Kränke

Kränke
Da soll man (nicht) die Kränke kriegen und Es ist, um die Kränke zu kriegen: es ist zum Verzweifeln, zum Verrücktwerden; eigentlich: es ist so arg, daß man vor Ungeduld oder Ärger krank und schwach werden könnte. Die Wendungen sind auch mundartlich verbreitet, z.B. hessisch ›Ich krieg die Kränk‹ und mecklenburgisch ›sich gegenseitig die Kränk an den Hals ärgern‹. Mit Kränke bezeichnet man bereits im 16. Jahrhundert Schwäche und Krankheit. Luther gebrauchte das Wort (Werke 1,493b), und Melanchthon (›Luthers Leben‹, übersetzt von Ritter, S. 81) schrieb 1561 über Luther: »am mitwoch den 17 tag des hornungs hat d. Martinus sein gewöhnlich kränk bekommen, nemlich ein flusz im herzgrüblin«. Im 17. Jahrhundert dichtete Friedrich von Spee im Sinne der mystischen Versenkung in die Leiden des Herrn (›Trutznachtigall‹ 300):
   ich nun denke seiner kränke,
   weil ich dich verwundet seh.
Auch mundartlich, z.B. fränkisch, schwäbisch, elsässisch, vorarlbergisch und kärntnerisch, aber auch mecklenburgisch, ist ›Kränke‹ noch heute die allgemeine Bezeichnung für Krankheit, speziell meint man damit aber vor allem Epilepsie, Fallsucht und Krämpfe. Früher galt Kränke auch als verhüllender Ausdruck für Pest u.a. schwere Seuchen, was sich in den Verwünschungen und Flüchen bis heute bewahrt hat, die besonders im 18. Jahrhundert häufig waren, z.B. Daß du die Kränke kriegst! und Daß dich die Kränke! In diesen beiden Formen sind die Verwünschungen noch mundartlich verbreitet, z.B. mecklenburgisch ›Dat du de Kränk kriggst!‹ oder elsässisch: ›Daß du die Kränk kriegsch!‹ und allgemein im Niederdeutschen ›Dat du de Krenke!‹
   Literarisch sind ähnliche Wendungen aus dem 18. und 19. Jahrhundert belegt. Nicolai gebrauchte die Verwünschung in einem Gedicht: »ei, kriegtest du die Kränke!«(Verm. Ged. 1792, 1,159), und Immermann schrieb 1839 in seinem Roman ›Münchhausen‹ (4,35 [60]): »ich wills euch allen zuvor thun, daß ihr Seelenverkäufer die Kränke vor Ärger kriegt«. Noch 1870 reimte W. Kreusler (›Lieder zu Schutz und Trutz‹):
   Haut ihn, daß die Lappen fliegen! Daß sie All' die Kränke kriegen
   In das klappernde Gebein.
   Einige mundartliche Wendungen haben übertragene Bedeutung angenommen, z.B. schlesisch ›Die Kränkt haben‹, krank spielen und schwäbisch ›Der hat die Kränke‹, er steckt voller Bosheit, was durch den Ausdruck ›Höllenkränke‹ noch gesteigert werden kann.
• O. VON HOVORKA UND A. KRONFELD: Vergleichende Volksmedizin, 2 Bände (Stuttgart 1908/09).

Das Wörterbuch der Idiome. 2013.

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