- Stunde
- In einer glücklichen (unglücklichen) Stunde geboren sein: ein Glückskind sein, dem alles zum Guten ausschlägt, was immer es auch beginnt, weil in der Stunde seiner Geburt die Sterne günstig standen (vom Pech verfolgt werden), ⇨ Stern.Die rechte Stunde wahrnehmen: die sich bietende günstige Gelegenheit ohne Zögern ergreifen.Zur rechten Stunde gekommen sein: gerade im richtigen Moment, rechtzeitig.Warten, bis seine Stunde gekommen ist: sich ruhig Zeit lassen, bis es sicher ist, daß nun der Augenblick der Rache, des Triumphes da ist; vgl. französisch ›attendre que son heure soit venue‹.Die Redensart ist biblischer Herkunft. Auf der Hochzeit zu Kana (Joh 2, 4) spricht Jesus zu seiner Mutter, ehe er das erste Wunder vollbringt: »Meine Stunde ist noch nicht gekommen«.Seine Stunde ist gekommen: jetzt ist die rechte Zeit zum Eingreifen; der Erfolg ist ihm sicher, wenn er seine Chancen wahrnimmt; vgl. französisch ›Son heure est venue‹.Dem Gebot der Stunde gehorchen: das tun, was unbedingt erforderlich und unumgänglich ist. Die Wendung ist ein etwas abgewandeltes Zitat aus Schillers Drama ›Maria Stuart‹ (III, 3): »Gehorcht der Zeit und dem Gesetz der Stunde!«Ein Mann der ersten Stunde sein: von Anfang an bei einer Sache dabeigewesen sein, ⇨ Mann. Dies wird besonders rühmend von Politikern gesagt, die bei dem schweren Neubeginn nach 1945 richtungweisend waren, den Wiederaufbau förderten und die Demokratie in der Bundesrepublik durchsetzen halfen.Etwas in zwölfter Stunde tun: so lange zögern, bis es höchste Zeit damit wird, es im letzten Augenblick noch erledigen. Die Redensart beruht auf einer Bibelstelle (Mt 20, 6), wo es im Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg jedoch um die »elfte Stunde« geht; vgl. französisch ›ouvriers de la onzième heure‹ (die Arbeiter, die erst um die elfte Stunde gekommen sind und keinen Anspruch auf reiche Belohnung erheben dürfen).Keine gute Stunde bei jemandem haben: es schwer haben, ständig angetrieben, schikaniert und unwürdig behandelt werden.Der schweren Stunde entgegensehen: als Schwangere kurz vor der Entbindung stehen.Etwas in einer schwachen Stunde tun: etwas tun, was man später bereut, eigentlich schwach werden und dem Drängen nachgeben. Die Wendung wird gern zur Entschuldigung und Erklärung von falschen Entscheidungen oder unmoralischem Verhalten gebraucht; vgl. französisch ›son heure de folie‹ (wörtlich: in der Stunde, in der er nicht ganz bei Sinnen war).Für jemanden schlägt die Stunde auch: Seine Stunde schlägt: die günstige Gelegenheit zum Eingreifen, zum Aufstieg in eine höhere Position ist gekommen, aber auch: die Zeit des Abschiedes, des Todes naht. Vergleiche den Roman von E. Hemingway: ›For Whom the Bell Tolls‹ (›Wem die Stunde schlägt‹), dessen Titel von einem Gedicht von J. Donne (ca. 1600) angeregt wurde.Wissen, was die Stunde geschlagen hat (auch: ›wieviel Uhr es ist‹): genau Bescheid wissen, das unabänderliche Geschick kennen, das einem bevorsteht, merken, daß sein Leben zu Ende geht.Seine letzte Stunde (sein letztes Stündlein) hat geschlagen (ist gekommen): er muß sterben. Vergleiche niederländisch ›Zijn laatste uurtje heeft geslagen‹; französisch ›en être aux dernières extrémités‹ (wörtlich: seine letzte Stunde erreicht haben). Die euphemistischen Wendungen ›Sein letztes Stündlein schlägt ihm‹ und ›Seine Uhr ist abgelaufen‹ sind dichterisch und erst der nordhochdeutschen Sprache angehörig. Inwieweit die Totentänze (vgl. auch die Sanduhr in der Hand des Todes auf Dürers Kupferstich ›Ritter, Tod und Teufel‹) auf die Bildung solcher Phrasen einwirkten, wird sich schwer entscheiden lassen, ⇨ zeitlich.Früher hat man den Tod auch mit der Wendung umschrieben: ›Es ist eine böse Stunde‹. Agricola verzeichnet in seiner Sammlung der Sprichwörter (Nr. 444): ›Es ist vmb eyn böse stund zuthun‹, und erläutert dies: »Eyn böße stunde heyßt man den todt / der alle ding frißt vnd verzeret«.• F. WILHELM: Die Euphemismen über Sterben und Totsein, in: Alemannia 27 (1900), S. 73ff., besonders S. 83; G. JUNGBAUER: Artikel ›Stunde‹, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens VIII, Spalte 563-570; S. METKEN (Hrsg.): Die letzte Reise (München 1984).
Das Wörterbuch der Idiome. 2013.