Sonntagskind

Sonntagskind
Ein Sonntagskind sein: ein Glückskind sein, dem alles gelingt und dem selbst das Unglück zum Guten ausschlägt, weil ihm bei seiner Geburt überirdische Gaben zuteil wurden; vgl. französisch ›un chanvard‹ (wörtlich: ein Glückskind).
   Der am Sonntag Geborene galt schon bei Griechen und Römern als Glückskind. Die Römer nannten ihn ›fortunae filius‹ oder ›albae gallinae filius‹ = das Kind der weißen Henne, da weiße Tiere allgemein als glückbringend verehrt wurden (vgl. auch französisch ›C'est le fils de la poule blanche‹).
   Bei den Germanen hatte das ›Donnerstagskind‹ diese bevorzugte Stellung. Es stand unter dem besonderen Schutz des Gottes Thor und besaß die Fähigkeit, Geister zu sehen, was vom späteren christlichen Volksglauben in Deutschland zuerst übernommen wurde. Johann Fischart schrieb davon 1574 in ›Aller Praktik Großmutter‹ (126): »Ich bin ein Sonntagskind; ich sehe kein Gespenst, ohn die Magd im Unterhembd«. Weil die Sonne alles sieht und an den Tag bringt, schrieb man den am Sonntag Geborenen die Fähigkeit zu, alles sehen und sogar in die Zukunft blicken zu können. Mit der Einführung der Planetenwoche erhielt alles, was mit dem größten Gestirn zusammenhing, erhöhte Bedeutung, besonders dann, als der Sonntag mit dem christlichen ›Tag des Herrn‹ verschmolz.
   Im Volksglauben wurden jedoch Einschränkungen nötig, denn nicht jeder, der am Sonntag geboren worden war, erwies sich später als Glückskind. So gibt es z.B. im Siebenbürgisch-Sächsischen die resignierende Feststellung, die gleichzeitig ein Trost sein soll: ›Et git gor winich Sangtichkäindjer‹. Es kommt eben dabei auf einen bestimmten Tag im Jahr oder auf eine bestimmte Uhrzeit bei der Geburt an. Sagen und Märchen berichten häufig von Sonntagskindern: nur sie können mit dem Geisterreich in Verbindung treten, Erlösungen vollbringen, die Wunderblume finden und Schätze heben, ihre Träume gehen in Erfüllung, sie bringen auch anderen Menschen Glück und gelten selbst für talentvoll, gescheit, reich und schön. Hauff verwendet diese Vorstellungen literarisch in seiner Erzählung ›Das kalte Herz‹.
   Die englische Redensart ›to be born in a caul‹: in der Fruchtblase geboren werden, hat dieselbe Bedeutung wie ›Als Sonntagskind geboren werden‹. Im norddeutschen Sprachraum gibt es dafür auch die Redensart ›mit einem Helm geboren sein‹. Kluge-Mitzka (1967, S. 263) führt als Bezeichnung für ›Glückskind‹ die Redensart ›Ein mit einer Glückshaube geborenes Kind‹ auf. Im Englischen ist die Redensart seit 1540 belegt. Auch Swift gebraucht die Redensart 1738: »I believe you were born with a caul on your head, you are such a favourite among the ladies«.
• G. JUNGBAUER: Artikel ›Sonntagskind‹, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens VIII, Spalte 114-120; Atlas der deutschen Volkskunde, Lieferung I: Karten über Wochentage als Glücks- und Unglückstage, herausgegeben von H. Harmjanz und E. Röhr (1937-39); R. BEITL: Der Kinderbaum (Berlin 1942); R. WOLFRAM: Brauchtümlich bevorzugte Wochentage für die Abhaltung bäuerlicher Hochzeiten, in: Öesterreichischer Volkskundeatlas, 2. Lieferung (1965), Bl. 32; L. WEISER-AALL: Svangerskap og Fodsel i nyere Norsk Tradisjon (Oslo 1968).

Das Wörterbuch der Idiome. 2013.

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  • Sonntagskind — Glückskind; (geh.): Kind der Fortuna, Liebling der Götter; (ugs.): Glückspilz; (volkstüml.): Hans im Glück. * * * Sonntagskind,das:⇨Glückskind Sonntagskind→Glückskind …   Das Wörterbuch der Synonyme

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