- Laus
- Einem eine Laus in den Pelz setzen: ihm Ärger, Schwierigkeiten bereiten, auch: sein Mißtrauen erregen, ihm etwas weismachen. Die Redensart ist im 19. und 20. Jahrhundert noch ganz geläufig. Der ältere Sinn der Redensart entspricht aber keiner der heutigen Bedeutungen. ›Einem Läuse in den Pelz zu setzen‹, das war soviel wie ›Eulen nach Athen tragen‹ (⇨ Eule), d.h. etwas völlig Überflüssiges tun, denn in einem Pelz waren natürlich schon vorher Läuse, und man brauchte sie nicht erst dorthin zu bringen. Das entspricht durchaus den älteren kulturgeschichtlichen Tatsachen. In Sebastian Brants ›Narrenschiff‹ heißt es: »Es ist nit not, daß man Leuß in den Belz werf, sie wachsen wol on das darin«. Das Bild will hier sagen: ein Übel, das ohnehin fast von selbst kommt, muß man nicht noch eigens herbeiführen. Bei Geiler von Kaysersberg heißt es 1514 im ›Irrig Schaf‹ (D 1a): »Man darf (= braucht) nit lüs in den belz setzen, sie wachsen selbs darin«. Das 17. Kapitel von Murners ›Schelmenzunft‹ von 1512 trägt sogar die Überschrift: »Leuß in beltz setzen« und beginnt:Es wer nit not, alß ich das schetzen,Schiltecht leuß (= Schildläuse) in beltz zu setzen:Sy wachsendt selber dryn zu handt In der ›Schelmenzunft‹ findet sich auch eine hierzu gehörige Holzschnittillustration, die einen Mann zeigt, der sich die Läuse vom Kopf nimmt und sie in den Pelz setzt.Abraham a Sancta Clara sagt im ›Judas‹ (III,415): »Die Laus ... soll man auf kein Weiß in den Beltz setzen, dann sie kriecht selber daran«. Die Redensart ist noch in anderen Variationen geläufig, z.B. ›Die Laus im Bart haben‹, in eine unangenehme Sache geraten sein. Elsässisch ›Suech mer ken Lüs am Kopf‹, kümmere dich nicht um meine Sachen. Bei Jer. Gotthelf findet sich die Wendung ›Einem Läuse hinter die Ohren setzen‹, d.h. jemandem etwas Dummes einreden (vgl. ›Einem einen Floh ins Ohr setzen‹), ⇨ Floh. ›Eine Laus im Ohr haben‹ bedeutet dagegen auch: ein schlechtes Gewissen haben.Häufig dient die Laus auch als Bild des Kleinen und Unbedeutenden: nicht die (rote) Laus: nicht die geringste Kleinigkeit (Leipzig); Das ist nicht drei Lause wert; niederdeutsch ›se hätt nich moal e Luus enm Bossem‹, sie ist ein sehr armes Mädchen (ohne jede Mitgift); westfälisch ›du kannst mi keen Lus abstarven laten‹, du kannst mir nichts anhaben; schwäbisch ›bei dem hält keine Laus mehr‹, er ist so verkommen, daß selbst das Ungeziefer ihn flieht. Bei Luther findet sich in den ›Tischreden‹ die Wendung: »Aus einer Laus ein Kamel machen« im Sinne von ›Aus einer Mücke einen Elefanten machen‹.Die Wendung Die Laus nicht um einen Taler geben ist bei J.G. Schottel 1663 in der ›Ausführlichen Arbeit von der Teutschen Haubtsprache‹ belegt und soll ursprünglich den Bettlerhochmut ausdrücken; sie hat sich in den Mundarten zum Teil noch lebendig erhalten: holsteinisch ›de Lus nicht um en Daler gewen‹, sich viel einbilden; rheinisch ›dem es ken Lus für'n Daler feil‹.Besser eine Laus im Kraut (Kohl, Pott) als gar kein Fleisch: man muß mit dem Geringsten vorliebnehmen (eigentlich ist hier die Blattlaus gemeint); vgl. englisch ›better a louse (mouse) in the pot, than no flesh at all‹ und französisch ›Un »Tiens« vaut mieux que deux »Tu l'auras«‹ (wörtlich: Besser ist es, etwas in den Händen zu halten, als auf etwas Fragwürdiges zu hoffen). Die zunächst modern anmutende Wendung findet sich in gleicher Formulierung schon in Johann Fischarts ›Geschichtklitterung‹: »Besser ein Lauß im Kraut als gar kein Fleisch«. Wie die Laus im Grind (Schorf) sitzen: klein, aber frech und anmaßend, auch: unverdient in guten Verhältnissen leben (vgl. ›Wie die Made im Speck‹), ⇨ Made. Schon bei Geiler von Kaysersberg heißt es 1510 im ›Has im Pfeffer‹: »Sitz ich als ein Laus im Grind«, d.h. wie ein kleiner Mann in üppigen Verhältnissen. Luther umschreibt den Stolz des Gemeinen und Minderwertigen: »Indes müssen wir leiden, daß die Laus im Grind sich dicke weide, und im alten Pelz auf Stelzen gehet«. Im Rheinland heißt es noch: ›frech wie die Laus im Grind‹, und das Sprichwort sagt hier: ›Die Welt ist ein Grindkopf, und wir sind die Läus druf‹. Gegenüber lächerlichem und unangemessenem Großtun sagt man auch: ›Er prangt wie die Laus auf dem Samtkragen‹.Es ist ihm eine Laus über die Leber gelaufen: er ist verärgert, erbost; sächsisch ›die Laus leeft iwern Buckel‹. Auch dieses Bild kennt Geiler von Kaysersberg 1510 (›Spinnerin‹ b 2b): »Wenn dir ein laus über die leber ist gelaufen, das du allwegen den beichtvater damit (mit dem Bücherlesen) betriebest, mach dir selbs ein buch in deinem kopf«. Ursprünglich sagte man nur: ›Es ist mir etwas übers Leberl gekrochen‹ (oder: geloffen); so noch im Bairischen. Die Redensart beruht auf der volkstümlichen Vorstellung von der Leber als Sitz der leidenschaftlichen Empfindungen (⇨ Leber). Die später geläufige Einsetzung des Wortes Laus, die hier wieder den kleinen, geringfügigen Anlaß, die Nichtigkeit meint, entspricht der Vorliebe des redensartlichen Ausdrucks für den Stabreim.Ein Zeichen von Kleinlichkeit und Übergenauigkeit ist es, wenn man Der Laus Stelzen macht. Hier geht eben die Differenzierung zu weit (vgl. ›Die Flöhe husten hören‹). Johann Fischart sagt im ›Bienenkorb‹: »Sie wollen allzeit ein Laus schinden und wissen doch nit wie viel sie Füß hat«, d.h., wer schon in differenzierten Dingen mitwirken will, soll wenigstens etwas davon verstehen. Die Wendung Die Laus um den Pelz schinden ist ein Ausdruck besonderen Geizes, der sich darin zeigt, daß einer selbst das kleinste Tierchen wegen eines geringfügigen Gewinnes schindet. Als witzige Pointe kommt bei dieser Redensart hinzu, daß die Laus ja keinen Pelz hat. Der Geizhals wird als ›Läuseknicker‹ bezeichnet. Schon bei Hans Wilh. Kirchhoff findet sich 1581 im ›Wendunmuth‹: »(ein Geiziger), der umb den Balg ein Lauß geschindet hette«; vgl. das Grimmsche Märchen Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm 212 (Nachlaß) ›Die Laus‹. Wenn jemand für etwas ganz und gar nicht geeignet ist, sagt man: Er paßt dazu wie die Laus zum Brieftragen, ein redensartlicher Vergleich, der sich von selbst deutet. Von einem heruntergekommenen Menschen heißt es: ›Er geht wie die Laus am Stecken‹. Er hat's im Griff wie der Bettelmann die Laus sagt man scherzhaft von einem gewohnten, tausendmal geübten Handgriff (⇨ Griff).In Wien und im österreichischen Umland sagt man: ›Was größer ist als eine Laus, trägt man nach Haus‹; entsprechend berlinisch: ›Watt besser is wie'ne Laus, det nehm ik mit nach Haus‹.Die Läuse werden sich erkälten heißt es, wenn jemand die Kopfbedeckung nicht abnimmt. ›Ir liewe Leis (eigentlich ihr lieben Leute), wat Fleh!‹ ist im Rheinland Ausdruck einer ironischen Bewunderung. Die scherzhafte Wirkung beruht auf dem Wortspiel von ›Leute‹ und ›Läuse‹, die dann, die Ironie steigernd, desillusionierend von den Läusen nicht weiter als bis zu den Flöhen gelangt.Auch als Schelte wird die Laus häufig verwendet (z.B. Lausejunge, Lausebengel, Lausekalt, Lausenest = Kleinstadt, Lauserechen oder -harke = Kamm). Im Kinderreim des Nahegebietes heißt es:Schimbe, Schimbe (Schimpfen) dout net weh!Wer mich schimbt hot Leis un Fleh.Leis un Fleh gen WanzeSolle dem domme Schimber om Kob erom danze.Eine rheinhessische Schelte findet sich in Carl Zuckmayers ›Schinderhannes‹ (3. Akt): »Läus sollste kriege unn e kurz Armche, daß de nit kratze kannst«. Im Rheinland sagt man den durstigen Kindern (seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert): ›Trink nicht soviel Wasser! Du kriegst Läus in den Bauch!‹; gemeint ist wohl: davon wird der Bauch kribbeln, als wären Läuse darin. Als Ludwig Uhland mit dem Stadtbibliothekar Robert Naumann die Leipziger Biere probierte, lehnte er das eine ab mit den Worten: »Von dem Bier kriegt mr Läus«, d.h., es bereitete ihm Kribbeln am Kopf. Wenn man bei Müdigkeit einen Juckreiz am Kopf verspürt, sagt man, man habe Schlafläuse.Jemanden zerquetschen wie eine Laus: ihn im Handumdrehen vernichten. Die Wendung wird meist als grobe Drohung verwendet.Eine Brust haben, daß man eine Laus darauf knacken kann: eine feste, stramme Brust haben.›Ik denke, mir laust der Affe‹ ⇨ Affe.Von einer ›Lausigen Kälte‹ ist die Rede, wenn es bitterkalt ist. Hier wird das Adjektiv ›lausig‹ zur Steigerung gebraucht. Badisch ›I ha Lüs un du häsch Lüs‹, d.h. wir sind quitt. ›I las mr kai Luus in de Pelz setze‹: ich lasse mir keine Schwierigkeiten machen, ich lasse mir nichts anhängen.Daneben die Schimpfwörter: ›Lausbub‹, ›Lauser‹ oder›Lausnickel‹.• WANDER II, Spalte 1822-1829; GÖHRING, Nr. 220, S. 124 (mit zweifellos irriger Erklärung); O. KELLER: Die antike Tierwelt (Leipzig 1913), S. 395-398; A. WIRTH: Artikel›Laus‹, in: Handbuch des Aberglaubens V, Spalte 933-938; L. RÖHRICH: Sprichwörtliche Redensarten in bildlichen Zeugnissen, S. 74; L. SCHMIDT: Sprichwörtliche deutsche Redensarten, in: Österreichische Zeitschrift für Volkskunde, N.S. 28 (1974), S. 109.Laus im Pelz. Karikatur von Haitzinger, vom 3.X.88. Aus: Badische Zeitung., vom 5.X.1988.Einem eine Laus in den Pelz setzen. Holzschnitt, Murner: Schelmenzunft. 1512.
Das Wörterbuch der Idiome. 2013.