- Brief
- Einem Brief und Siegel geben: ihm die größte Gewißheit geben. Die Redensart stammt aus der Rechtssprache, wo Brief (von lateinisch brevis libellus) ›kurzes Schreiben‹, ›Urkunde‹ (vgl. ›Breve‹ = Erlaß des Papstes) bedeutete, wie noch in den Ausdruck Adels-, Ablaß-, Meister-, Lehr-, Kauf-, Schuld-, Fracht-, Steckbrief, ›verbrieftes Recht‹. Ein Brief ohne Siegel war als Urkunde rechtsungültig; daher die Formel ›Brief und Siegel‹ als Ausdruck eines vollgültigen Rechtsanspruchs.Seit dem 13. Jahrhundert ist die Wendung als Rechtsausdruck oft belegt; in frühneuhochdeutscher Zeit erhält sie dann den übertragenen Sinn einer ›kräftigen Versicherung‹, so z.B. in Sebastian Brants ›Narrenschiff‹ (76,21):Vil hant des brieff vnd sygel guot,wie das sie sind von edelm bluot.Bei Luther: »Der Römischen Bann mit Siegel und Briefen zum kalten Bade führen«. Ausführlich erläutert die Redensart 1529 Johannes Agricola in seinen ›Sprichwörtern‹ (Nr. 369): »Wenn wir einen heymlich lugen straffen, sagen wir, wo er etwas saget, das wir nicht glauben, Ein briefflein were gut darbey, damit man solchs beweysen vnd warmachen mochte, Denn brieffe vnd sigil glaubt man gern, denn es sind viler leute zeugnis vnd kundschafft darynnen«. Schiller 1803 (›Der Parasit‹ II, 4): »So kann ich das zwar nicht, wie man sagt, mit Brief und Siegel belegen – aber Gott weiß es, die Wahrheit ist's, ich will darauf leben und sterben«.Keinen Brief von etwas haben: keine Gewißheit haben; Die ältesten Briefe zu etwas haben: die ältesten Ansprüche auf eine Sache haben.Den blauen Brief bekommen: die Kündigung im Betrieb bekommen. Schülersprachlich bedeutet ›der blaue Brief‹ eine Mitteilung der Schule an die Eltern über schlechte Leistungen des Kindes und über eine gefährdete Versetzung in die nächsthöhere Klasse.Einen offenen Brief schreiben (ausgeben): jemanden öffentlich angreifen, zur Rede stellen.König Christian VIII. von Dänemark gab am 8. Juli 1846 einen ›Offenen Brief‹ zur Begründung seiner Ansprüche auf die Elbherzogtümer heraus. Durch ›Offenen Brief‹ wurde ursprünglich zum Kriegsdienst aufgerufen, vgl. Goethe ›Reineke Fuchs‹ (Gesang 5, V. 106 f.): »Braun und Isegrim sandten sofort in manche Provinzen Offene Briefe, die Söldner zu locken«. Vgl. französisch ›Ecrire une lettre ouverte‹ im Sinne von jemanden in einem durch Presse und Druck verbreiteten Brief angreifen.Brief und Siegel. Heidelberger Sachsenspiegelhandschrift, 13. Jahrhundert.
Das Wörterbuch der Idiome. 2013.