Passau

Passau
Er versteht die Passauer Kunst: er vermag sich hieb-, stich- und kugelfest zu machen; er ist gegen jedes Unglück gefeit. Die Redensart war früher sehr verbreitet, ist aber heute weithin verschollen. In übertragener Anwendung findet sie sich noch 1802 bei Jean Paul im ›Titan‹ (90. Zykel): »Schöne Kunst und nichts als Kunst war für die Fürstin die Passauer-Kunst gegen Hofund Lebenswunden«.
   ›Passauer Kunst‹ ist das im Dreißigjährigen Krieg sehr verbreitete Verfahren, sich durch Zettel, die auf dem Leibe getragen wurden, gegen Verwundung ›fest‹ zu machen. Zur Erklärung des Namens wird gesagt: Die Soldaten wandten sich an Zauberkundige, die sich besonders unter fahrendem Volk fanden. Solche professionelle Zauberkundige hießen in der Studentensprache ›Pessulanten‹. Das Wort wäre dann in die Soldatensprache übergegangen und zu ›Passauer‹ entstellt worden. Die ›Passauer Kunst‹ galt als teuflisch. Grimmelshausen erwähnt dies im ›Simplicissimus‹ (IV,186): »Mußte es auch, wie sehr und eygentlich du dich dem Teufel obligiret hattest, ordentlicher Weis verbriefft seyn, welches durch die Zettel geschehen, die du vor die Festigkeit bey dir getragen oder gar in Leib gefressen, maßen die Zettel der Passauer Kunst (welche den Namen darvon hat, daß sie ein Student zu Passau erfunden) keinen andern Inhalt haben, die viele darbey stehende Creutz-Zeichen ohnangesehen, als diesen erschröcklichen, den nimmermehr kein Christ wegen seiner Greulichkeit vor sein Maul, geschweige auff das Papier kommen lassen solte:
   Teuffel hilff mir,
   Leib und Seele gib ich dir«.
Eine andere Erklärung besagt, daß der Name ›Passauer Kunst‹ einen geschichtlichen Ursprung habe. Als der spätere Kaiser Matthias 1611 bei Passau ein Heer sammelte, benutzte der Henker Caspar Neithardt aus Passau die Gelegenheit, um den Soldaten mit Figuren u.a. Zeichen bemalte Zettel als Schutzmittel zu verkaufen (so Anhorn, ›Magio logia‹ 837f.). Nach dem ›Simplizianischen Vogelnest‹ (II,25) war ein Student Christian Eisenreiter aus Passau der Erfinder. Die Zettel wurden als Amulette von den Soldaten getragen, nach Anhorn auch gegessen (›Schluckzettel‹).
   Der Zettel machte gegen Schuß, Hieb und Stich fest. Der Glaube an ihre Wirkungskraft wurde dadurch befestigt, daß die unzufriedenen Soldaten Rudolfs II. den Truppen des Erzherzogs Matthias keinen Widerstand leisteten (Handbuch des Aberglaubens VI, Spalte 1460f.). Mit geringerer Wahrscheinlichkeit hat man auch an den Ausdruck ›passen‹, nicht mittun beim Kartenspiel, nicht drankommen beim Stechen, gedacht.
• A. SPAMER: Romanusbüchlein (Veröffentlichungen des Instituts für deutsche Volkskunde 17), (Berlin 1958); L. RÖHRICH: Artikel ›Zauberbücher‹ und ›Zaubersprüche‹, in: Religion in Geschichte und Gegenwart VI (3. Auflage 1962), Spalte 1869-1871 und Spalte 1873-1875.

Das Wörterbuch der Idiome. 2013.

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