gemein

gemein
Das ist eine (bodenlose) Gemeinheit!: das ist sehr bösartig, niederträchtig und verwerflich. In dieser Redensart hat der Begriff ›Gemeinheit‹ die Bedeutung von ›niedriger Gesinnung‹, die er ursprünglich nicht hatte. Vielmehr wurde er in früher Zeit hauptsächlich verwendet im Sinne des heutigen Wortes ›Allgemeinheit‹, wie er auch angesprochen wird in der Redensart: mit jemandem etwas gemein haben: dieselben Eigenschaften, Interessen, Ziele haben.
   Der ›Gemeine Pfennig‹ ist eine allgemeine Steuer. Unter ›Gemeinsprache‹ versteht man die gemeinsame Umgangssprache. ›Gemeinplatz‹ ist die 1770 von Wieland eingeführte Verdeutschung von ›locus communis‹, ein allgemein bekannter Ausdruck. In Gemeinplätzen reden: abgedroschene Redensarten verwenden.
   Das Allgemein-Menschliche ist bei den folgenden literarischen Zitaten gemeint: Schiller (›Wallensteins Tod‹ I, 4):
   Denn aus Gemeinem ist der Mensch gemacht
   Und die Gewohnheit nennt er seine Amme;
desgleichen bei Goethe in seinem ›Epilog zu Schillers Glocke‹ (4. Strophe):
   Und hinter ihm in wesenlosem Scheine
   Lag, was uns alle bändigt, das Gemeine.
Daß es sich bei dem Ausdruck ›das Gemeine‹ um eine Verkürzung aus dem Wort ›das Allgemeine‹ (das was uns allen gemeinsam ist) handelt, geht auch hervor aus dem Sprichwort ›Gemeinnutz geht vor Eigennutz‹.
   Die Wendung ›Das gemeine Volk‹ ist dagegen nur auf den vierten Stand (den niedrigsten Stand) bezogen, wie auch ein Vers aus einem Freiburger Passionsspiel des 16. Jahrhunderts (hg. v. Martin, S. 3) deutlich macht:
   herren, gest, burger und all gemein,
   züchtig frawen, junkfrawn rein,
   ich pit, ir wellen schweigen still.
Ein ›Gemeiner‹ ist ein Soldat ohne Dienstgrad. Ähnlich weist die Wendung ›Der gemeine Mann‹ (der kleine Mann) darauf hin, daß mit dem Gemeinen sowohl der niedrige Stand als auch der einfache Mann ohne Macht, der auf die Gunst der Obrigkeit angewiesen ist, gemeint sind, wie frühe schriftliche Zeugnisse beweisen (Zeitschrift für deutsches Altertum 17, 351, 30):
   ein iclich herre wol geborn
   der sal nicht übin sinen zorn
   kein eim gemeinen armen man,
   der sich nicht gewerin kan.
Mit der Emanzipation der Massen und der allmählichen Aufgabe des Ständedenkens erfuhr auch der Begriff ›Gemeinheit‹ eine Wandlung insofern, als nur noch die Vorstellung von ›niedriger Gesinnung‹ erhalten blieb und in beschimpfenden Wendungen wie ›Gemeiner Kerl‹, ›Gemeines Biest‹ ihren Ausdruck fand. Auch die Redensarten Jemanden mit Gemeinheiten überhäufen (traktieren) und Keine Gemeinheit auslassen zeigen, daß der Begriff ›Gemeinheit‹ heute nur noch das Abscheuliche, Verwerfliche umfaßt.

Das Wörterbuch der Idiome. 2013.

Игры ⚽ Поможем решить контрольную работу

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • gemein — gemein …   Kölsch Dialekt Lexikon

  • gemein — gemein …   Deutsch Wörterbuch

  • Gemein — Gemein, er, ste, adj. et adv. welches eigentlich den Begriff der Menge ausdruckt, aber mit mancherley Einschränkungen und Nebenbegriffen. 1. In Menge vorhanden. 1) Eigentlich. Die Wölfe sind in diesem Lande sehr gemein, sehr häufig. Das… …   Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart

  • gemein — Adj. (Mittelstufe) böse und voller Niedertracht Synonyme: aasig, hässlich, schäbig, fies (ugs.), mies (ugs.) Beispiel: Du bist ein gemeiner Lügner! Kollokation: jmdn. gemein behandeln gemein Adj. (Aufbaustufe) den Sitten nicht entsprechend,… …   Extremes Deutsch

  • gemein — Adj std. (8. Jh.), mhd. gemein(e), ahd. gimeini, as. gimēni Stammwort. Aus g. * ga maini Adj. allgemein , auch in gt. gamains, ae. gemǣne, afr. mēne. Genau gleich gebildet ist l. commūnis gleicher Bedeutung (wohl zu l. mūnus Verrichtung, Aufgabe… …   Etymologisches Wörterbuch der deutschen sprache

  • gemein — gemein: Das altgerm. Adjektiv mhd. gemein‹e›, ahd. gimeini, got. gamains, niederl. gemeen, aengl. gemæne, dem außerhalb des Germ. lat. communis »gemeinsam, gemeinschaftlich« (↑ Kommune) entspricht, gehört zu der unter ↑ Meineid dargestellten idg …   Das Herkunftswörterbuch

  • Gemein — Gemein, 1) in Menge vorhanden; 2) dem Edeln u. Feinen entgegengesetzt; das Gemeine strebt nach Befriedigung der Sinnlichkeit u. der Naturbedürfnisse, das Edle u. Schöne ist von ihm nicht geachtet. In der Kunst stellt es schmutzige niedrige… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • gemein — 1. ↑kommun, 2. ↑miserabel, ↑ordinär, ↑schofel, vulgär …   Das große Fremdwörterbuch

  • Gemein — 1. Allzu gemein macht klein. – Kirchhofer, 234. 2. Allzu gemein macht veracht. – Henisch, 46, 51; Petri, I, 9; Sailer, 114. 3. Das Gemein, das Unrein. 4. Die sich gar gemein macht, verlihret jhr credit. – Lehmann, 411, 6. 5. Es ist gemein, dass… …   Deutsches Sprichwörter-Lexikon

  • gemein — gehaltlos; profan; durchschnittlich; normal; ordinär; gewöhnlich; alltäglich; mittelmäßig; fies; unbarmherzig; kaltherzig; verruc …   Universal-Lexikon

  • gemein — ge·mein1 Adj; 1 moralisch schlecht und mit der Absicht, jemand anderem zu schaden ≈ boshaft, niederträchtig ↔ anständig, edel <eine Lüge, eine Tat, ein Mensch, ein Verbrecher; gemein zu jemandem sein, jemanden gemein behandeln>: Warum hast… …   Langenscheidt Großwörterbuch Deutsch als Fremdsprache

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”