- Leviten
- Einem die Leviten lesen, auch Die Epistel, die Kapitel, die Lektion, den Text lesen: ihm einen Verweis erteilen, ihn zurechtweisen. Der Ursprung dieser Wendungen ist alt. Um das Jahr 760 stellte der Bischof Chrodegang von Metz zur Besserung der verwilderten Geistlichkeit einen Kanon nach Art der Benediktinerregel auf. Dieser verpflichtete die ›Canonici‹ zu gemeinschaftlichem Speisen und Schlafen, zu gemeinsamem Gebet und Gesang, ferner zu bestimmten Versammlungen mit besonderer Buß- und Andachtsübung. Da pflegte ihnen der Bischof oder dessen Stellvertreter einen Abschnitt aus der Bibel, insbesondere aus dem dritten Buch Mosis (›Leviticus‹ genannt, weil es hauptsächlich Vorschriften für Leviten, d.h. Priester enthält), ferner aus Satzungen, die in ›Capitula‹ eingeteilt waren, vorzulesen; in der Regel knüpften sich hieran ermahnende und strafende Reden. Daher wohl die Redensart, die auch durch spätere kirchliche ›Strafpredigten‹ in wechselnder Form erneuert worden sein kann. In dem Gedicht ›Des Teufels Netz‹ aus dem Anfang des 15. Jahrhundert, in dem die Laster aller Stände gegeißelt werden, heißt es V.10476:Da will ich dir denn ein letzgen (Lektion) lesen,Daz si niemer me mag genesen.Eine andere Handschrift hat statt ›letzgen‹ das Wort ›Leviten‹. In einem spätmittelalterlichen Schauspiel, das sich in Franz Josef Mones Sammlung ›Schauspiele des Mittelalters‹ (1846, Band II, S. 280) findet, wird Petrus angeredet:Man mües dir ouch die leviten lesen,Du bis by Jhesu von Gallile gewesen.Hans Sachs sagt von einem Heruntergeputzten:Im wardt der harnisch wol gefegt.Sie las im sein legendt so kurz.Gelegentlich tritt das Wort ›Levit‹ auch kurzweg in der Bedeutung ›Strafpredigt‹, ›Verweis‹ auf, so im ›Deutschen Grandison‹ von 1755: »Ich geb' ihm mit meiner gewöhnlichen Sanftmut ganz gelassen einen kleinen Leviten«. Vgl. auch die Redensart ›Einen ins Gebet nehmen‹, ⇨ Gebet.• G. FOHRER: Artikel ›Leviticus‹, in: Religion in Geschichte und Gegenwart IV, Spalte 339-340.
Das Wörterbuch der Idiome. 2013.