Mensch

Mensch
Einen neuen Menschen (Adam) anziehen ( Adam): sich (zum besseren) ändern; die Wendung ist biblischer Herkunft und hat ihren Ursprung in Eph 4,22.24: »Leget von euch ab den alten Menschen ..., und ziehet den neuen Menschen an« und Kol 3,9.10: »ausgezogen den alten Menschen mit seinen Werken und angezogen den neuen«; entsprechend niederländisch ›den ouden mensch afleggen‹. Ein ganz neuer (anderer) Mensch werden: sich grundlegend ändern, wobei die Veränderung des Menschen zum schlechteren hin nicht ausgeschlossen ist.
   Etwas für seinen inneren (äußeren) Menschen tun: dem Körper oder Geist etwas Gutes, Wohltuendes zukommen lassen, indem man sich z.B. erholt, neu einkleidet, sich weiterbildet etc. Die Redensart läßt sich auf Röm 7,22 zurückführen, wo vom Geist, der Seele des Menschen als innerem Menschen im Gegensatz zu seiner körperlichen Existenz, dem äußeren Menschen gesprochen wird.
   Jemanden zu einem Menschen machen: eine Person ihrer wahren menschlichen Bestimmung zuführen, ihr aus Leid oder Verfehlungen heraushelfen, sie zu einem wertvollen Mitglied der menschlichen Gemeinschaft erziehen; auch euphemistische Umschreibung für sinnlosen Kasernenhofdrill.
   Kein Mensch mehr sein: weder Verstand noch Vernunft gebrauchen, alle menschlichen Gefühle vermissen lassen. In hochgradiger Erregung (Kummer, Ärger, Zorn, Verzweiflung) den Eindruck vermitteln, unvernünftige Reaktionen zu zeigen, die scheinbar denen von Tieren gleichen. Mundartlich war diese Redensart besonders im 19. Jahrhundert geläufig. Die lateinische Literatur kennt dafür die Bezeichnung ›non homo‹ (z.B. Petronius), welche dem deutschen Begriff ›Unmensch‹ zugrunde liegt.
   Wieder Mensch sein: sich nach einer Strapaze, einer körperlichen oder geistigen Anstrengung, nach einer schweren Erkrankung erholen und sich wieder wohlfühlen und seinen bisherigen Interessen leben können. Nur ein halber Mensch sein: körperlich oder seelisch sehr angegriffen, erschöpft sein, auch: sehr abgemagert sein, sich in einer schlechten geistigen Verfassung befilnden.
   Jemanden wie einen Menschen zweiter Klasse behandeln: jemanden sehr herablassend, von oben herab behandeln; ihm gegenüber sehr überheblich tun. Man ist ja nur ein Mensch oder: Wir sind doch alle nur Menschen heißt es zur Entschuldigung von Schwachheiten oder Vergehen. Man will damit ausdrücken, daß nicht mehr gefordert werden kann, als das, was in eines Menschen Kraft steht. In Pommern heißt es: ›Ik bin dog man ên Mensch!‹ Die Wendung ist bereits bei Petronius lateinisch belegt: ›Homines sumus, non dei‹.
   Es gibt Menschen, es gibt auch Hirsche: mit dieser Wendung werden Handlungen eines Menschen kommentiert, die verkehrt und töricht wirken und die den handelnden Menschen als unbesonnen und unüberlegt kennzeichnen. Die Redensart stellt dem normalerweise besonnenen, vernünftigen Wesen des Menschen den Hirsch als unüberlegt und kopflos gegenüber. Die Wendung ist besonders in Rheinhessen verbreitet: ›'s gebt Mensche, 's gebt aach Hersch!‹ In dieser Form erscheint sie in dem Roman ›Daheim‹ (1908) von W. Holzamer.
   Wie der erste Mensch (auch Wie die ersten Menschen): weltunerfahren, unwissend, unmodern, töricht, unbeholfen; soldatensprachlich seit dem 1. Weltkrieg, dann in allgemeine Umgangssprache übergegangen.
   Wie der letzte Mensch sein: vor allem äußerlich in verwahrlostem Zustand sein, ungepflegt sein. Die Wendung ›Die letzten Menschen‹ wird als Titel eines literarischen Werkes wörtlich verstanden, so bei Fr. Jacobsen, Hans Schmidt (1887) und Wolfgang Kirchbach (1890).
   Mit jemandem von Mensch zu Mensch sprechen: in vertraulichem Ton, ohne konventionelle Schranken zu berücksichtigen, offen miteinander reden. Das geht den Menschen wie den Leuten: das geht allen so. Hier wie in den drei folgenden Redensarten wird der Begriff ›Mensch‹ im Sinne von allen Menschen, jedermann gebraucht. Das kann einem Menschen passieren, der Frau und Kinder hat: das kann jedem Mann zustoßen, selbst einem, der große Lebenserfahrung besitzt.
   Unter Menschen gehen: sich in Gesellschaft begeben, sich der menschlichen Gemeinschaft nicht fernhalten, seiner Trübsal und Einsamkeit entfliehen.
   Mensch und Vieh verrückt machen: jedermann in Aufregung versetzen.
   Das wird einem alten Menschen sauer: in der Niederlausitz sagt man das vor allem spottend zu oder von einem jungen Menschen, der schon bei kleinster Anstrengung stöhnt.
   Der Mensch, das unbekannte Wesen: Redensart, die die Unwissenheit des Menschen über sich selbst ausdrückt; ursprünglich ein Buchtitel: ›Man – the unknown‹ von Alexis Carrel (1873-1945), erschienen 1935 in Amerika, deutsche Übersetzung 1936.
   Ein Mensch mit drei Buchstaben sein: ein in der Öffentlichkeit bekannter Mensch sein, dessen Name dreiteilig ist und sich so zu drei Buchstaben abkürzen läßt; z.B. Franz Josef Strauß = FJS. Die ursprünglich lateinische Redensart ›Homo trium litterarum‹ bezeichnet zunächst einen Dieb (lateinisch ›fur‹), wurde später auch auf hochstehende Persönlichkeiten angewandt: L.C.S. = Lucius Cornelius Sulla; G.J.C. = Gajus Julius Caesar.
   Er ist heute keines Menschen Freund: Er ist verdrießlich gestimmt, er hat schlechte Laune.
   Ein Menschenfreund sein: auf Gewaltanwendung verzichten; ursprünglich berlinisch seit etwa 1900, jetzt allgemein umgangssprachlich geläufig.
   Aus ihm wird kein Mensch klug: niemand versteht seine Handlungen, niemand durchschaut ihn. Die Negation von ›Mensch‹ erhält hier die Bedeutung von ›niemand‹; so auch: ›A ginnt kem Mensche nischt‹: er gönnt niemand etwas
   Keine Menschenseele Niemand.
   Mensch!: gemütliche oder erzürnte Anrede; vermutlich aus der Dichtersprache des 19. Jahrhunderts übernommen (»O Mensch, gib acht!«). In Ostpreußen drückte man sein Erstaunen aus, wenn man ausrief: ›O Mensch, drâchtiger‹.
   Mensch Meier! erstaunte Anrede; ihre Herkunft ist ungeklärt; die Wendung ist erst im 20. Jahrhundert aufgekommen, wahrscheinlich Erweiterung der gemütlichen Anrede ›Mensch‹ oder auch ›Menschenskind‹. Erstmals 1941 literarisch vermerkt; 1978 Titel eines Volksstückes von F.X. Kroetz.
   ›Mensch ärgere dich nicht‹; auch redensartlich gebrauchter Name eines beliebten Würfelspiels. Das Spiel wurde 1911 in Berlin von F.J. Schmidt entworfen (die Grundidee ist schon altindisch). Inzwischen hat sich das Spiel über die ganze Welt verbreitet (Gesamtauflage bisher 50 Millionen).
   Das Mensch: hiermit wird eine besonders große Verachtung ausgedrückt. Im Bairischen war ›das Mensch‹ ursprünglich die nicht wertgebundene Bezeichnung für einen weiblichen Dienstboten (Magd) und hat sich bis ins 17. Jahrhundert hinein in Deutschland als Neutrum ohne verächtlichen Nebensinn gehalten; erst im 18. Jahrhundert wurde ›das Mensch‹ zur Bezeichnung ehrloser weiblicher Personen wie Dirnen, Schlampen usw. Die oberösterreichische Redensart ›Dös is a Mensch, das man mit koan Prüg'l daschlaga kunt‹ bezieht sich auf eine wenig geachtete Frau, während sich die Redensarten ›Wenn 'k dat Minsch ansich, fall'n mi alle mine Sünden bi‹ oder ›... fehl'n mi immer sechs Drîer‹ auf einen Mann oder eine Frau beziehen können.
   Der Abschaum der Menschheit sein; Zum Abschaum der Menschheit gehören: ein verdorbener, schlechter, ehr- und tugendloser Mensch sein. Die Redensart geht auf die griechische Textfassung von 1 Kor 4,13 zurück; Lutherübersetzung: ›Ein Fluch der Welt‹.
   Es menschelt: ein hoher Würdenträger läßt erkennen, daß auch er mit menschlichen Schwächen behaftet ist; vor allem oberdeutsch geläufig; auch: Sich menschlich zeigen; schwäbisch ›menschlen‹: nicht besser sein, als die Menschen es gewöhnlich sind: ›Es menschlet bei ihm halt auch‹; ›es menschelt bis vor Gottes Thron‹, Redensart im Badischen; schweizerisch ›menschelen‹: allgemein: menschliche Gebrechlichkeit an sich haben. In ähnlicher Bedeutung wird auch gern der Ausdruck Menschliches, Allzumenschliches gebraucht, ursprünglich der Titel einer 1878 von Nietzsche erschienenen Schrift.
   Einem ist nichts Menschliches fremd: man hat sehr viel Verständnis für alles. Diese Feststellung beruht auf einem lateinischen Zitat: ›Homo sum; humani nil a me alienum puto‹: ›Ich bin ein Mensch; nichts Menschliches ist mir fremd‹ (Terenz: ›Heautontimorumenos‹ I, 1, 25). Augustus teilt in den ›Epistolae‹ 155, IV,14 mit, daß diese Redensart bei den Römern im Theater immer großen Beifall gefunden habe. Vgl. auch Goethes Spruch: »Denn ich bin ein Mensch gewesen ...« im ›West-östlichen Divan‹. Es läuft immer etwas Menschliches mit unter: jedem Erzeugnis des Menschen sieht man an, daß es menschlicher Herkunft ist; Wander erklärt: »Die Hand des Menschen blickt überall hervor«. Vgl. niederländisch ›Er loopt al tijd wat menschelijks onder‹.
   Ein menschliches Rühren verspüren: seine gnadenlose Härte überwinden, durch das Beispiel treuer Freundschaft überwältigt werden, sein Herz sprechen lassen. Ursprünglich bezieht sich diese Redensart auf ein Zitat aus Schillers ›Bürgschaft‹, wo es von dem Tyrannen heißt: »Der fühlt ein menschliches Rühren«. Heute wird die Redensart meist scherzhaft profaniert verwendet. sie umschreibt den Drang des Menschen, sich zu entleeren, seine Notdurft zu verrichten, aber auch seine Hunger- und Durstgefühle.
   Kein Menschenfresser sein: niemandem etwas tun, umgänglich sein; ein Mensch sein, mit dem man reden kann: vor dem man keine Angst zu haben braucht.
   Jemanden auf die Menschheit loslassen: eine fertig ausgebildete Person aus Schule oder Lehre entlassen; ironisch angewandt.
   Seit Menschengedenken: soweit die Überlieferung zurückreicht, solange man sich zurückerinnern kann; vgl. lateinisch ›Post homines natos‹ (Cicero). Jean Paul schreibt: »Eine alte Sage von Wundern und Zaubereien, schreckt seit Menschengedenken die Schiffer ab, sich ihr (= der Insel) zu nähern« (›Quintus Fixlein‹). Ist das (denn) die Menschenmöglichkeit?: Ausruf der Verwunderung, des Erstaunens; schweizerisch ›Ist das au menschenmügli?‹. Die ältere Formel heißt: ›Menschlich und möglich‹.
   Das sagt einem doch der gesunde Menschenverstand: zu diesem Ergebnis kommt man durch die natürliche Denk- und Urteilsfähigkeit; dazu braucht man keine gelehrte Auseinandersetzung, kein Bücherwissen.

Das Wörterbuch der Idiome. 2013.

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