- Rohrspatz
- Schimpfen wie ein Rohrspatz (auch wie ein Rohrsperling), ostfriesisch ›he schellt as'n Reitlünink‹. Alwin Voigt (Programm der 1. Realschule zu Leipzig [Leipzig 1892]) sagt über diesen Vogel (Acrocephalus turdoides): »aus den Schilffeldern, welche die Ufer umsäumen, ruft ein Vogel ohne Unterlaß karra, kara, karrn – kint, kint, kint, weshalb man ihn in Holland Karrakind nennt. Das Karra-Karrn macht ganz den Eindruck, als sei es dem Froschkonzert entlehnt; das Kint-Kint klingt mehr rufend oder schreiend als pfeifend und liegt mindestens eine Quinte höher als das Schnarren und Karren«. Der redensartliche Vergleich selbst ist aus dem 18. Jahrhundert belegt, z.B. bei G.A. Bürger:Sie schimpfte wie ein Rohrsperling,Wenn man sie wollte necken,bei Wieland (›Pervonte‹,2. Teil, V.56): »und wie ein Rohrspatz auf mich schimpfet«.Zelter an Goethe (6.-9. Nov. 1830): »Alle (Personen in Grillparzers ›Medea‹) quälen sich und schimpfen wie die Rohrsperling«.Rohrspatz ist der volkstümliche Name des Drosselrohrsängers, Acrocephalus arundinaceus, auch Rohrschliefer, Rohrsperling, Flußnachtigall, großer Spitzkopf u.a. genannt. Der Ornithologe Naumann schreibt über diesen Vogel: »Seine Lockstimme ist ein schnalzendes tiefes Tack oder Zatsch und ein knarrender Ton, dumpfer und gröber als das Knarren der Nachtigall. Dies tiefe schnarchende Karr oder Scharr hört man besonders, wenn er etwas Auffallendes in seiner Nähe bemerkt. In der Angst stößt er harte schäckernde Töne aus, die der Stimme eines Würgers ähneln, und die Jungen haben, solange sie der elterlichen Pflege bedürfen, eine quäkende Stimme, die dem Lockton des Bergfinken gleicht. – Das Männchen läßt seinen sehr lauten und nicht unangenehmen Gesang hören, sobald es im Frühjahr bei uns ankommt. Es gibt Liebhaber, die ihn schön finden und sehr gern hören, er klingt auch, besonders des Nachts oder in der Dämmerung, höchst angenehm, zumal weil er auf dem Wasser so widerhallt und der Ton dadurch verstärkt wird; allein es gibt auch viele Menschen, welche ihn schlecht finden und die Töne mit dem Quaken der Laubfrösche vergleichen. Ganz unrecht haben denn nun diese auch nicht; denn das Kärr kärr kärr – Dore dore dore – karre karre karre kai kei ki – karra karrakied u.a. ähnliche Strophen haben wirklich viel Ähnlichkeit mit Froschmusik ...Ihre Unruhe und Zanksucht treibt sie bald hier-, bald dahin, und wo mehrere Pärchen beisammen nisten, nimmt der Hader kein Ende ... Ihre Zanksucht ist indessen meist nur gegen ihresgleichen gerichtet; mit anderen befiederten Bewohnern des Rohres leben sie häufig in friedlicher Nachbarschaft beisammen«.In Mecklenburg hat das Volk der sonderbaren Melodie einen entsprechenden Text unterlegt: ›Korl, Korl, Kort, Korl? Kikik Kikik – Wecker, wecker, wecker, wecker? – De Dick, de Dick, de Dick!‹ (Karl, Karl, guck, guck! – Welcher, welcher? – Den Dicken, den Dicken!).• Brehms Tierleben, hg. von O. zur Strassen, Vögel, Band IV (Leipzig – Wien 4. Auflage 1913), S. 82ff.; NAUMANN: Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas (Gera o.J.), II,52; E. INGERSOLL: Birds in Legend, Fable and Folklore (Neudruck Detroit [Michigan] (1968); C.H. TIPPHAGEN: Fåglarna i folktron (Stockholm 1978); E. UND L. GATTIKER: Die Vögel im Volksglauben (Wiesbaden 1989), S. 69-70.}Rohrspatz (›Schimpfen wie ein Rohrspatz‹). Brehms Tierleben, Vögel IV, Leipzig und Wien 1913, S. 83.
Das Wörterbuch der Idiome. 2013.