Latte

Latte
Mit der Latte laufen: ein Narr sein, in engerer Bedeutung: toll sein vor Liebe. Belegt ist der Ausdruck z.B. 1728 bei Daniel Stoppe (›Gedichte‹ Band 2, S. 199): »Wer mit der Latte läuft und sich als ein Narr stellt«. Der Sinn der Redensart wird kulturgeschichtlich klar, wenn man sich unter Latte die Leimstange oder Leimrute des Vogelfängers vorstellt. Gestützt wird diese Gleichsetzung dadurch, daß im 16. Jahrhundert die Redensart auch in der Form ›mit der Leimstange laufen‹ im selben Sinne ganz gebräuchlich war. Diese Form wird im 17. Jahrhundert bei Heinrich Julius von Braunschweig literarisch: »Barmherziger Gott, wie leuft der Kerl mit der Leimstangen«, d.h., was ist er doch für ein Narr. Der ›Leimstängler‹ war in der Komödie des 16. und 17. Jahrhundert die typische Figur des verliebten Gecken, der in närrischem Aufzug mit Leimrute oder -stange als Mädchenjäger umherlief, um sie wie Vögel einzufangen. Leim.
   Einen auf der Latte haben: betrunken sein, mag sich scherzhaft auch noch auf die Leimstange beziehen, mit der man einen Vogel fängt. Die Redensart bedeutet aber auch: es auf einen abgesehen haben, einen nicht leiden können, jemanden scharf beobachten. Hier dürfte vielleicht an die Fixier- und Visierlatte des Landmessers oder des Artilleristen als tertium comparationis gedacht sein. Latte kann hier aber auch im Sinne des Kerbholzes verstanden werden, auf dem man noch jemanden als Schuldner hat. So heißt ›Etwas auf der Latte haben‹ auch: Schulden haben. Latte wird ferner als Mengenbezeichnung für Geld gebraucht: ›Eine Latte Geld‹, Eine Stange Geld. Im Bairischen ist im Sinne des Kerbholzes bekannt: ›einem eine Latte zahlen‹, einem die Zeche zahlen. Man sagt dort auch: ›Er hat eine lange Latte‹, er hat viele Zechschulden, oder: ›rechnen Sie die Latte zusammen‹, machen Sie die Rechnung. Im Rheinland sind ›Lattenschulden‹ Borgschulden. ›Man schlägt einen an die Latte‹, wenn man über den Durst und auf Pump trinkt, wobei der letztere Sinn in der Redensart heute meist verlorengegangen ist, so daß sie nur noch als ein flottes Kraftwort gebraucht wird.
   Er hat eine Latte zuviel: er ist verrückt. Verständlich wird diese Redensart, wenn man an die verwandte Form denkt: ›Der hat einen Dachsparren zuviel‹, wobei Kopf und Verstand mit dem Dach verglichen werden. Der hat sie nicht alle auf der Latte besagt dasselbe. Latten schneiden: schnarchen; vgl. auch ›sägen‹ in der gleichen Bedeutung
   Lange Latte nennt man einen langen, hageren Menschen; Eine tapezierte Latte ist ein geckisch aufgeputzter hagerer Mensch.
   Einen auf die Latten legen: einen ins Gefängnis stecken. Die Redensart knüpft an den älteren Ausdruck ›Lattenarrest‹ an, der so nach der mit Latten ausgelegten, primitiven Gefängniszelle genannt ist; vgl. ›An die Latten kommen‹, von der Polizei erwischt werden. Im Schwäbischen ist ›August mit der Latte‹ der Landjäger, wobei Latte als ironisierender Ausdruck für jede Art von Waffe, hier für das Gewehr, fungiert. Im Rheinland nannte man den Degen des Feldwebels ›Lättchen‹.
   Durch die Latten gehen: entwischen, ist wohl eine lautliche Analogiebildung zu ›Durch die Lappen gehen‹ ( Lappen), wobei hier nun aber Latten als Lattenzaun verstanden werden.
   ›Über den Latten gehen‹ besagt in Augsburg: die Grenzen des Anstandes überschreiten; vgl. schweizerisch ›aus der Latte springen‹, aus der Rolle fallen, wobei eine Anknüpfung an die mittelalterlichen Turnierschranken ( Schranke) denkbar wäre, aber nicht gesichert ist.
• L. RÖHRICH und G. MEINEL: Redensarten aus dem Bereich der Jagd und der Vogelstellerei, S. 323.

Das Wörterbuch der Idiome. 2013.

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