Tod

Tod
In einer ganzen Reihe von Redensarten wird der Tod personifiziert: ›Dem Tod in die Augen sehen‹; vgl. französisch ›regarder la mort les yeux dans les yeux‹; ›Der Tod hält reiche Ernte‹; ›Den Tod austreiben‹ bzw. ›austragen‹ (von den Lätarebräuchen); ›Den Tod vor Augen sehen‹; schwäbisch ›der ist zum Tod in d'Kost gangen‹; ›Der Tod guckt ihm aus allen Gliedern heraus‹; ›Der Tod hat angepocht‹; vgl. französisch ›La mort a frappé à la porte‹.
   Mit dem Tode ringen, war ebenso wie der noch heute geläufige Begriff ›Todeskampf‹ (französisch ›le combat de l'agonie‹), ursprünglich wörtlich gemeint, lebt doch der Tod in Volksglaube und Sage noch bis heute als Knochenmann. Vergleiche auch amerikanisch ›to shake hands with death‹: sich mit seinem Schicksal abfinden.
   Als Boten des Todes werden alle Krankheiten angesehen (z.B. auch in Kinder-und Hausmärchen der Brüder Grimm 177).
   Der Tod läuft mir übers Grab sagt man beim Empfinden eines plötzlichen Schauers, dessen Ursache nicht erklärbar scheint; niederoesterreichisch ›Er hat dem Tod ein paar Schuhe gegeben‹ (wenn jemand von einer schweren Krankheit genesen ist). So auch pommerisch ›dem Tod ein paar Schlurrtüffeln geben‹;
›dem Dôd he par Schauh schenke‹. Die Redensart, die von U. Jahn mythologisch gedeutet wurde, ist noch nicht befriedigend erklärt.
   Aus dem Grimmschen Märchen von den ›Bremer Stadtmusikanten‹ (Kinder und Hausmärchen der Brüder Grimm 27) stammt ein beliebt gewordener Slogan; der Esel, der Hund und die Katze sind auf dem Weg nach Bremen, um dort Stadtmusikanten zu werden. Sie treffen unterwegs den Hahn, der noch am selben Tag geschlachtet werden soll. Der Esel antwortet dem Betrübten: »Ei was, du Rothkopf ..., zieh lieber mit uns fort, wir gehen nach Bremen, Etwas Besseres als den Tod findest du überall«.
   Er ist gut nach dem Tod schicken sagt man von einem Langsamen und Trägen: er bleibt lange aus. Würde man ihn beauftragen, den Tod zu holen, so bliebe den Zurückbleibenden noch viel Zeit zum Leben. Auch: Der wäre gut nach dem Tod zu schicken: er kommt so bald nicht wieder. In Hans Sachs' bekanntem Fastnachtsspiel ›Der Krämerkorb‹ wird zu einem säumigen Knecht gesagt:
   Du werst gut nach dem tod zu senden,
   Du dest (tätest) nit pald dein potschafft enden;
belegt auch bei Eyering: »Man solt dich nach dem tod aussenden«.
   Das wird einen sanften Tod haben: die Sache wird wieder still einschlafen; vgl. französisch ›L'affaire mourra de sa belle mort‹.
   Er wird einen leichten Tod haben: er ist dumm; eine witzige Redensart des 20. Jahrhundert, deren Erklärung erst die Pointe bringt; er hat nicht viel Geist aufzugeben, wird also unbeschwert sterben.
   Einen Tod muß man leiden: bei einer schwierigen, allerdings nicht lebensbedrohenden Entscheidung ein Übel von zwei zur Wahl stehenden bevorzugen.
   Tausend Tode sterben müssen: angespannt, voller Angst und Unruhe sein.
   Etwas zu Tode reiten: etwas überstrapazieren, bis zum Überdruß wiederholen.
   Durch den schwarzen Tod umkommen: an der Pest sterben müssen. Erfrieren oder Sterben durch Lawinen nennt man ›Den weißen Tod‹.
   Aussehen wie der Tod von Basel: sehr schlecht, totenblaß aussehen. Die Wendung ›Tod von Basel‹ findet sich u.a. in einem Volkslied, das im Almanach von Nicolai abgedruckt ist (Erk-Böhme: Deutscher Liederhort II, 701, Nr. 914):
   Als ich ein jung Geselle war,
   Nahm ich ein steinalt Weib;
   Ich hatt' sie kaum drei Tage,
   Da hat's mich schon gereut.
   Da ging ich auf den Kirchhof
   Und bat den lieben Tod:
   Ach lieber Tod zu Basel
   Hol mir mein' Alte fort!
   ...
   Das junge Weibel, das ich nahm,
   Das schlug mich nach drei Tag'.
   Ach lieber Tod von Basel
   Hätt' ich mein' alte Plag'!
Der redensartliche Vergleich findet sich auch gelegentlich in der Form ›Aussehen wie der Tod im Basler Totentanz‹, und diese Variante deutet zugleich den Ursprung der Redensart an. Der ›Basler Totentanz‹ war ursprünglich ein Wandbild, das im 15. Jahrhundert auf die Innenseite der Kirchhofsmauer des Predigerklosters gemalt worden war. Die Darstellung bildete einen fortlaufenden Streifen mit 39 lebensgroßen Figurenpaaren. Der Tod begleitete die Vertreter der einzelnen Stände. Der Platz vor der Predigerkirche in Basel heißt noch heute ›Totentanz‹.
   Totentanz- und Todesdarstellungen vor allem des 16. Jahrhunderts haben in anderen Landschaften zu verwandten Redensarten geführt; bekannt sind vor allem: niederdeutsch ›He sütt ut as de Dod van Lübeck‹; ›Aussehen wie der Dresdner Totentanz‹; ›Aussehen wie der Tod von Warschau‹; ›Aussehen wie der Tod von Ypern‹ (niederländisch ›uitzien als de dood van Ieperen‹, im Anschluß an eine wohl zur Erinnerung an die Pest in der Hauptkirche von Ypern aufgestellte Todesfigur von realistisch-schauerlichem Aussehen). Auch literarisch verwendet, z.B. in Gottfr. Kellers ›Grünem Heinrich‹ (Teil III, Kapitel 9): »da ich am Wege eine große vorjährige Distel, die aussah, wie der Tod von Ypern, ins Büchlein zeichnete«. Vergleiche auch ›Wie das Leiden Christi aussehen‹.
   Die redensartlichen Vergleiche: Aussehen wie der Tod (wie eine Leiche) auf Urlaub oder wie der Tod auf Latschen entstanden erst in neuerer Zeit und entstammen einer ganz anderen Sprachebene, die Ernstes witzig verfremdet und damit lächerlich macht.
   Der ›Tod‹ wird gerne in Metaphern für Dinge benutzt, deren Ende gekommen ist: so z.B. in der Redensart ›Kredit ist tot‹, Kredit. Auch der Sarg oder die Beerdigung stehen als Bilder für eine zum Schluß gekommene, untergegangene Sache oder Idee.
   Bleibt ein künstlerisches (literarisches) Werk ein Fragment, weil der Künstler starb, so sagt man: Der Tod nahm ihm (ihr) hier die Feder aus der Hand.
   Tod ist schließlich Verstärkung in superlativischen Ausdrücken, wie ›Todmüde‹, ›Todschick‹ (sehr elegant), ›Todsicher‹ (ganz bestimmt, eigentlich: so sicher wie der Tod); vgl. amerikanisch ›It is cock-sure‹: etwas ist todsicher; ›Todunglücklich‹; ›Zu Tode betrübt‹ (eigentlich: »zum Tode betrübt«) ist ein Zitat aus Klärchens Lied in Goethes ›Egmont‹ (III, 2).
Goethe entlehnte die sprichwörtliche Wendung Mt 26, 38: »Meine Seele ist betrübt bis an den Tod«.
   ›Mit allem Dod und Deiwel‹, mit allem, was dazugehört, mit allen Schikanen, niederdeutsche Redensart. Die Zwillingsformel ›Daut und Düwel!‹ wird in Norddeutschland häufig zur Bekräftigung gebraucht. Das Sprichwort ›Den eenen sien Daut is den ännern sien Braut (Brot)‹ ist auch in hochdeutscher Form bekannt. Vergleiche ›Den eenen sien Uhl ist den ännern sien Nachtigall‹, Uhl.
   Vergleiche auch ›Das Zeitliche segnen‹ ( zeitlich).
   Die an einer Leipziger Uhr angebrachte mahnende lateinische Devise ›Mors certa, hora incerta‹ (Der Tod ist sicher, die Stunde ungewiß) wird gern übersetzt mit ›Todsicher geht die Uhr falsch‹.
• Der Todten-Tanz, wie derselbe in der weitberühmten Stadt Basel, als ein Spiegel menschlicher Beschaffenheit, ganz künstlich mit lebendigen Farben gemahlet, nicht ohne nützliche Verwunderung zu sehen ist. (Basel 1843); H.F. MASSMANN: Die Basler Totentänze in getreuen Abbildungen nebst geschichtlicher Untersuchung (Stuttgart 1847); ANONYM: De dood van Yperen, in: ›T Daghet in den Oosten 4 (1888), S. 160; ANONYM: De dood van Ieperen, in: Ons Volksleven 1 (1889), S. 82; W. UNSELD: Der Tod in schwäbischen Sprichwörtern und Redens-
arten, in: Alemannia 22 (1894), S. 87-89; BACHER: Der Tod von Basel, in: Zeitschrift für Volkskunde 10 (1900), S. 326f.; E. BENSLEY: Cock-sure, in: ebd., S. 339; Der Tod in Rätsel und Sprichwort des deutschen Volkes, in: Unsere Heimat (Köslin 1933), Nr. 16; H.G. WACKERNAGEL in: Schweizerisches Archiv für Volkskunde 35 (1936), S. 199; P. GEIGER: ›Tod‹ ›Tod ansagen‹, ›Todesvorzeichen‹, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens VIII, Spalte 970-1010; A.P. HUDSON: To shake hands with death, in: Modern Language Notes 53 (1938), S. 510-513; A. GATTLEN: Die Totensagen des alemannischen Wallis (Diss. Fribourg 1947); H. ROSENFELD: Der mittelalterliche Totentanz (Münster – Köln 1954), S. 103ff.; D. NARR: Zum Euphemismus in der Volkssprache. Redensarten und Wendungen um ›tot‹, ›Tod‹ und ›sterben‹, in: Württembergisches Jahrbuch für Volkskunde (1956), S. 112-119; A. GÜHRING: Der Tod in der Volkssage der deutsch-sprachigen Gebiete (Diss. Tübingen 1957); Kunstdenkmäler der Schweiz, Kt. Basel Bd. IV (Basel 1961), S. 95ff.; ANONYM: Der Tod nahm ihm die Feder aus der Hand, in: Sprachpflege 13 (1964), S. 109; S. COHEN: Kiss of death, in: American Notes and Queries 4 (1965/66), S. 151-152; W. BLOCK: Der Arzt und der Tod in Bildern aus sechs Jahrhunderten (Stuttgart 1966); P.-H. BOERLIN: Der Basler Prediger-Totentanz, Geschichte und erste Restaurierungsergebnisse, Sonderdruck aus: ›Unsere Kunstdenkmäler‹ (Mitteilungsblatt der Gesellschaft für schweizerische Kunstgeschichte) 17 (1966), Nr. 4, S. 128-140 (Basel 1967); L. RÖHRICH: Das Verzeichnis der deutschen Totensagen, in: Fabula 9 (1967), S. 270-284; J. SCHUCHARD U. A. (Hrsg.): Freund Hein und der Bücherfreund (Ausstellungskatalog) (Kassel 1982); M. VOVELLE: La Mort et l'Occident. De 1300a nos jours (Paris 1983); H.-K BOEHLKE (Hrsg.): Vom Kirchhof zum Friedhof: Wandlungsprozesse zwischen 1750 und 1850 (= Kasseler Studien zur Sepulkralkultur, Bd. 2) (Kassel 1984); G. CONDRAU: Der Mensch und sein Tod (Zürich 1984); L. RÖHRICH: Tanz und Tod in der Volksliteratur, in: F. Link (Hrsg.): Tanz und Tod in Kunst und Literatur (= Schriften zur Literaturwiss. 8) (Berlin 1992).
Der Tod hat angepocht. Zimmerischer Totentanz, Handschrift Donaueschingen, Fürstlich Fürstenbergische Hofbibliothek.
Mit dem Tod ringen‹ (Exlibris Dr. med. Pietzker: Allegorie der Medizin ringt siegreich mit dem Tode). Radierung von Heinrich Seufferheld (1866-1940): Die Medizin ringt mit dem Tode, Exlibris Dr. med. A.W. Pietzcker. Aus: Werner Block: Der Arzt und der Tod in Bildern aus sechs Jahrhunderten, Stuttgart 1966, S. 72.
Aussehen wie der Tod von Basel. Klein-Baseler
   (Klingentaler) Totentanz, 1440.
Der Tod als Sensenmann. Emblemat, Kupferstich, aus: Otto van Veen: Emblemata Horatiana, Amsterdam 1684.

Das Wörterbuch der Idiome. 2013.

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