Kopf

Kopf
Jemanemd den Kopf waschen: ihm die Meinung sagen, jemanden tadeln, wird meist in übertragener Bedeutung gebraucht (ebenso wie ›Auf einen grindigen Kopf gehört scharfe Lauge‹), Lauge. Die Redensart taucht in der zuerst angeführten Form verschiedentlich bei Abraham a Sancta Clara auf (›Judas‹ IV, 127,192); auch in der Form »mit einer scharfen Laugen den Kopff waschen« (›Judas‹ IV,363) und »auff solche Köpff gehört kein andere Laugen« (›Judas‹ IV,231; ›Kramer-Laden‹ I, 414). In dem Fastnachtsspiel von Hans Sachs ›Der böß Rauch‹ heißt es (V.175):
   Droll dich Wilt du das Fewer leschen;
   so will ich umb den Kopff dich weschen.
In diesem Zusammenhang kann die Redensart sowohl in ihrem eigentlichen als auch im übertragenen Sinne verstanden werden.
   Vgl. französisch ›laver la tête à quelqu'un‹.
   Aus dem 11. Jahrhundert stammt das Sprichwort ›Wer für die Seife seinen Kopf hergibt, macht ein schlechtes Geschäft‹ (›Pro sapone dato capite haec carissima merx est‹; Singer 135). Das Sprichwort soll aus der Zeit der Kreuzzüge stammen, als die heimkehrenden Kreuzfahrer jerusalemische Seife mitbrachten.
Da aber nur wenige zurückkehrten, wurde das Hingehen bald mit Sterben gleichgesetzt und im Volksmund zu der Redensart verkürzt: ›Er geht nach Seife‹ (Wander IV, Spalte 516,9), zeitlich.
   Sich etwas in den Kopf setzen: sich etwas vornehmen, was in seiner Ausführung auf große Schwierigkeiten stoßen muß, in der Absicht, es doch durchzusetzen; vgl. französisch ›se mettre quelque chose dans la tête‹.
   Jemandem den Kopf zurechtrücken: ihn zu einer anderen, richtigen Meinung bekehren, manchmal auch im Sinne von ›Den Kopf waschen‹ gebraucht.
   Mit dem Kopf durch die Wand wollen: trotz unüberwindlicher Schwierigkeiten seine Absicht durchsetzen wollen. Die übertragene Bedeutung kleidet Bismarck in ein falsches Bild: »Ich werde mit meiner Meinung nicht durch die Wand gehen« (›Reden‹ VII,185). Zu den welfischen Adligen sagt er: »Sie werden sich den Kopf an der Mauer einrennen«, sie werden ihre Pläne und Absichten nicht verwirklichen können.
   Vgl. französisch ›se taper la tête contre les murs‹: weder aus noch ein wissen.
   Wenn man jemandem etwas verweigern will, bekräftigt man die Ablehnung oft noch mit der Redensart Und wenn du dich auf den Kopf stellst (du bekommst es trotzdem nicht, was du haben willst). Vgl.
Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm 168. Luther gebraucht in gleichem Sinne die Redensart Den Kopf aufsetzen. Jemandem auf den Kopf spucken: ihn grob anfassen, anrempeln. Wenn man jemanden beleidigt oder brüskiert, hat man ihn Vor den Kopf gestoßen. Wer in Verlegenheit ist oder Sorgen hat, Sitzt mit einem dicken Kopf da oder Läßt den Kopf hängen. Wer sich in Schwierigkeiten besonnen verhält und die Hoffnung nicht aufgibt, Behält den Kopf oben, er wird Den Kopf nicht verlieren. vgl. französisch ›ne pas perdre la tête‹.
   Ein schmollendes Kind, das nicht auf gutes Zureden reagiert, Macht einen Dickkopf, vgl. niederländisch ›koppig zijn‹; französisch ›faire la tête‹: sich mürrisch verhalten. Wer seinen Vorteil zu wahren oder schlagfertig zu antworten weiß, Ist nicht auf den Kopf gefallen (vgl. Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm 104 und 125); vgl. französisch ›Il n'est pas tombe sur la tête‹.
   Nicht wissen, wo einem der Kopf steht sagt man, wenn die Arbeit oder die Sorgen überhandnehmen; vgl. französisch ›ne pas savoir ou l'on a la tête‹ oder ›... où donner de la tête‹; ähnlich heißt es Den Kopf von etwas voll haben. Es geht nicht nach seinem Kopf: eine Sache entwickelt sich nicht nach seinen Plänen. Der Kopf steht mir nicht danach: ich bin dazu nicht aufgelegt. Eine unglaubliche Begebenheit
Will jemand nicht in den Kopf; und ein schwieriges Problem macht ›Kopfzerbrechen‹.
   Jemandem über den Kopf wachsen bedeutet allgemein: ihn übertreffen. Wenn jemand Die Arbeit über den Kopf wächst, fehlen ihm die Kräfte, sie zu bewältigen. Jemand wird ›Kopfscheu‹, d.h. unsicher; ist von scheuenden Pferden übertragen, denen man mit der Scheuklappe die Sicht nach den Seiten verwehrt. Ebenso kann man jemanden ›Kopfscheu machen‹, indem man ihn mit einem Problem konfrontiert, so daß er unsicher wird. Will man jemanden einer Schuld überführen, so muß man es ihm Auf den Kopf zusagen; vgl. französisch ›lancer ...‹ oder ›jeter quelque chose à la tete de quelqu'un‹; es bleibt ihm aber die Möglichkeit, Den Kopf aus der Schlinge zu ziehen, indem er sich auf geschickte Weise herausredet. Das Bild stammt aus der Jägersprache. Auch: Mit dem Kopf in der Schlinge daherkommen: total erledigt sein.
   Die meisten dieser Redensarten beziehen sich auf den Kopf als Sitz des Verstandes. Ein kluger (heller) Kopf wird als pars pro toto für einen klugen Menschen gebraucht, als Werbeslogan für eine Tageszeitung abgewandelt heißt es: ›Dahinter steckt immer ein kluger Kopf‹. Jemandem den Kopf verdrehen: jemanden verliebt machen; vgl. französisch ›tourner la tête à quelqu'un‹.
   Jemand, der leichtsinnig handelt, Riskiert seinen Kopf; vgl. französisch ›risquer sa tête‹; oder Bringt sich um Kopf und Kragen. Die Redensart stammt aus der Rechtssprache bzw. der Praxis der Hinrichtung mit dem Schwert, ebenso wie die Redensarten Jemanden einen Kopf kürzer machen, Einem den Kopf vor die Füße legen und Den Kopf unter dem Arm tragen. Die Wendung beruht auf dem Volksglauben, daß Märtyrer ihren abgeschlagenen Kopf auffangen und noch ein Stück vor sich hertragen konnten, um ein sichtbares Zeichen ihrer Unschuld und Heiligkeit zu geben, was z.B. auch bildlich in einer Plastik des hl. Dionysius dargestellt worden ist. Klaus Störtebeckers letzter Wunsch vor der Enthauptung: Offiziere antreten lassen in Reihe und so weit er ohne Kopf daran vorbeikomme, sollten sie begnadigt werden. – Beim 13. fiel er um. Ein beziehungsreiches Bild in der Redensart: ›kopflos‹ umherirren.
   Scherzhafte Vergleiche und Umschreibungen für den Kopf sind zahlreich und in einzelnen Landschaften verschieden: ›Birne‹, ›Kürbis‹, ›Wirsing‹ usw. stammen aus dem Bereich der Botanik; an der Küste sagt man: ›Er hat einen Kopf wie eine Boje‹, in Rheinhessen wird er mit einem Hohlmaß verglichen: ›Er hat einen Kopf wie ein Viernsel‹. In Anlehnung an Terenz' »Quot homines, tot sententiae« (›Phormio‹ II,4,14) wurde gebildet: ›Soviel Köpfe, soviel Sinne‹.
Dieses Sprichwort wurde auch schwankhaft zu einem Wellerismus umgebildet: ›Viel Köpfe, viel Sinne, sagte der Bauer, da rollten ihm die Rüben vom Wagen herab‹. Eine scherzhafte Umschreibung für eine beginnende Glatze ist die Redensart Einem wächst der Kopf durch die Haare.
   Die Köpfe zusammenstecken: sich heimlich unterhalten, miteinander tuscheln.
   Köpfchen haben ist eine jüngere, wohl vom Berlinischen ausgegangene Wendung für Verstand haben. Ähnlich sagt man als Aufforderung: ›Immer Köpfchen‹ nur gut nachgedacht, und derjenige, der sich über einen guten Einfall, eine glückliche Lösung eines Problems freut, sagt selbstgefällig: ›Köpfchen, Köpfchen!‹.
   Etwas auf den Kopf stellen: ins Gegenteil verkehren, durcheinander bringen. Alles auf den Kopf stellen: alles peinlich genau durchsuchen, aber auch im übertragenen Sinne: alles umdrehen und verkehren. Da kannst du dich auf den Kopf stellen heißt es, wenn Gegenargumente nicht ziehen und jemand unter keinen Umständen tut, was der andere will. Den Kopf in den Sand stecken: eine Vogel-Strauß-Politik betreiben. ›Geld auf den Kopf hauen‹: es durchbringen bzw. leichtfertig ausgeben.
   Aber auch sonst muß der Kopf für die unterschiedlichsten Aussagen herhalten. ›Jedenfalls ist der Kopf dicker als der Hals‹ als Entgegnung an einen, der alles zu wissen meint, auch wenn es nicht stimmt. ›Ich werd' mir doch nicht deinen Kopf zerbrechen‹ (damit mußt du schon selber fertigwerden). ›Die Frau wackelt mit dem Kopf‹: sie ist alt, leidend (vielleicht ›Schüttellähmung‹) – aber: ›Nach dem Umsturz wackeln die Köpfe‹: sind gefährdet ...
   ›Kopfhoch!‹ als joviale Ermunterungsformel, zynisch erweitert zu: ›Kopf hoch! sagte der Henker – sonst hau i daneben‹ oder ›Immer den Kopp hoch, wenn der Hals ooch dreckig is‹ (berlinisch). Von einem ›Kopf-an-Kopf-Rennen‹ spricht man im Pferde-Rennsport und ›Von Kopf bis Fuß‹ immer dann, wenn der ganze Körper gemeint ist, wie z.B. in einem bekannten Schlager des 2. Weltkrieges: ›Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt‹, der durch Marlene Dietrich weiteste Bekanntheit erlangte.
   Eins auf den Kopf bekommen: eine Abfuhr erhalten. siehe auch Birne, Dach, Haupt.
   ›Kopf oder Wappen‹: Kurzformel beim Auslosen durch Werfen einer Münze, wobei Kopf für die Oberseite und Wappen für die Unterseite steht (englisch ›heads or tails‹).
• J.E. HODGKIN: ›Heads or tails‹, in: Notes & Queries 2.11 (1861), S. 425; J. RUGER: ›Vom Kopf bis zum Fuß‹. Der menschliche Körper in volkstümlichen Redensarten, in: Sprachpflege 12
(1963), S. 244-245; CH. M.. ›Kopf‹ und ›Haupt‹ in Redensarten, in: Sprachpflege 15 (1966), S. 212-213); G. AUGST: ›Haupt‹ und ›Kopf‹- Eine Wortgeschichte bis 1550, Diss. Mainz (Gießen 1970); A. BARGHEER: Artikel ›Kopf‹, in: Handbuch des Aberglaubens V, Spalte 201-214; U. JEGGLE: Der Kopf des Körpers. Eine volkskundliche Anatomie (Weinheim und Berlin 1986).
Jemandem den Kopf waschen. Holzschnitt aus: Thomas Murner. Elsässischer Theologe und Humanist 1475-1537, Ausstellungskatalog, herausgegeben von der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe in Zusammenarbeit mit der Bibliothèque nationale et universitaire de Strasbourg, 1988, S. 47.
Mit dem Kopf durch die Wand. Detail aus dem Sprichwörterbild von P. Bruegel, 1559.
Sich auf den Kopf stellen. Karikatur, aus: DER SPIEGEL, Nr. 46, 1983.
Mit dem Kopf durch die Wand. Misericordiendarstellung in Hoogstraeten, 16. Jahrhundert.
Den Kopf hängen lassen. Zeichnung von Brisolla, Abbildung 25.
Den Kopf unterm Arm tragen. Statue des Hl. Dionysius, 1506, Holzplatik von Niclaus Hagenower,
   Straßburg.
Viele Köpfe, viele Sinne. Emblematischer Kupferstich mit Ansicht von Raab in Ungarn, aus: Meisner /Kieser, Bd. I, Teil 4, Abbildung 41.

Das Wörterbuch der Idiome. 2013.

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