Leder

Leder
wird in mehreren Redensarten übertragen für die menschliche Haut gebraucht, z.B. Einem das Leder gerben (versohlen): ihn heftig verprügeln, ›Durchledern‹; ›Durchwalken‹; vgl. französisch ›tanner le cuir a quelqu'un‹; die Redensart ist eine Parallelbildung zu ›Das Fell gerben‹, Fell; westfälisch ›dat Leader wasken‹; Einem das Leder über die Ohren ziehen ist eine Parallelbildung zu ›Einem das Fell über die Ohren ziehen‹. Einem ans Leder wollen: jemandem etwas Unangenehmes zufügen wollen. Vgl. französisch ›vouloir rentrer dans le lard a quelqu'un‹ (wörtlich: einem an den Speck wollen). In besonders eindringlicher Rede heißt es in Johann Fischarts ›Gargantua‹ (194b): »Es juckt ihn die Haut, man muß sie ihm gerben, man muß ihm mit einem eichenen Flederwisch die Leuß abstrelen, man muß ihm hinders Leder wischen«. In Grimmelshausens ›Simplicissimus‹ wird geschildert, wie »man einander hinters Leder kompt und die Fell zerreißt«. Der Barockschriftsteller Schuppius verteidigt sich, »weil itzo so mancher grammatikalische Mußquetirer mir an das Ledr wil« (d.h. ihm am Zeug flicken will). Jean Paul ermutigt im ›Titan‹: »Seien Sie doch kein Hase, und stoßen Sie ihm derb aufs Leder«. In Schillers ›Kabale und Liebe‹ (II,4) droht der Musikus Miller: »Wenn ich ihm nicht ... alle zehn Gebote und alle sieben Bitten im Vaterunser und alle Bücher Mosis und der Propheten aufs Leder schreibe, daß man die blauen Flecken bei der Auferstehung der Toten noch sehen soll«.
   Aus anderer (Leute) Leder Riemen schneiden: auf Kosten anderer freigebig sein. Kein Sitzleder haben: aus Unruhe und Nervosität nicht ruhig sitzen können, kein stetiger Arbeiter sein.
   Vom Leder ziehen: angreifen, scharf vorgehen, losschlagen, sich rücksichtslos äußern. In dieser Redensart ist unter Leder die lederne Schwertscheide zu verstehen; vgl. französisch ›dégainer‹ (wörtlich: aus der Schwertscheide ziehen): sich duellieren. Ein altes Beispiel hierfür bietet des Meistersingers M. Behaim ›Buch von den Wienern‹ (142,30):
   Da zugen sy von leder,
   zu der wer graiff yedweder.
Hier ist die Wendung noch nicht in übertragener Bedeutung, sondern noch ganz im realen Sinn der Waffen gebraucht. Ebenso bei Luther: »Und zeuch denn von Ledder, und schlahe drein in Gottes Namen«. Der Barockdichter Weckherlin ruft auf: »Ho, Schweizer, Kotz Kreuz, zeuch von Leder«. Im ›Simplicissimus‹ liest man (1. Buch, Kapitel 25): »Aber ich irrte, dann der Beleidigte zog von Leder, und versetzte dem Täter eine Wunde dafür an den Kopf«. Das 16. und 17.
Jahrhundert, dem das konkrete Bild der Redensart noch klar vor Augen stand, kennt noch viele Abwandlungen der Wendung. Deutlich in übertragener Bedeutung braucht sie dagegen Jean Paul: »Wir (Deutsche) ziehen in Büchern keck vom Leder und zeigen, wo uns das Herz sitzt«.
   Jemandem auf dem Leder sitzen: ihn fortwährend beaufsichtigen (vgl. ›Jemandem auf der Pelle sitzen‹), Pelle. Die Redensart stammt vielleicht aus der Bergmannssprache, hergeleitet von dem halbrund geschnittenen Leder, auf dem der Bergmann bei seiner Arbeit zu sitzen pflegt. Möglich oder sogar wahrscheinlicher ist aber auch hier die seit mittelhochdeutscher Zeit verbreitete derbe Bedeutung Leder = menschliche Haut. Sicherlich aus der Bergmannssprache stammt jedoch der sprichwörtliche Ausdruck ›Viel Bergleute, viel Arschleder‹, d.h. viel Köpfe, viel Sinne. Die Wendung Vom Leder und (oder) von der Feder geht gleichfalls auf die Bergmannssprache zurück. Damit wurden ursprünglich die beiden Arbeitnehmergruppen im Bergbau unterschieden: der mit der Hand Arbeitende und der in der Planung oder Verwaltung Tätige. Diese Unterscheidung wurde dann allgemein im Sinne des Unterschieds zwischen geistig und körperlich Arbeitenden gebraucht. So schreibt im 18. Jahrhundert Justus Möser in seinen ›Patriotischen Phantasien‹ (2,261): »... daß einige Einwohner der Stadt, sie seien nun von Leder oder von der Feder, wähnen, sich zur Bühne geschickt zu machen«. Am 4. Mai 1873 berichtet das ›Frankfurter Journal‹ zur Weltausstellung: »Der Landwirt, der Handwerker, die Leute von der Feder wie die vom Leder, welche von allen Enden der Erde herbeikommen, sie sehen und hören jeder in seinem Fache Neues, Nachahmenswertes«.
   An der Mosel ist die Einladungsformel ›Dau kimms doch of de Lederwein‹ gebräuchlich. Der Lederwein ist der frisch abgestochene Wein, der früher durch den Lederschlauch lief, vor allem der Wein, der beim Abstich des verkauften Weines getrunken wurde; dazu fanden sich gern Nachbarn und Freunde ein.
   Da muß der Hund Leder gefressen haben Hund; Ausreißen wie Schafleder ausreißen; Darauf losarbeiten (zuschlagen), was das Leder hält Zeug.
• K-A. TIEMANN: Artikel ›Leder‹, in: Handbuch des Aberglaubens V, Spalte 996-1003; H. EBERHARDT (Hrsg.): Deutsches Ledermuseum (Offenbach 1956).

Das Wörterbuch der Idiome. 2013.

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