wie

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Ursprünglich war ›wie‹ mit ›so‹ verbunden (althochdeutsch ›so wio‹) und ist seit der Verselbständigung in mittelhochdeutscher Zeit die Vergleichspartikel im verkürzten und stehenden redensartlichen Vergleich – bei Gleichheit und Ungleichheit-, welche allmählich das ältere ›als‹ ersetzte. Bei Luther werden beide noch gleicherweise verwendet: »seyn angesicht gluehete wie die Sonne vnnd seyne kleyder worden weysß als ein liecht« (Weimarer Ausgabe 6, 78).
   Vergleichendes ›als‹ behauptet sich noch länger in Verbindung mit Adjektiven (Adverbien) und vorausgebendem korrelativem ›so‹ (seit dem 16. Jahrhundert), etwa bei Grimmelshausen: (ich) »schweig so still als ein mauß« (›Simplicissimus‹, 1669). Als Mischform im verkürzten Vergleich steht ›wie‹ in der Verbindung mit ›als‹: »als wie ein lamb« (Paul Gerhart).
   ›Wie‹ kann eine persönliche oder sachliche substantivische Größe nach Art und Beschaffenheit vieler bestimmen: »reichthumb wie der sand am meer« (Hans Sachs, Keller-Goetze 1, 112), oder z.B. an ein Adjektiv oder Adverb eine Vergleichsgröße anknüpfen: (der Tod überfällt uns) »gantz ungestuem wie ein sturme wind« (Hans Sachs, 1530, Keller-Goetze l, 434). Die sprichwörtliche Fügung gebraucht gern ›wie‹ mit korrelativem ›so‹ (seit dem 15. Jahrhundert): ›Wie der Herr – so der Knecht‹. Diese wenigen Angaben zum Gebrauch des vergleichenden ›wie‹ nach dem Grimmschen Wörterbuch geben zugleich Anhaltspunkte für die zeitliche Einordnung mancher unserer redensartlichen Vergleiche und Wendungen und ihre sprachliche Form.
   Im sprichwörtlichen Vergleich – den wir ja auch in anderen Sprachen seit alter Zeit finden – bemüht sich der Sprecher um die anschauliche und bedeutungsverdichtende und im Gegensatz zu Gleichnis und Parabel möglichst knapp gefaßte Darstellung von Zuständen, Eigenschaften (›Hell wie die Sonne‹), Vorgängen und Handlungen (›Er brüllt wie ein Löwe‹). Dabei steht der sprichwörtliche Vergleich in seiner verkürzten, formelhaften Prägung in einem festen Sinnzusammenhang und besteht nicht für sich wie das Sprichwort, wird aber wie dieses, solange Sinn und Satzzusammenhang klar sind, oft über Jahrhunderte hinweg unverändert überliefert. Solche sprichwörtlichen Vergleiche gehen nicht nur auf volkssprachliche Prägungen und allgemeine Beobachtungen zurück, sondern haben oft ihre Quelle in literarischen Vergleichen aus der Bibel, den Klassikern, der volkstümlichen Literatur, aus Naturgeschichte und Technik. Umgekehrt sind aber auch sprichwörtliche Redensarten und Vergleiche aus der Umgangssprache in die Literatur eingegangen. Eine eindeutige Unterscheidung von populären redensartlichen Vergleichen von solchen einer literarisch gebildeten Schicht scheint auch der Forschung äußerst fragwürdig (Taylor). Die meisten sind aber – bei aller möglichen Stilisierung – in ihrer Treffsicherheit und Bildlichkeit, ihrem Humor und ihrer Ironie feste Bestandteile unserer alltäglichen Umgangssprache, und zwar so sehr, daß sich über ihre Herkunft und ihr Alter meist nichts Genaues mehr sagen läßt; man weiß höchstens, daß ein Vergleich wie ›Bitter wie Galle‹ bei den verschiedensten Völkern seit der Antike zu belegen ist.
   Neben freien Fügungen (›So gelb wie Schwefel‹ und ›Wie ein Elefant im Porzellanladen‹) stehen solche, die fest mit einem Substantiv oder Verb verbunden sind: ›Augen wie Mühlräder‹ (sprichwörtliche Übertreibung); (Er kann) ›Schwimmen wie ein Fisch‹ oder, witzig das Gegenteil behauptend, ›Wie eine bleierne Ente‹.
   Adverbielle und adjektivische Vergleiche sind: ›Frech wie Oskar‹ oder ›Er ist so dumm wie (er) lang (ist)‹.
   Besonders die ironischen redensartlichen Vergleiche in ihrer prägnanten Kürze (d.h. Vergleiche vom Typ ›Arm wie eine Kirchenmaus‹, ›frech wie Oskar‹) eignen sich vornehmlich zu einem komischen Kontrast. Durch eine Art Verfremdungseffekt wird hierbei die komische Wirkung bewerkstelligt, insofern die gewohnte Redensart in eine fremde, schockierend neue Umgebung verpflanzt wird, denn der Vergleich paßt nicht, und der Witz liegt dann in dem Unsinn: ›Klar wie Wurstsuppe (Kloßbrühe, dicke Tinte, Torf)‹; ›Schlank wie eine Tonne‹; ›Gespannt wie ein alter Regenschirm‹; ›Ausreißen wie Schafleder‹ (wobei ›ausreißen‹ doppelsinnig in den beiden Bedeutungen ›zerreißen‹ und ›flüchten‹ gebraucht wird); ›Einfälle haben wie ein altes Haus‹; ›Gerührt wie Apfelmus‹; ›Frech wie Rotz am Ärmel‹; ›Passen wie die Faust aufs Auge‹ (›wie der Igel als Arschwisch‹); ›Verschwiegen wie eine Plakatsäule‹; ›Er hat's im Griff wie der Bettelmann die Laus‹; ›Er sieht aus wie eine Hundehütte – in jeder Ecke ein Knochen‹; ›Er ist zu dumm, um einen Eimer Wasser anzuzünden‹.
   Der ironische redensartliche Vergleich wird oft bewußt gebraucht, der witzige Kurzschluß zwischen zwei heterogenen Dingen, der Vergleich zwischen Unvergleichbarem oder Gegensätzlichem absichtlich hergestellt. Die Urheber solch geistreicher oder ironischer Vergleiche sind meist nicht feststellbar; vieles Zeitbedingte (etwa der Wortwitz im Vergleich) verschwindet wieder als nicht mehr verständlich, anderes wird Bestandteil der Umgangssprache und oft erweitert oder umgeformt:
   ›Dumm wie die Sünde‹ –
›Häßlich wie die Sünde‹
›Rund wie ein Apfel‹ –
›Rund wie ein Fußball‹.
Doch sind die Bedeutungsträger in solchen Vergleichen nicht beliebig austauschbar: ›Rund wie die Sünde‹ wäre Unsinn.
   Während ›Galle‹ und ›bitter‹ in vielen Sprachen zusammengehören, können die Vorstellungen bei anderen Vergleichen in den verschiedenen Sprachen und Sprachlandschaften durchaus auseinandergehen, obwohl von demselben ›Vergleichsträger‹ ausgegangen wird: Im Englischen heißt es etwa: ›crazy like a fox‹, während bei uns der Fuchs schlau ist.
   Redensartliche Vergleiche mit ›wie‹ können schließlich auch Elemente der Wortkomposition sein, wie sie stilistisch vor allem der Lyriker (im Volkslied) und die Volkssprache gern bildhaft verwendet. Sie führen, den Vergleich sozusagen nochmals formal verkürzend, zu jenen Adjektivkomposita (mit einem Substantiv oder Adjektiv als Determinativ oder einem selbständigen Adjektiv als zweitem Kompositionsglied) wie in: apfelrund, grasgrün, himmelblau, lilienweiß, messerscharf, rosenrot.
   Die Literatur über solche redensartliche Vergleiche ist bislang spärlich. Besonders für den deutschen Sprachbereich fehlt eine entsprechende Untersuchung zu den redensartlichen Vergleichen, obwohl gerade hier die Beispiele besonders zahlreich sind, so daß sie auch in diesem Lexikon nicht vollständig erfaßt werden konnten. In alphabetischer Reihenfolge sei noch auf die Stichworte verwiesen, unter denen einzelne sprachliche Vergleiche gesammelt worden sind und behandelt werden: aussehen – dasitzen – dumm falsch – Faßbinder – faul – frech – fressen – (sich) freuen – Galgen – Gans – gehen – Geiß – gern – Gesicht – gleich – Heftelmacher – Hering – Hunger – Kaktus – kaputt – Kater – Kirchenmaus – Kesselflicker – klar – Klee – krümmen – Kuh – Luchs – lügen – Maulwurf – Pfau – Pudel – pünktlich – Quark – rar – rauchen – reden – Regenschirm – Reiher – reimen – Rock – Röhrwasser – Rom – Rose – rot – Rotz – Sack – Salbe – Salomo – Sand – Sau – sauer – saufen – Schaf – scharf – schaukeln – Schaum Scheunendrescher – schielen – Schießhund – schimpfen – schlafen – Schlag Schlange Schlaraffenland – schlecht – Schlitten – Schnabel schnappen – schnarchen – stolz – Tag – Tarantel – Taubenschlag – Tempelherr – Teufel – Tod – Topf – Traum – treu – trinken – trocken – umkehren – Veilchen – verlassen – versessen – verstehen – Vogel – voll – Wachtmeister – wahr – Waschweib – Wasser – Weihnachten – Werwolf – Wiesel – Wilde – Wind – Windsbraut – Wolf – Wolke – Wort – Wurm – Zachäus – Zahnbrecher – Ziege – Zieten – Zinshahn – zittern – zureden – Zustände.
• Deutsches Wörterbuch, Bd. 14, I, 2 Spalte 1448ff.; O. WEISE: Die volkstümlichen Vergleiche in den deutschen Mundarten, in: Zeitschrift für Mundartforschung 1921; H. SCHLAPPINGER: Er schafft wie e Brunnebutzer, in: Pfälzisches Museum 41 (1924), S. 70-71; M. VIGNON: Parler français comme une vache Espagnol, in: American Notes and Queries 157 (1929), S. 159; W. WIDMER: Volkstümliche Vergleiche im Französischen nach dem Typus ›Rouge comme un Coq‹ (Diss. Basel 1929); J. MORAWSKI: Ce qui vient de la flûte s'en retourne au tambour (wie gewonnen, so zerronnen), in: Revue du seizième siècle 17 (1930), S. 143-145; H.W. KLEIN: Die volkstümlichen sprichwörtlichen Vergleiche in lateinischen und romanischen Sprachen (Diss. Tübingen) (Würzburg 1936); W.S. J.: Dead as door nail (mausetot), in: American Notes and Queries 171 (1936), S. 370; W. FISCHER: ›And how!‹ – ›Und wie‹, in: Anglia – Beiblatt 49 (1936), S. 28; A. TAYLOR: Proverbial Comparisons and Similes from California (Berkeley – Los Angeles 1954); S.L. ARONDA: Proverbial Comparisons in Ricardo Palma's ›Tradiciones peruanas‹, in: Folklore Studies 16 (Berkeley – Los Angeles 1966); L. RÖHRICH: Gebärde – Metapher – Parodie, S. 197f.; A. TAYLOR: Innocent as a bird, in: American Notes and Queries 10 (1971), S. 40; H. SCHICK: Synchron – Diachro-
ne Untersuchungen zu volkstümlichen Vergleichen des Deutschen, Französischen und Spanischen (Magisterarbeit Freiburg 1978).

Das Wörterbuch der Idiome. 2013.

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