Natur

Natur
Das ist ihm zur zweiten Natur geworden: er hat sich daran gewöhnt; es ist ihm zur Selbstverständlichkeit geworden. Die Redensart geht zurück auf ein Zitat aus Ciceros ›De finibus‹ (V, 25,74): »dicunt consuetudine quasi alteram quandam naturam effici«. Aber auch schon in der ›Rhetorik‹ des Aristoteles (I, ll) heißt es: »Die Gewohnheit wird gleichsam zur Natur« (andere Stellen bei Otto, Sprichwörter der Römer, S. 90f.). Entsprechend auch in anderen europäischen Sprachen, z.B. englisch ›it has become second nature to him‹; niederländisch ›dat is hem een tweede natuur‹; französisch ›C'est devenu sa seconde nature‹. Vgl. auch Pascal (›Pensées‹): »L'habitude est une seconde nature«.
   Natur wird in vielen Wendungen im Sinne von Konstitution, Gesamtorganismus, Körperkraft gebraucht, z.B. Es geht einem gegen die Natur: es widerstrebt einem; vgl. französisch ›Cela va contre sa nature‹; auch in den Mundarten, z.B. schwäbisch ›die Natur ist zu kurz‹, die physische Kraft reicht nicht aus, man ist zu klein; schleswig-holsteinisch ›de Mann het en goode Natur‹, er ist gutmütig, gutartig; hessisch ›e gut Natur (e Gaulsnatur) habe‹, sehr kräftig und widerstandsfähig sein.
   Von der Natur stiefmütterlich bedacht sein: wenig Gesundheit, Kraft, Schönheit oder Verstand besitzen; vgl. französisch ›ne pas etre gâté par la nature‹ (wörtlich: von der Natur nicht verwöhnt sein).
   Natur kneipen gehen: spazierengehen, ohne einzukehren; ist eine jüngere umgangssprachliche Redensart ( Luft).
   Der berühmte Imperativ ›Zurück zur Natur‹ (›Retour a la nature‹) wird allgemein mit J.J. Rousseau (1712-78) in Verbindung gebracht, obwohl er sich in diesem Wortlaut in keiner seiner Schriften finden läßt. Das berühmte, vermeintliche ›Zitat‹ hat bis zur Gegenwart sprichwortbildend weitergewirkt, etwa in Versionen wie: ›Alle wollen zurück zur Natur, nur nicht (aber keiner / nur keiner) zu Fuß‹. Verschiedene Persönlichkeiten werden als Urheber dieses modernen Sprichworts nachgewiesen, u.a. Petra Kelly, Bundestagsabgeordnete der Grünen, aber vor ihr schon andere. Weitere Parodien des Spruches sind: ›Alle wollen zurück zur Natur. Aber keiner zum Zahnarzt‹; in der Form des Wellerismus: ›Zurück zur Natur, sagte der Fisch, schnallte die Flossen ab und ging wieder zu Fuß‹ oder als Graffiti-Spruch: ›Zurück zur Natur, solange sie noch da ist‹.
• C.B. HERRLIGKOFFER: Discussion of Hippocrates' aphorism: ›Natura sanat, medicus curat‹, in: Münchner Medizinische Wochenschrift 82 (1935), S. 1693-1697; W. MIEDER: ›Zurück zur Natur‹. Zum Weiterleben eines angeblichen Rousseau-Zitats, in: Der Sprachdienst 33 (1989),146-150.

Das Wörterbuch der Idiome. 2013.

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