Kaiser

Kaiser
Um des Kaisers Bart streiten: um Nichtigkeiten streiten, Bart. Auf den alten Kaiser dahinleben: unbesorgt darauf losleben; eine im 17. und 18. Jahrhundert bezeugte Redensart, die wohl aus den Zeiten der Schwäche des Römischen Reiches Deutscher Nation stammt, wo zwischen dem Tode des alten und der Wahl des neuen Kaisers manchmal eine lange Zeit verfloß und vieles zu Unrecht im Namen des alten Kaisers geschehen konnte. Denkbar wäre auch eine Zurückführung der Redensart auf den Volksglauben an die Wiederkehr des schlafenden Kaisers Friedrich, von der man eine neue Ordnung der Dinge erhoffte. Grimmelshausen schreibt im ›Simplicissimus‹ (I. Buch): ›Jetzt glaub' ich erst recht, daß er ein kühnes Soldatenherz habe, sein Leben wacker dranzuwagen, weil er gleichsam ohne Religion und Gottesdienst auf den alten Kaiser hinein dahinleben und seine Seligkeit in die Schanz schlagen darf‹. Ähnlich auch: ›Auf den alten Kaiser hinein!‹, ›Auf den alten Kaiser heiraten, stehlen, warten, sündigen, borgen, beten‹ usw. (literarische Belege bei Wander II, Spalte 1093ff.).
   Dem Kaiser geben, was des Kaisers ist: der Obrigkeit gegenüber seine Pflichten erfüllen, nach Mt 22,21: »so gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist«. England ›render unto Caesar the things which are Caesar's‹; französisch ›il faut rendre à Cesar ce qui est à Cesar‹; niederländisch ›geeft de keizer wat des keizers en Gode wat Gods is‹. Noch ganz wörtlich genommen, veranschaulicht die Sachsenspiegel-Illustration das Jesuswort. Daraus abgeleitet erscheint das Sprichwort: ›Wo nichts ist, hat der Kaiser sein Recht verloren‹; scherzhaft parodiert zu: ›Wo nichts ist, hat's der Kaiser recht verloren‹.
   Es handelt sich bei dieser Redensart wohl um eine Anspielung auf die Tatsache, daß im Mittelalter alles weltliche Recht vom Kaiser ausging (so wie das kanonische Recht vom Papst). Die kaiserlichen Rechtsetzungen wurden mit dem Begriff ›Kaiserrecht‹ umschrieben. Es fand nicht nur Eingang in die Rechtskodifikationen, sondern auch in die profane Literatur. so heißt es z.B. bei G.A. Bürger:
   dennoch hegst du Kaiserrecht
   über deinen treuen Knecht,
   Kaiserrecht in deinem Herzen,
   bald zu Wonne, bald zu Schmerzen.
   Tod und Leben, Kaiserrecht,
   nimmt von dir der treue Knecht.
Wo selbst der Kaiser zu Fuß hingeht..., Umschreibung der tabuierten Worte Abort, Toilette, Lokus usw. Entsprechend setzt man kleine Kinder ›Aufs Thrönchen‹, und von einem, der darauf sitzt, heißt es: ›Er regiert gerade‹.
• H. EYBEN: Dissertatio de origine brocardi: Ein jeder (Fürst, Graff, etc.) ist Kaiser in seinem Lande (1661); E.E. STENGEL: Den Kaiser macht das Heer (1910); D. MUNZEL: Artikel ›Kaiserrecht‹, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte II, Spalte 563-565; F. GRAUS: Barbarossa und der Kyffhäuser, in: Lebendige Vergangenheit. Überlieferung im Mittelalter und in den Vorstellungen vom Mittelalter (Köln – Wien 1975), S. 338-354.}
Dem Kaiser geben, was des Kaisers ist. Heidelberger Sachsenspiegelhandschrift, 13. Jahrhundert.

Das Wörterbuch der Idiome. 2013.

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