Übel

Übel
Das kleinere Übel wählen. Im ›Protagoras‹ des Plato sagt Sokrates: »Dyoin kakoin ... oydeis to meizon ai phsetai exon to elatton« (= Von zwei Übeln wird niemand das größere wählen, wenn er das kleinere wählen kann); vgl. auch Aristoteles' ›Nikom. Ethik‹ (V, 3, 16). ›Minima de malis‹ (= von mehreren Übeln das kleinste) war nach Cicero (›De officiis‹ III, 29, 105) im klassischen Altertum sprichwörtlich (Büchmann); vgl. englisch: ›Between two evils choose the least‹; französisch ›choisir le moindre mal‹.
   ›Was darüber ist, das ist von Übel‹ zitiert man nach Mt 5, 37: »Eure Rede aber sei: Ja, ja, nein, nein. Was darüber ist, das ist von Übel«.
   Drei Übel, welche einem Mann das Leben schwermachen, sind: ›La pluye, fumée et femme sans saison (qui chassent souvent l'homme de sa maison)‹. Das hier in französischer Form zitierte Sprichwort geht – laut Taylor – auf die Sprüche Salomonis zurück. Dort heißt es: »Tecta perstillantia in die figoris et litigiosa mulier comparantur«. Luthers Kommentar: »Ein zänkisch Weib und stetiges Triefen, wenn's sehr regnet, werden wohl miteinander verglichen«. Das Sprichwort spielt in der Literatur des Mittelalters eine große Rolle. So findet man es bei W. Langland, G. Chaucer, in der germanischen Lehrdichtung, im Schottischen, Italienischen, Spanischen. Oft begegnet es in abgewandelter Form, und aus den drei Übeln sind zwei geworden. So im mittelalterlichen ›Salomon und Morolf‹ (vgl. v.d. Hagen, S. 48):
   eyn rynnende dach
   vnde eyn czornig wypp
   die kurczen dem guden
   man sin lypp (V. 377f.).
Bei Sebastian Brant heißt es im ›Narrenschiff‹:
   Ein rinnend dach zu winters frist,
   ist glich ein frow, die zänkisch ist.
Jemanden (etwas) als ein notwendiges Übel betrachten: jemanden (etwas) in Kauf nehmen müssen. Die Wendung ist sehr alt, sie wurde wiederholt von griechischen Schriftstellern gebraucht, zuerst von dem griechischen Komödiendichter Menandros (342-293 v. Chr.). Stobaios hat in seinem ›Florilegium‹ (69, 10) folgenden Vers Menanders überliefert: »To gamein, ean tis thn alhteian skoph, kakon men estin, all' anagkaion kakon« (= Heiraten ist, wenn man's bei Licht besieht, ein Übel, aber ein notwendiges Übel).
   Die lateinische Übersetzung des Ausdrucks ›malum necessarium‹ findet sich zuerst bei Lampridius, einem spätrömischen Historiker (4. Jahrhundert n. Chr.), in der Lebensbeschreibung des Kaisers ›Alexander Severus‹ (Büchmann).
   Daß mir's nicht übel (schlecht) wird! sagt man im Ernst oder Scherz, wenn man durch Reden oder Klagen unangenehm berührt wird.
   Einem übel mitspielen: ihm heimtückisch Schaden zufügen. Jemandem etwas übel vermerken (übelnehmen): ihm wegen einer Sache oder Äußerung böse sein.
• F.C. BIRKBECK: Between two evils choose the least, in: American Notes and Queries 10 (1896), S. 174; A. TAYLOR: Sunt tria damna domus, in: Hessische Blätter für Volkskunde 24 (1926), S. 130-146; W. MIEDER (Hrsg.): Selected Writings on Proverbs by Archer Taylor (= Folklore Fellows Communication 216) (Helsinki 1975), S. 133-151.}
Das kleinere Übel wählen. Illustration von Charles H. Bennett zu seinen ›Proverbs‹, London 1859.

Das Wörterbuch der Idiome. 2013.

Игры ⚽ Нужен реферат?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Übel — Übel …   Deutsch Wörterbuch

  • Übel — Übel, er, ste, adj. et adv. überhaupt dem Willen eines vernünftigen Geistes zuwider und darin gegründet, da es denn bald dem wohl, bald auch dem gut entgegen stehet. In engerer Bedeutung. 1) Man sagt, es ist mir übel, wenn man eine unangenehme… …   Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart

  • übel — • übel – üble Nachrede; übler Ruf – die Verhältnisse sind hier am übelsten – ich habe nicht übel Lust, das zu tun (ich möchte es tun) – wir wurden übelst beschimpft – beinahe hätte ich mich übelst blamiert Großschreibung {{link}}K 72{{/link}}: –… …   Die deutsche Rechtschreibung

  • übel — »schlecht, böse, schlimm; arg, furchtbar; unangenehm; unwohl«: Die Herkunft des altgerm. Adjektivs mhd. übel, ubel, ahd. ubil, got. ubils, niederl. euvel, engl. evil ist nicht sicher geklärt. Vermutlich gehört es mit den unter ↑ über, 1↑ ob und ↑ …   Das Herkunftswörterbuch

  • Übel — »schlecht, böse, schlimm; arg, furchtbar; unangenehm; unwohl«: Die Herkunft des altgerm. Adjektivs mhd. übel, ubel, ahd. ubil, got. ubils, niederl. euvel, engl. evil ist nicht sicher geklärt. Vermutlich gehört es mit den unter ↑ über, 1↑ ob und ↑ …   Das Herkunftswörterbuch

  • übel — Adj std. (8. Jh.), mhd. übel, ahd. ubil, as. u␢il Stammwort. Aus g. * ubila Adj. übel , auch in gt. ubils, ae. yfel, afr. evel. Außergermanisch vergleicht sich air. fel schlecht (was auf g. * ubela , ig. * upelo weist). Weitere Herkunft unklar;… …   Etymologisches Wörterbuch der deutschen sprache

  • Übel — ist der Familienname folgender Personen: Rolf Übel (* 1956), deutscher Schriftsteller für historische Themen Siehe auch: Das Übel, Mangel am ontologisch Guten Uebel Übelkeit …   Deutsch Wikipedia

  • Übel — Übel, das; s, ; das ist von, gehoben vom Übel …   Die deutsche Rechtschreibung

  • übel — [Basiswortschatz (Rating 1 1500)] Auch: • krank Bsp.: • Ein Kranker sollte im Bett bleiben. • Ich kann nichts essen. Mir ist so übel. • Ich fühle mich krank …   Deutsch Wörterbuch

  • übel — Adj. (Grundstufe) unangenehme Wirkung auf Sinnesorgane habend, schlecht Synonym: scheußlich Beispiele: Das Wasser hatte einen üblen Geruch. Das Fleisch schmeckt übel …   Extremes Deutsch

  • Übel — (Malum), Alles das, was entweder unmittelbar der Empfindung unangenehm u. schmerzlich ist, od. mittelbar den Begehrungen, Zwecken u. Thätigkeiten des Menschen hemmend u. verderblich entgegentritt, als ein Hinderniß seines Glückes u. Wohlbefindens …   Pierer's Universal-Lexikon

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”