Charivari

Charivari
Charivari machen (schlagen): einen ohrenbetäubenden Lärm vollführen, eine Katzenmusik verursachen und durch den oft damit verbundenen groben Unfug einen von der Gemeinschaft Verachteten dem allgemeinen Spott preisgeben; vgl. französisch ›faire du charivari‹.
   Maskierte und mit Lärminstrumenten ausgerüstete Burschen ziehen zum Charivari in der Dämmerung oder nachts vor ein bestimmtes Haus und beginnen dort auf das Zeichen ihres Anführers hin ein Höllenspektakel unter Schreien, Johlen und Pfeifen. Dieser Brauch ist besonders in West, und Süddeutschland, in Österreich und der Schweiz verbreitet, also in Gegenden, die an romanische Länder grenzen. Auch mundartliche Wendungen zeugen davon, z.B. heißt es im Rheinland und in Westfalen ›den Schalwaari schloon (klopen)‹ und ›den Scharebari schlagen‹.
   Charivari ist die Bezeichnung für einen altertümlichen und weitverbreiteten Akt der Volksjustiz, um die Acht, die Friedloslegung zu vollstrecken. Die Maskenumzüge verwenden beim Rügegericht noch ähnliche Formen in scherzhafter Weise, und auch manche Heischebräuche der Kinder, die mit Lärm und Unfug verbunden sind, beruhen demnach auf herkömmlichen Bräuchen und alten Rechtsformen.
   Zum Charivari (Chalivali) gehörte ursprünglich das Dachabdecken ( Dach) als erster Akt der Wüstung, wie Gervais Du Bus schon um 1324 im ›Roman de Fauvel‹ (ed. v. A. Langfors [Paris 1914]) schildert. Auch Fenster und Türen wurden dabei zerbrochen, um dem Missetäter den Frieden zu entziehen und sein Haus der allgemeinen Plünderung preiszugeben. Wie aus verschiedenen Stadtrechten in Süddeutschland hervorgeht, war damit oft auch das Löschen des Herdfeuers, das Einschlagen des Backofens und das Zuschütten des Brunnens verbunden. Für säumige Zins-, Renten- und Pachtzahler war dieser Brauch auch in England, Frankreich, Spanien, den Niederlanden, Sizilien und Rußland üblich und hat den Charakter der Ächterstrafe beibehalten. Ebenso gab es an vielen Orten die Pflugwüstung. Es wurden Fruchtbäume abgesägt, Hecken zerstört, das Vieh ausgetrieben und das Grasland oder ein Stück Straße oder Boden beim Haus umgepflügt, wobei der Geächtete oft selbst diesen Pflug ziehen mußte.
   Auch Jagdgerichte gehörten zum Charivari. Sie sind als Nachbildung der Hetzjagd auf den Geächteten zu verstehen. Der Verfemte wurde als Tier verkleidet und unter fürchterlichem Jagdlärm durch das Dorf mit Peitschen und Hunden gehetzt, vor seinem Haus symbolisch getötet oder in einen Teich oder den Fluß geworfen. Die dabei benutzten Lärminstrumente lassen sich zum Teil als alte Treibjagdgeräte wiedererkennen.
   Das Wort ›Charivari‹ selbst ist nicht selten als Hetz- oder Hohnruf bezeugt und wurde zu dem Lärm geschrien. Vielleicht geht es auf einen alten Jagdruf zurück. Anlässe zum Charivari waren: Totschlag und andere Verbrechen, Steuer- und Mietschulden und die Verweigerung einer Gabe an einen Heischenden. Die Volksjustiz richtete sich in späterer Zeit vor allem gegen die Vergehen und Verstöße gegen Sitte und Ordnung, die nicht vor das Gericht kamen. Dazu gehörten: ein das Ansehen der Gemeinschaft schädigendes Verhalten, Auflösung eines Verlöbnisses, Einheirat in ein anderes Dorf, sexuelle Vergehen, anstößige Hochzeiten wie die zwischen Alten und Jungen und Verwitweten, ehelicher Zank und Prügeleien und Ehebruch.
   Die nächtliche Musik und der Lärm vor einem Haus konnte aber auch eine besondere Ehrung bedeuten, die bei Hochzeitsfeiern üblich war, z.B. brachte in Baden die Burschenschaft den Neuvermählten eine Stunde nach dem Zubettgehen ›Scharewares‹. Außerdem machte das ›Charivari machen‹ den Teilnehmern so viel Spaß, daß es sich im Laufe der Zeit verselbständigte und immer mehr um seiner selbst willen veranstaltet wurde, Brunnen, Katze.
• A. PERKMANN: Art ›Katzenmusik‹, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens IV, Spalte 1125-1132; K. MEULI: Charivari, in: Festschrift für Franz Dornseiff (Leipzig 1953), S. 231 ff.; H. SIUTS: Bann und Acht und ihre Grundlagen im Totenglauben (Berlin 1959); G. LUTZ: Sitte, Recht und Brauch. Zur Eselshochzeit von Hütten in der Eifel, in: Zeitschrift für Volkskunde 56 (1960), S. 74 ff.; TH. BÜHLE: Wüstung und Fehde, in: Schweizerisches Archiv für Volkskunde 66 (1970), S. 1-27; K.-S. KRAMER: Artikel ›Charivari‹, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte I, Spalte 607; C. LEVI-STRAUSS: Mythologica I. Das Rohe und das Gekochte (Frankfurt/M. 1971), S. 369; J. LE GOFF et J.-C. SCHMITT (eds.): Le charivari (Paris 1981); R. JOHANNSMEIER: Spielmann, Schalk und Scharlatan (Reinbek 1984), S. 7, 26 ff.; A. SCHNEIDER: Charivari: Ost-westliche Beziehungen untersucht anhand brauchtumsmäßiger Ausdrücke und Sachverhalte, in: Musikethnologische Sammelbände VIII (Graz 1986), S. 121-161.
Charivari machen. Holzschnitt von F.W. Fairholt ›A Mediaeval Charivari‹ aus: Thomas Wright: A History of Caricature and Grotesque in Literature and Art, New York 1968 (Reprint der Ausgabe London 1865), S. 86, Nr. 52.

Das Wörterbuch der Idiome. 2013.

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  • Charivari — Cha*ri va*ri , n. [F.] A mock serenade of discordant noises, made with kettles, tin horns, etc., designed to annoy and insult; called also {shivaree}. Syn: shivaree, charivari, callithump, callathump. [1913 Webster] Note: It was at first… …   The Collaborative International Dictionary of English

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