Perle

Perle
(Die) Perlen vor die Säue werfen: Edles, Gutes und Schönes dem bieten, der es nicht zu würdigen versteht. Die Redensart ist biblischen Ursprungs: »Ihr sollt das Heiligtum nicht den Hunden geben, und eure Perlen sollt ihr nicht vor die Säue werfen, auf daß sie dieselbigen nicht zertreten mit ihren Füßen und sich wenden und euch zerreißen« (Mt 7,6; Vulgata: »Neque mittatis margaritas vestras ante porcos, ne forte conculcent pedibus suis«).
   Bei ihrer Interpretation der Bibelstelle fragen H. und R. Kahane nach der Bedeutung der Perlen in diesem Zusammenhang und verweisen auf eine Tradition der byzantinischen Kirche, wo das geheiligte Brot, als kleine Brocken zerkrümelt, margaritas (griech.) genannt wurde und das Neugriechisch Perlen und Brotkrümel immer noch mit demselben Begriff bezeichnet. So wäre die Bibelstelle sinngemäß zu übertragen:
   ›Wirf nicht den Hunden das geheiligte Fleisch und den Schweinen das geheiligte Brot vor‹. Besonderes Gewicht gewinnt diese Interpretation, wenn man bedenkt, daß im jüdischen Glauben die Tiere Symbole der Unreinheit sind, während Heiligem die absolute Reinheit anhaftet.
   Das redensartliche Bild ist schon vor der Lutherischen Bibelübersetzung im Deutschen geläufig. Es findet sich z.B. in der altbairischen Predigtsammlung ›Speculum ecclesiae‹ aus dem 12. Jahrhundert: »man sol diu mergriezer (Perlen) vur diu swîn niht giezzen«; die Wendung erscheint ferner um 1230 in Freidanks Lehrgedicht ›Bescheidenheit‹ (123,6):
   Swer berlîn schüttet für die swîn,
   Diu mugen niht langer reine sîn.
Vollkommen frei schaltet Hugo von Trimberg in seinem Lehrgedicht ›Renner‹ (V. 6302ff.) mit der überlieferten Formel; er klagt:
   daz zuht, scham, kunst und witze
   fleischlichem gelust entwîchen müezen
   und under der gîtekeit (Gier) füezen
   ligen als vor swînen edel gesteine.
In niederdeutscher Form bucht 1513 Tunnicius die sprichwörtliche Redensart: »Men sal de perlen nicht vor die swyne werpen«. Auch dem Englischen und dem Französischen ist sie geläufig (›to throw pearls before swine‹; ›donner des perles aux porcs‹ und ›jeter ses perles aux pourceaux‹). Niederländisch heißt es außer ›paarlen voor de zwijnen werpen‹ auch synonym: ›rozen voor de varkens strooien‹. Die Szene ist auch oft von den niederländischen Bildschnitzern dargestellt worden, z.B. in Aerschot, Hoogstraeten, Dordrecht und anderorts. Auf allen niederländisch-flämischen Skulpturen dieser Redensart und ebenso auf dem späteren Bilderbogen werden nicht Perlen, sondern Blumen den Schweinen vorgeworfen, wobei wahrscheinlich eine Verwechslung von lateinisch ›margarita‹ = Perle und französisch ›marguerite‹ = Gänseblümchen, die Margarite, vorliegt. Hier zeigt sich ein deutlicher Übersetzungsunterschied zwischen niederländischer und deutscher Tradition aufgrund derselben biblisch-lateinischen Quelle. Wo die Szene mit Blumen auf deutschen Chorgestühlen vorkommt, wie z.B. in Kempen am Niederrhein, da ist die Mitarbeit oder das unmittelbare Vorbild flämischer Künstler anzunehmen. – Parodistisch: ›Falsche Perlen vor echte Säue werfen‹.
   Er sitzt drin wie die Perle im Golde sagt, man scherzhaft von einem Herrn, der zwischen mehreren Damen sitzt. Ihm fällt eine Perle aus der Krone: er vergibt sich etwas; Parallelbildung zu ›Ihm fällt ein Stein aus der Krone‹, Krone.
   Das deutsche Wort ›Perle‹ leitet sich von lateinisch ›pirula‹ ab, was ›kleine Birne‹ bedeutet. Als ›Perle‹ wird auch die Zugehfrau, die Hausdame oder manchmal auch die Hausfrau bezeichnet, wie z.B. in einem Sprichwort: ›Ein kluges Weib ist eine Perl' im Hause‹. Ein verbreiteter Aberglaube sieht in den Perlen, von denen man träumt, Vorboten kommenden Leids: ›Perlen bedeuten Tränen‹. Literarisch zuerst bei Lessing, ›Emilia Galotti‹ (1772) (II, 7,8).
   Es ist nicht so wie Perlen anfädeln: die Sache ist schwerer, als sie anfänglich erscheint. Den entsprechenden redensartlichen Vergleich gibt es auch französisch: ›Ce n'est pas pour enfiler des perles‹.
   Dagegen meint die Redensart: Etwas ist doch kein Perlenstück: eine Sache ist nicht so schwierig, wie sie zu sein scheint. Diese Redensart wird gesagt, um einen Unentschlossenen oder Unmutigen zu ermuntern; sie entstand in Anlehnung an ›Meisterstück‹, ›Heldenstück‹, hat jedoch mit dem Wort ›stück‹ ursprünglich nichts zu tun, sondern kommt von der heute ausgestorbenen Handarbeitskunst des Perlenstickens. Im Laufe der Zeit ist der Bezug zum Ursprung nicht mehr nachvollziehbar gewesen. Die Redensart wurde – um wieder sinnvoll zu erscheinen – einer anderen lautlich angeglichen. 1611 sagt ein Prediger in den ›acta colloquiorum reverendi ministerii Brunsvicensis‹ (Stadtbibliothek in Braunschweig) zu einem Mädchen: »Was sie nicht wüßte, könnte sie lernen, es wäre ja kein Perlensticken«.
• V. LOVELING: Eene parel op het oog, in: Volkskunde 13 (1900/01), S. 14-19; o. Schütte: Das ist doch kein Perlenstück, in: Zeitschrift für den deutschen Unterricht 18 (1904), S. 65; D. MCGILLIVRAY: Pearls before swine (Matthew VII, 6), in: Expository Times 27 (1915/16), S. 46; A.M. PERRY: Pearls before swine, in: Exposito-
ry Times 46 (1934/35), S. 381-382; SINGER III, 83; G. CASTELLINI: Struttura letteraria di Mt. 7, 6, in: Rivista biblica 2 (1954), S. 310-317; T.F. GLASSON: Chiasmus in St. Matthew VII. 6, in: Expository Times 68 (1956/57), S. 302; L. RÖHRICH: Sprichwörtliche Redensarten in bildlichen Zeugnissen; H. und R. KAHANE: Pearls before swine? A reinterpretation of Matthew 7, 6, in: Traditio 13 (1957), S. 421-424.
Perlen (Rosen) vor die Säue streuen. Detail aus einem Bilderbogen aus Ost-Flandern, um 1700.
Perlen (Rosen) vor die Säue streuen. Misericordiendarstellung in Hoogstraezen /Niederrhein.
Perlen (Rosen) vor die Säue streuen. Misericordiendarstellung in Hoogstraeten, 16. Jahrhundert.
Perlen (Rosen) vor die Säue streuen. Misericordiendarstellung in Aarschot.

Das Wörterbuch der Idiome. 2013.

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