- Blut
- erscheint in den sprichwörtlichen Redensarten meist im übertragenen Sinne; es gilt als der Sitz des Temperamentes: Das liegt mir im Blut: das ist mir angeboren und meiner innersten Natur gemäß, ich tue es unwillkürlich; vgl. französisch ›J'ai cela dans le sang‹; Heißes Blut haben: temperamentvoll sein; vgl. französisch ›avoir le sang chaud‹; Mit ruhigem Blut etwas tun; Ruhig Blut bewahren: sich nicht aufregen, gelassen bleiben; Kaltes Blut behalten, oft scherzhaft in der Form »Immer kalt Blut und warm angezogen« (so bei C. Zuckmayer, ›Schinderhannes‹ 2. Akt); vgl. französisch ›faire quelque chose de sang froid‹ (mit kaltem Blut).Das macht böses Blut: das erregt Erbitterung und Feindschaft, niederländisch ›Het zet kwaat bloed‹, französisch ›Cela fait du mauvais sang‹, in diesem Sinne nur noch örtlich gebräuchlich; umgangssprachlich dafür: ›se faire du mauvais sang‹ (sich böses Blut machen), im Sinne von: sich Sorgen machen; englisch ›to breed ill blood‹; schon bei Luther: »das vergeblich lange gaffen würde ungedult und böses blut machen« (Jenaer Ausgabe Band 5, S. 124a). Auch die gegenteilige Redensart Gutes Blut machen ist belegt; Jeremias Gotthelf z.B. erzählt: »Um meinem neuen Meister gutes Blut zu machen, zahlte die Mutter ihm noch eine halbe Wein«.Mach mir das Blut nicht heiß!: erzürne mich nicht! Vgl. französisch ›Ne m'échauffe pas les sangs!‹Das Blut kocht in den Adern bei großer Wut. Er hat Blut geleckt (schwäbisch ›geschmeckt‹) sagt man von einem, der einen Genuß gehabt hat und nicht mehr darauf verzichten will. Die Redensart stützt sich auf Realbeobachtungen bei Raubtieren. Ähnlich: Blut riechen: auf den Geschmack kommen, sowie Nach Blut dürsten: rachedurstig sein, vgl. französisch ›être assoiffé de sang‹. Viele übertreibende Redensarten mit Blut sind bekannt: Blut schwitzen: vor Angst schwitzen (bereits mittelhochdeutsch, vgl. Gesamtabenteuer 1, 12, 279), Blut und Wasser schwitzen: sich sehr anstrengen; vgl. französisch ›suer sang et eau‹; Blut weinen, Blutige Tränen weinen, schon im ›Nibelungenlied‹ (Strophe 1069): »ir liehten ougen vor leide weinten dô bluot«, beim Stricker: »Er switzet unde weinet bluot«, bei Erasmus von Rotterdam (1465-1536) »sanguine flere«; vgl. französisch ›pleurer des larmes de sang‹ (Bluttränen).Einem das Blut (unter den Nägeln) aussaugen: ihn peinigen, daher auch ›Blutsauger‹, ›Blutegel‹, vgl. Dahinterher sein wie der Egel hinter dem Blut. Ähnlich: Jemanden bis aufs Blut quälen (reizen, kränken), eine Wendung, die heute im übertragenen (nicht weniger grausamen) Sinne gemeint ist, zur Zeit des Hexenwahns aber ›Blutiger Ernst‹ war. Nach damaligem Glauben verlor die Hexe ihre Macht, wenn man ihr Blut entzog. Wenn man also in Schweden und andernorts den Verdacht hatte, eine Person habe den bösen Blick und könne hexen, war man der Meinung, man brauche sie nur ›bis aufs Blut‹ zu schlagen und jede Gefahr sei vorüber (⇨ Blick).Treu bis aufs Blut: treu bis zum letzten. Die Wendung ›Bis aufs Blut‹ ist biblischen Ursprungs: »Denn ihr habt noch nicht bis aufs Blut widerstanden in dem Kämpfen wider die Sünde« (Hebr 12, 4); vgl. französisch ›fidèle jusqu'à la dernière goutte de sang‹ (wörtlich: bis zum letzten Blutstropfen).Wieder zu Blut kommen: wieder auf die Beine kommen, wirtschaftlich hochkommen. Aussehen wie Milch und Blut ⇨ Milch. Blut erscheint auch sonst oft in redensartlich (oft auch durch den Reim verbundenen) Zwillingsformeln wie ›Fleisch und Blut‹ (biblisch), ›Gut und Blut‹, ›Leib und Blut‹ (Goethe, Schiller).Blaues Blut haben ⇨ blau.Blut lassen müssen, Kürzer bluten müssen: einen Verlust erleiden müssen, für etwas büßen. Die Redensart kommt wohl von früheren Strafen für schwerwiegende Verbrechen, indem man den Delinquenten eine Ader öffnete und sie bluten ließ; vgl. französisch ›saigner quelqu'un‹; niederländisch ›moeten bloeden voor iets‹; englisch ›to make a person bleed for‹. Studentisch heißt ›bluten‹ beim Trinken Bier verschütten; vgl. O. Ernst ›Frohes Farbenspiel‹ 1901 (S. 158): »Bluten (ist) nach dem Comment strafbar«. seit dem 18. Jahrhundert wird die Redensart Bluten müssen bis heute auch besonders im Sinne von ›zahlen müssen‹ gebraucht. Der seit dem 16. Jahrhundert bekannte redensartliche Vergleich Bluten wie ein Schwein bezieht sich auf den Blutreichtum der Schweine; vgl. französisch ›saigner comme un bœuf‹ (wie ein Ochse bluten). In Zusammensetzungen wird ›blut-‹ auch als Verstärkung angewendet: z.B. ›Blutarm‹, ›Blutjung‹, ›Blutwenig‹. Vielleicht geht ›blut-‹ auf das niederdeutsche ›blot‹, ›blutt‹ zurück, das dem hochdeutschen »bloß« entspricht und die Bedeutung von ganz, völlig, sehr annahm. Die älteste dieser Bildungen ist ›blutarm‹ (sehr arm) aus dem 16. Jahrhundert, dann entstanden analog: ›Blutsauer‹, ›Blutnötig‹. Ein ›Blutjunges Ding‹ meint ein ganz junges Mädchen. ›Blutarm‹ bedeutet zunächst aber wörtlich: arm an Blut, an roten Blutkörperchen, anämisch. Aber die Zusammensetzung kann auch mit ›blut-‹ erfolgt sein, das gleichbedeutend für Leben, Dasein steht. ›Blutjung‹ wäre dann jung an Jahren, so wie Hans Sachs die Wendung ›das junge Blut‹ braucht (›Der fromme Adel‹ 27).Auch das Adjektiv ›blutig‹ dient der Steigerung, z.B. in ›Blutiger Anfänger‹, ›Blutiger Ernst‹, wobei es ebenfalls den Sinn von ›völlig‹ besitzt.Etwas ist mir in Fleisch und Blut übergegangen ⇨ Fleisch.Die Redensart Einem wird das Blut sauer: seine Geduld ist erschöpft, beruht auf dem Vergleich mit der Milch, die gerinnt. Als Ausruf der Bestürzung Mir wird das Blut sauer! steht die Redensart in der Nähe der Wendung {\i Mir stockt (gerinnt, gefriert) das Blut.Einem unreines Blut und Brot reden}: eine so schwere Beschuldigung gegen jemand aussprechen, die der Sünde, unreines Blut und Brot zum Altar gebracht zu haben, entspricht.Die Redensarten Blut klebt an den Händen oder Die Hände sind mit Blut befleckt braucht man zur Bezeichnung und Beschuldigung eines Mörders; vgl. französisch ›Ses mains sont tachées de sang‹.Neuere Wendungen sind: Das ist meine Blutgruppe: mein Geschmack, 1930 mit der Blutgruppenbestimmung aufgekommen, und Sie bilden zusammen eine Blutwurst: sie sind unzertrennlich, gleicher Meinung, passen sehr gut zusammen.Nach 1945 wurde scherzhaft von einem Bezechten gesagt, daß er Noch zwanzig Prozent Blut im Alkohol habe. Der Sprachwitz beruht auf der Vertauschung der Begriffe Blut und Alkohol und auf der absichtlich Verwechslung von Promille und Prozent.Viel von sich reden machte in neuerer Zeit die Wendung ›Blut, Schweiß und Tränen‹, die durch Winston Churchill (1874-1965) Berühmtheit erlangte. Drei Tage nach dem deutschen Einmarsch in Belgien und den Niederlanden sagte er in seiner Rede vom 13. Mai 1940 vor dem britischen Unterhaus den unvergessenen Satz: »I have nothing to offer but blood, toil, tears and sweat«.Es handelt sich dabei um eine Verbindung der schon bei Cicero (106 v. Chr. – 43 v. Chr.) und Livius (59 v. Chr. – 17 n. Chr.) häufig vorkommenden Zwillingsformel ›Blut und Schweiß‹ mit den von Seneca (55 v. Chr. – 40 n. Chr.) des öfteren genannten ›lacrimae‹ = Tränen. Churchill fügte noch einen weiteren Begriff hinzu, den der Arbeit. Doch ist die Wendung hauptsächlich in der Verbindung ›Blut, Schweiß und Tränen‹ erhalten.Auf einem sehr alten Ritus fußt die Wendung Blutsbrüderschaft schließen, d.h. eine durch feierliche Vermischung von Blutstropfen der Partner besiegelte Männerfreundschaft. Der Begriff begegnet schon im Nibelungenlied, später auch in Sagen und Märchen (Brüdermärchen usw.).• L. STRACK: Das Blut im Glauben und Aberglauben der Menschheit (München 7. Auflage 1900); E. STEMPLINGER: Artikel ›Blut‹, in: Handwör-terbuch des deutschen Aberglaubens I, Spalte 1434-1442; M. BETH: Artikel ›Blutsbrüderschaft‹, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens I, Spalte 1447-1449; E. BARGHEER: Eingeweide. Lebens- und Seelenkräfte des Leibesinnern im deutschen Glauben und Brauch (Berlin – Leipzig 1931); R.H. CRUM: »Blood, Sweat & Tears.« In: The Classical Journal, 42 (1946/47), S. 299-300; M. LURKER: ›Blut‹, in: Wörterbuch biblischer Bilder und Symbole (München 1973), S. 56-59; K. RANKE: Artikel ›Blut‹, in: Enzyklopädie des Märchens II, Spalte 506-522; M. BELGRADER: Artikel ›Blutsbrüderschaft‹, in: Enzyklopädie des Märchens II, Spalte 523-528; Strafjustiz in alter Zeit (Rothenburg 1980), S. 311.
Das Wörterbuch der Idiome. 2013.