei ock nich recht mihr för bukweihdag (Leibschmerzen) helpen will, wenn sei äwerjährig worden sünd«.Im Liede aus Jütland/Dänemark ›Gut'n Abend, euch allen hier beisamm‹ heißt es in der letzten Strophe:Ei, Steffen, ei Steffen,die Polka kann ich nicht.Da sitz ich viel lieberund tu mir vertellenmit mein'n lieben Schwestern'n paar olle Kamellen.Die niederdeutsche Form ›Kamellen‹ hat sich gegenüber der hochdeutschen durchgesetzt. Dabei ist interessant zu beobachten, daß den Menschen, die nicht dem niederdeutschen Sprachraum angehören oder ihm entstammen, die Verwandtschaft von Kamellen und Kamillen zum weit überwiegenden Teil unbekannt ist. Diese Tatsache erklärt sich im Rheinland daher, daß dort das Wort ›Karamell‹ = Bonbon in der Mundart ›Karmelle‹ heißt, das ›r‹ aber nur ganz vereinzelt ausgesprochen wird. Die so entstandene Homonymie hat bewirkt, daß unser Ausdruck sich rheinisch an die Karamellbonbons angeschlossen hat: ›dat es en al Ka (r) mell‹, bzw. ›dat sen ale Ka (r) melle‹.Bei der entsprechenden Redensart Olle Kamellen aufwärmen: erledigte, abgetane Dinge wieder zur Sprache bringen, wird der alte Sachzusammenhang nicht mehr recht eingesehen; sie ist eher an die Redensart ›Alten Kohl aufwärmen‹ angelehnt. Schließlich ist in der bedeutungsgleichen Redensart Alte Kamellen ausgraben das Wort Kamellen bereits Synonym für ›Sachen‹, ›Dinge‹ oder ›Geschichten‹.
Das Wörterbuch der Idiome. 2013.