Bändel

Bändel
Außer Rand und Band sein Rand. Am laufenden Band: unablässig. Der um 1920 aufgekommene Ausdruck ist kurz nach Einführung des Fließbandes in Deutschland verbreitet worden.
   Das spricht Bände!: das besagt sehr viel, das ist sehr aufschlußreich. Gemeint ist, daß die Äußerung gleichwertig ist mit dem Inhalt vieler Bücherbände.
   Einen am Bändel haben: ihn in seiner Gewalt haben; ihn leiten, wie man will; in anderer Bedeutung: eine Liebschaft haben, an jemanden gebunden sein, der einem in Liebe ergeben ist. Die Redensart geht zurück auf das Band, das als Zeichen der Liebe und Freundschaft schon im Mittelalter in vielen literarischen Zeugnissen belegt ist. Vor allem in der Minnedichtung begegnet es mehrmals in den provenzalischen Liedern des Peire Vidal (um 1175-1215) wie auch bei Arnaut de Caracasse. Bei ihnen wird dem höfischen Ritter von der Dame seines Herzens außer einem Ring auch ein golddurchwirktes Band geschenkt, das als Zeichen der Freundschaft und Liebe, aber auch als Schutzzeichen und Glücksbringer mit Stolz getragen wird. Auch in der deutschen Dichtung erscheint um 1215 das Band bei Herbort von Fritzlar in seinem ›Liet von Troye‹:
   durch der frouwen minne
   truc er daz golt an siner hant
   und ein guldin harbant
   in den selben stunden
   um sin houbet gebunden,
später bei Jörg Wickram in ›Galmy‹ (1539), dem eine französische Quelle zugrunde liegt.
   Daß die Vergabe von Bändern als Liebespfand ein wirklich geübter Brauch war, ist besonders durch Geiler von Kaysersberg (1445-1510) erwiesen, der mit vielen Belegstellen aus der mittelalterlichen Liebeslyrik an dieser Art von Bindung harte Kritik übte. Auch der Satiriker J.M. Moscherosch (1601-69) geißelt diesen Brauch:
   »Die andere Verliebte sind wunderlichen anzuschauen, und möchte mancher meynen, er sähe einen Kram-Gaden aufgethan, oder in einen Pater-noster Laden, so mit mancherlei farben von Nesteln, Bändeln ...«.
   Offensichtlich hatten solche Äußerungen keinen Einfluß auf den traditionellen Brauch des Bänderschenkens, denn auch im älteren Volkslied finden sich zahlreiche Belege dafür, so in einem alten schlesischen Lied:
   Was schenket sie ihm bald wieder?
   Ein schönes Kränzelein.
   Womit war es gebunden?
   Mit lauter Liebeshand
   Wol mit Jelänger je lieber
   Mit lauter Liebesband.
Aber auch in außerdeutschen Liedern ist das Motiv des Bandes verwendet, wie etwa in dem aus dem Schwedischen ins Deutsche übernommenen, in dem das Band deutlich als das Symbol der Bindung zwischen den Liebenden erscheint:
   Zum Tanze da geht ein Mädel mit goldenem Band:
   Das schlingt sie dem Liebsten so fest um die Hand.
Ferner kehrte das Band im 17. Jahrhundert in zahlreichen Namenstags- und Geburtstagscarmina wieder, die geradezu ›Bindebriefe‹ genannt wurden.
   Noch im 18. Jahrhundert erscheint das Motiv in der alten Verwendung als Liebespfand, das vom Mädchen an den Jüngling verschenkt wird, und zwar bei Ch. F. Gellert (1744) in einem Schäferspiel, in dem ein Aufzug den Titel ›Das Band‹ erhielt:
   Bedenk es nur einmal: Ich schenk ihm jüngst ein Band
   und knüpf es ihm dazu noch selber in die Hand.
In dieser Zeit wurde das Band aber auch so verwendet, daß es vom Mann an die Frau geschenkt wurde – so belegt bei Klopstock in seinem Gedicht ›Das Rosenband‹, das von Franz Schubert vertont wurde:
   Im Frühlingsschatten fand ich sie,
   da band ich sie mit Rosenbändern ...
Vor allem ist hier aber auch Goethe zu nennen mit seinem bekannten Lied ›Mit einem gemalten Band‹, aus dem zu ersehen ist, daß damals auch gemalte Bänder als Liebesgeschenke verehrt wurden:
   Kleine Blumen, kleine Blätter
   streuen mir mit leichter Hand
   gute junge Frühlingsgötter
   tändelnd auf ein duftig Band.
Auch in neuerer und neuster Zeit erscheint das Band der Liebe in vielen Textstellen, u.a. in dem von K. Nachmann verfaßten Lied ›Mariandl, -andl, -andl, aus dem Wachauer Landl, Landl, Landl‹ aus dem Tonfilm ›Der Hofrat Geiger‹ (vertont von H. Lang): »du hast mein Herz am Bandl, Bandl, Bandl ...« in einer sprachlichen Fassung, die der ursprünglichen Redensart ›jemanden am Bändel haben‹ am nächsten kommt.
   Einen am Bändel herumführen: ihn zum besten haben, vgl. französisch ›tenir quelqu'un par les cordons‹, veraltet, dafür heute: ›tenir quelqu'un en laisse‹ (wörtlich: jemanden an der Leine führen), Leine.
   Etwas am Bändel (auch am Schnürchen) haben: es sicher beherrschen, so daß es einem geläufig ist; Alles am Bändel haben: die volle Herrschaft erreicht haben, frei schalten können. Diese vor allem mitteldeutschen Redensarten sind meist recht jung; sie sind entweder vom Leitseil der Haustiere oder (wahrscheinlicher) vom Gängelband der kleinen Kinder hergeleitet. Die erzgebirgische Redensart ›Die müssen vom Bändel zehren‹, d.h. vom Grundstock ihrer Habe, findet sich schon bei Hans Sachs:
   Mein werkstatt die ließ ich zusperren,
   Weib und Kind vom bändlein zehren.
Die Redensart Band hauen gehen: sich mit Besenbinden Geld verdienen müssen, verarmt sein, gehört auch in diesen Sinnzusammenhang. Mundartlich ›Do werd d'r Bännel dairer wie d'r Sack‹ (da wird der Bändel teurer als der Sack), das Drum und Dran macht die Sache zu teuer; niederdeutsch ›Wammet glik metm Bänneken binnet, bruket me hernägest kein Strick‹; bairisch ›'s Bandl bricht‹, der Geduldsfaden reißt, und ›Es hat mi beim Hosenbandl‹, ich bin in großer Verlegenheit, in äußerst kritischer Lage.
• K. MEISEN: Liebespfänder in mittelalterlicher und neuerer Zeit, in: Rheinisches Jahrbuch für Volkskunde 4 (1953), S. 142-204.

Das Wörterbuch der Idiome. 2013.

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