Hecht

Hecht
Der Hecht im Karpfenteich sein: eine aufrüttelnde, führende Rolle in einer trägen Masse spielen.
   Der Hecht jagt die Karpfen hin und her und läßt sie nicht fett werden. Das sprichwörtliche Bild stellt den lebhaften Fisch inmitten anderer, langsam und träge sich bewegender Fische dar. Der Hamburger erweitert und variiert das Bild: ›Wenn de Hekt in de frei Elw schwärmt, denn bitt he un fritt, wat em in de Quer kummt, wenn he awer bi'n Amtsfischer in Kasten sitt, denn lat he Karpen un Karuschen herankomen und deit ju nix‹.
   Schon mittelhochdeutsch wird Hecht in bildlichem Sinne gebraucht: »Pei dem hecht versten ich alle wütreich, die arm läut frezzent und auch ir aigen mäg (›Verwandte‹) und freunt verderbent«, schreibt 1350 Konrad von Megenberg in seinem ›Buch der Natur‹ (hg. von Pfeiffer, S. 254).
   Die Redensart vom ›Hecht im Karpfenteich‹ ist vielleicht alt, literarisch aber erst nachweisbar seit 1787: »Er war in Vetter Kornelius' Hause der Hecht im Karpfenteiche, der die trägen friedlichen Haustiere der Handelsbedienten und des Gesindes immer aufstörte und in Schreck setzte« (Musäus, ›Straußfedern‹ Band 1, S. 147). Jean Paul (1763-1825) schreibt im ›Titan‹: »So trifft meine Bemerkung hier ein, dasz ein guter filou immer der motivierende Hecht wird, der den frommen Karpfensatz der Stillen im Teiche zum Schwimmen bringt«. Jos. v. Görres wandte die Redensart 1804 ins Politische. In den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts wurde Napoleon III. der ›Hecht im europäischen Karpfenteiche‹ genannt. 1867 bildete der ›Kladderadatsch‹ auch Bismarck in der Karikatur als Hecht ab, und Bismarck selbst nahm in seiner Reichstagsrede vom 6. Februar 1889 das Bild auf, um die Stellung Deutschlands zwischen Frankreich und Rußland zu kennzeichnen: »Die Hechte im europäischen Karpfenteich (Franzosen und Russen) hindern uns (Deutsche), Karpfen zu werden. Wir müssen dieser Bestimmung der Vorsehung aber auch entsprechen, indem wir uns so stark machen, daß die Hechte uns nicht mehr tun als uns ermuntern« (Reden XII, 456).
   Hecht übertragen auf den Menschen bedeutete zuerst soviel wie ›räuberischer Mensch‹, blaßte dann später zu ›Kerl, Bursche‹ ab. »Gesperrt zu einem solchen Hechte«, sagt Wieland. Man spricht von ›armen‹, ›dürren‹, ›langen‹, ›drolligen‹ Hechten. ›Ein doller (toller) Hecht‹ ist ein Draufgänger, Lebemann, Weiberheld. ›Krummer Hecht‹ wird allgemein als Schimpfwort gebraucht. ›Ein gelungener Hecht‹ ist im Rheinischen ein Bursche, der Witze und Streiche macht. »Verbrennt diesen Brief, damit es nicht dermaleinst offenbar werde, was für drollige Hechte wir sind« schrieb Bürger am 1.3.1789 an F.L.W. Meyer. In den Ausdrücken ›'n netter Hecht‹ (berlinisch), oder ›ein gemütlicher Hecht‹ (thüringisch) ist der eigentlich Charakter des Raubfisches ganz vergessen.
   Hecht in der Bedeutung ›dicker Tabaksqualm im Zimmer‹ stammt aus der Studentensprache. Der Ausdruck ist vielleicht substantiviert aus dem niederdeutschen Adjektiv ›hecht‹ = dicht zur Kennzeichnung der dicht lagernden Tabakswolken oder fußt auf dem Adjektiv ›hechtgrau‹.
   Unklar ist der Ursprung der Redensart Hier zieht es wie Hechtsuppe, vom Luftzug gesagt. Vielleicht beruht sie auf einem Wortspiel: Fischsuppe muß lange ziehen, um schmackhaft zu werden. Eine andere Erklärung leitet ›Hechtsuppe‹ von jiddisch ›hech supha‹ = wie eine Windsbraut, ein Orkan, ein Sturm her. Diese Redensart ist wahrscheinlich erst seit dem 19. Jahrhundert im Gebrauch, Fisch.
• O. KELLER: Die antike Tierwelt 2 (Leipzig 1913), S. 371; S.A. WOLF: ›Es zieht wie Hechtsuppe‹, in: Muttersprache 66 (1956), S. 27-28; ANON: ›So ein Hecht. Es zieht wie Hechtsuppe‹, in: Sprachpflege 18 (1969), S. 124; V.B. DROSCHER: Mit den Wölfen heulen (Düsseldorf – Wien 1978), S. 109-112.}
Hecht im Karpfenteich sein. Karikatur von Hai-
   tzinger, vom 4.V.87, Aus: DER SPIEGEL, vom 27.6.88, S. 30.
Hecht (bzw. zwei Hechte) im Karpfenteich sein. Zeichnung von Wilhelm Scholz: ›Luxemburger Frage‹, 1867, Bismarck-Album, S. 42.

Das Wörterbuch der Idiome. 2013.

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