Dummheit

Dummheit
Die deutsche Sprache besitzt einen großen Reichtum an Redensarten zur Bezeichnung der Dummheit eines Menschen (vgl. die Zusammenstellungen bei Wander I, S. 463 und 704 ff., Küpper I, S. 98f. und 373). Meistens handelt es sich hierbei um sprichwörtliche Vergleiche, in denen dumm durch einen Zusatz eine Steigerung erfährt: Er ist so dumm wie Bohnenstroh, Wie ein Regiment Soldaten; Dümmer als die Polizei erlaubt, polizeiwidrig dumm (schwäbisch); Er ist zu dumm, um einen Eimer Wasser auszugießen (anzuzünden); Zum Scheißen; Um ein Loch in den Schnee zu pinkeln; Er ist dümmer als ein Stück Vieh (als ein Ochse, ein Esel, eine Kuh, ein Kalb; ein Hinterviertel vom Schafe usw.); Er ist dümmer als dumm; Dümmer als vorm Jahr; Er ist so dumm, daß er blökt, daß er schreit, daß er stinkt, daß ihn die Gänse (Schweine) beißen usw. Er ist dumm wie ein Bund Stroh (vgl. Bohnenstroh); er ist so dumm, man kann ihm die Hose (die Kappe) mit der Beißzange anziehen (allgemein oberdeutsch verbreitet); Er ist so dumm wie lang; Er ist so dumm wie Bettelmanns Katze (weil sie bei ihm bleibt); vgl. französisch ›Il est bête comme ses pieds‹ (wörtlich: Er ist so dumm wie die eigenen Füße).
   Er ist dumm geboren, dumm geblieben, hat nichts dazugelernt (und auch das wieder vergessen): hoffnungslos dumm, oder: Dumm geboren, nichts dazugelernt und die Hälfte vergessen.
   ›Wenn du groß wärst, wie du dumm bist, könntest du bequem aus der Dachrinne deinen Morgenkaffee trinken‹, oder: ›den Mond küssen‹. ›Sie denken wohl, ich bin so dumm wie sie aussehen‹.
   Besonders mundartliche Wendungen werden oft gebraucht, z.B. sagt man in Ostpreußen: ›Er ist nicht so dumm, wie ihm die Mütz' steht‹; ›er ist so dumm wie ein Nagel an der Wand‹, und mundartlich: ›Wat böst du domm on frettst vêl!‹ Schleswig-holsteinische mundartliche Wendungen: ›He is man wat dumm kunfermert‹; ›he is to'n Starben to dumm‹ mit dem Zusatz: ›he mütt erst slacht warrn‹. Im Schwäbischen sagt man: ›Dear isch so domm: wenn dear in Doana neiguckt, dan verrecket älle Fisch‹; ›dear isch z'domm zom Bettla: dear stoht hinterschgefür voar d'Häuser na‹; ›dear isch dümmer wia d'Nacht und dia siggt nix‹; ›dear isch z'domm zom Dommsei‹; ›dear isch dümmer wia zwoi Domme vo(n) Döpshofa‹; ›dear isch dümmer wia d'Enta beim Tag: dia buckat se, wenn se beim Stadeltoar neigat‹; ›dear isch z'domm zom Bollahüata‹ (um die Samenkapseln des Flachses beim Trocknen zu bewachen); ›dear isch dümmer als unsers Herrgotts Gaul, und der ist ein Esel gewesen‹.
   Jemanden dumm machen: ihn übervorteilen, die Redensart stammt aus dem Rotwelsch. Ähnlich: Jemanden dumm und dämlich reden: ihn zur Zustimmung bewegen wollen, aber ihm keine Zeit zum Nachdenken lassen. Jemandem wird es dumm (im Kopfe): er wird betäubt, verwirrt. Goethe läßt Gretchen (›Urfaust‹ V. 377) sagen:
   Mir wird von alledem so dumm,
   als ging mir ein Mühlrad im Kopf herum.
Etwas wird einem zu dumm: es wird einem überdrüssig, lästig; wenn es zu arg wird, reißt einem die Geduld, man will sich nichts mehr gefallen lassen, oft als ablehnende Antwort gebraucht.
   Sich nicht dumm kommen lassen: es ablehnen, unverschämt behandelt zu werden. Jemandem dumm kommen: ihm frech und mit gespielter Dummheit entgegentreten.
   Jemanden für dumm verkaufen wollen: ihn für dumm halten, überlisten, betrügen wollen. Vgl. berlinisch ›Sie denken wol, sie könn' mir for dumm verkoofen?‹ Sie halten mich wohl für dumm; Sie glauben vielleicht, daß ich nichts merke. Ähnlich schwäbisch ›Wer den für dumm kauft, geit's Geld umsunst aus‹, er ist unrecht dran; hat sich getäuscht; hat den anderen unterschätzt.
   Sich dumm stellen: so tun, als ob man von nichts wüßte; vgl. französisch ›faire le bête‹, › ... l'âne‹
(wörtlich: den Dummen, den Esel spielen). Oft wird die Wendung als Aufforderung gebraucht: Stell dich nicht so dumm an: tu nur nicht so!
   Zu etwas noch zu dumm sein: zu jung, unerfahren und unwissend sein. Diese Redensart bewahrt den alten Sinn des mittelhochdeutschen ›tumb‹.
   Er ist nicht so dumm, wie er aussieht: er ist listig, verschlagen; vgl. französisch ›Il n'est pas si bête qu'il en a l'air‹.
   Das ist wirklich so dumm nicht: es ist ganz verständig, es ist ein brauchbarer Vorschlag. Das sieht gar nicht dumm aus: es sieht gut aus, es paßt, harmoniert zusammen; vgl. französisch ›Ce n'est pas bête du tout‹. Ähnlich Wendungen sind auch mundartlich verbreitet, z.B. holsteinisch ›Dat süt nig dumm ut‹ und ›Dat smekt nig dumm‹, es schmeckt gut.
   Der Dumme sein: der Betrogene sein, ähnlich wie die französische Wendungen ›être la dupe‹ und ›être le dindon de la farce‹ (wörtlich: der Truthahn sein, der mit Haschee gefüllt werden soll), im Sinne von ›Einfaltspinsel‹.
   Einen Dummen gefunden haben: einen Gutmütigen, Hilfsbereiten ausnützen.
   Sich einen Dümmeren suchen müssen: durchschaut und abgewiesen werden. Die mundartlichen Wendungen enthalten besonders treffende Vergleiche und witzige Zusätze, z.B. sagt man von Dummen im Schwäbischen: ›Dear isch beim Professor Muh z'Ochsahausa in d'Schual ganga‹; ›dear isch net schuld, daß d'Eisebah fahrt‹; ›dear isch net schuld, daß's Pulver schnöllt‹; ›dear hot's Pulver o net erfunda‹; ›dear isch weaga d'r G'scheide au koi Stiaga nag'falla‹; ›dear haut G'scheide au it mit de Löffel g'fressa‹; ›deam sei Witz isch mit'm Fengerhuat g'messa‹; ›dear isch d'r Ea(r)scht vo hinta rei‹. Man stellt auch fest: ›De Dumme sind noch lange net ausgestorbe, sonst wärest du nimmer da!‹ Im Schleswig-Holsteinischen: ›He is keen vun de gansen Dummen‹ oft mit dem Zusatz: ›awer vun dat Slag, wat denn kummt‹; und: ›De Dummen ward ni all, sünd man dünn seit, kaamt awer deck op‹.
   Zahlreich sind auch die redensartlichen Vergleiche für den Dummen, z.B.: ›Der Dumme stellt sich an wie der Esel zum Lautenschlagen‹ (schon lateinisch: asinus ad lyram), ›Wie der Ochse zum Tanzen‹, ›Wie die Sau zum Haarkräuseln‹, ›Wie ein altes Weib bei der Hasenjagd‹; ›Er steht da wie der Ochse am Berg‹, oder ›Vor dem neuen Scheunentor‹. ›Er macht ein Gesicht, wie die Katze, wenn's donnert‹; ›Wie eine Ente, wenn's wetterleuchtet‹.
   Von Dummsdorf sein: sehr dumm sein. Der Name eines erfundenen Ortes wird eingefügt, so auch Borneo (›borniert‹), Dummbach, Dummwitz, preußisch Domnau, niederdeutsch Dummebeck usw.
   Nicht von Dummsdorf sein: klug, listig sein, sich nicht übervorteilen lassen.
   Mit dem Dummbeutel geklopft sein: durch Schläge angeblich dumm geworden sein.
   Eine große Dummheit begehen: leichtsinnig und unüberlegt handeln; vgl. französisch ›faire une grosse bêtise‹: einen verhängnisvollen Irrtum begehen.
   Den Kopf nur voller Dummheiten haben: immer zu Streichen aufgelegt sein; vgl. französisch ›ne penser qu'à faire des bêtises‹ (wörtlich: nur an üble Streiche denken).
   Er hat die Dummheit mit Löffeln gegessen (gefressen); Er ist mit Dummheit geschlagen, wohl der biblischen Redewendung ›mit Blindheit geschlagen‹ nachgebildet; Als die Dummheit ausgeteilt wurde, ist er zweimal gegangen (hat er zweimal ›hier‹ gerufen); Wenn Dummheit weh täte, würde er den ganzen Tag schreien (berlinisch ›hörte man dich von Berlin bis Potsdam schreien‹). Obersächsisch ›Dummheit backen‹, dumme Streiche machen.
   Mundartliche Übertreibungen sind besonders beliebt. Im Schwäbischen z.B. braucht man die folgenden Wendungen: ›Wenn dear vo(n) sein'r Dommheit stuira müaßt, no käm'r's ganz Johr aus's Rentamt (Finanzamt) nemme raus‹; ›wenn deam sei Dommheit am Hemmel ständ, nau tät ma zom Weat'r läuta‹; ›wenn d' Dommheit weah tät, no tät dear da ganze Tag gradnaus schreia‹; ›wenn d' Dommheit weah tät, nau tät ma dean von Ulam bis Augschburg schreia heara‹. ›Dear könnt mit sei'r Domme's Augschburger Dom neirompla‹; ›dear isch zwoimol g'spronga, wia o(n)ser Herrgett Domme austoilt hot‹; ›dear hot zwoimol »hier!« g'schriea, wia o(n)ser Herrgett Dommheit vertoilt hot‹; ›deam isch Dommheit ans Hira g'schrieba‹; ›deam guckt Dommheit bei de Oahra (bei alle Knopflöcher) raus‹.
   Die berlinischen Redensarten für Dummheit sind besonders zahlreich: ›Bist wol anjeblufft‹, ›blau anjeloofen‹, ›betrampelt?‹, ›Du bist wol?‹, ›Sie sind wol nich janz jesund?‹, ›Mensch, du siehst aus wie bestellt un nich abjeholt‹. ›Du hast wol Bohnen jefriehstickt?‹, ›Sie sind wol 'n bissken dumm?‹, ›Se sind wol aus Dalldorf entsprungen?‹, ›Du kannst wol nicht davor?‹, ›Dir ham se wol 'ne Ecke abjefahren?‹, ›Hast wol Frost in' Kopp?‹, ›'n Fimmel?‹, ›'n Fussel?‹, ›Se sind wol nich von hier?‹, ›Hast wol Hitze?‹, ›Bei dir ham se wol injebrochen?‹, ›Bist wol nich bei Jroschens?‹, ›Hast wol 'n Keber (= Käfer)?‹, ›Keberts dir?‹, ›Dir ham se wol mit'n Klammerbeutel jepudert?‹, ›Has wol'n Knall?‹, ›Wenn eener verrickt wird, wird er't zuerst in' Kopp‹. ›Du bist wol von de Kuh (von'n blauen Affen) jebissen?‹, ›Du bist ja manoli‹. ›Hast ja 'n Massel‹. ›Bist meschugge‹. ›Der ham se wol mit de Muffe jeschmissen (jebufft)?‹, ›Bist wol 'n bissken mall‹. ›Kriejen Se det öfter?‹, ›Du bist wol aus de Paddenjasse?‹, ›Dir ham se wol mit de Pauke jepiekt?‹, ›Di pickt et wol?‹, ›Bei dir piepts's wol?‹, ›Bei dir rappelt's wol?‹, ›Hast wol 'n Raptus?‹, ›Bist wol rappelköppsch?‹, ›Er hat Raupen (Rejenwürmer) in' Kopp‹. ›Bei den is 'ne Schraube los‹. ›Du bist wol von de Stadtbahn ieberfahrn?‹, ›Er hat'n Stich‹. ›Hast wol Tinte jesoffen?‹, ›Er hat 'n Triefel‹. ›Er is 'n bißken trieselig‹. ›Bist wol nich bei Trost?‹, ›Sonst is Ihnen doch wohl?‹, ›Sie sind wol nich janz unwohl?‹, ›Der ham se wol mit kalt Wasser verbrieht?‹, ›Verdrehte Schraube!‹, ›Hast wol 'n Vogel ('n Piepmatz, 'n Meise)?‹, ›Hast wol 't jrosse Traller?‹, ›Bist wol trallig?‹, ›Er hat 'n Triller (unterm Pony)‹. ›Bei dir trillerts wol?‹, ›Er ist ieberjeschnappt‹. ›Verrickt un drei macht neune‹. ›Sie ham wol 'n kleenen Webefehler?‹, ›Dir ham se wol mit 'ner Mohrriebe aus'n Urwald jelockt?‹, ›Hier riechts so nach Obst ... du hast wol ne weeche Birne?‹ Auch: ›Du hast wohl 'n Stich in der Birne?‹, ›Bei dem ham se injebrochen un det Jehirn jeklaut‹. ›Du bist wohl vom giftigen Affen gebissen (oder: von Lottchen getickt)?‹ Und als neueste Prägung (seit 1983): ›Dümmer geht's nümmer‹, doof, Pulver.
• G. GEZELLE: »Doof (als en ...)«, in: Biekorf, 2 (1891), S. 234-235; A. HAAS: Dummhans im pommerischen Sprichwort, in: Unsere Heimat, Nr. 11, 12 (Köslin 1925); L. NIES: Von den Dummen im Volksmund am Mittelrhein, in: Nass. Blätter 9 (Montabaur 1929), S. 183 ff.; J. SCHAFFLER: Der lachende Volksmund, S. 17 ff.; H. MEYER: Der richtige Berliner in Wörtern und Redensarten (München, 10 Aufl. 1965); G. GROBER-GLÜCK: Motive und Motivationen in Redensarten und Meinungen (Marburg 1974), S 91 ff.; M. LÜTHI: Artikel ›Dummheit‹ und Artikel ›Dümmling‹ in: Enzyklopädie des Märchens III, Spalte 927-946.
Dumm wie ein Kalb. Detail aus: ›Bilder mit Versen‹, Neuruppiner Bilderbogen, Nr. 2816, aus: S. und K., S. 107.
Er ist so dumm, daß ihn die Gänse beißen. Cats and Farlie, S. 165.

Das Wörterbuch der Idiome. 2013.

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