Rute

Rute
Sich selbst eine Rute (auf)binden: eine lästige Verpflichtung eingehen, sich selbst etwas Unangenehmes aufhalsen.
   Sich die Rute selber flechten: eine Last selbst verschulden. Die Redensart entsprach in Zeiten der Leibeigenschaft durchaus der Wirklichkeit: der zu Züchtigende mußte sich tatsächlich zuweilen die Rute, mit der er geschlagen wurde, selbst binden. Hinterher hatte er noch zu seinem Herrn zu sagen: ›Ich danke für gnädige Strafe‹, eine Redensart, die heute noch im Kartenspiel von dem gebraucht wird, der verloren hat. Erasmus von Rotterdam führt 1528 in den ›Adagia‹ (1, 1, 86) die Redensart in lateinischer Form an: »Flagellum ipse paravit, quo vapularet« (er hat die Peitsche selbst bereitet, mit der er Prügel erhalten soll). 1513 verzeichnet Tunnicius (Nr. 712): »Mannich maket eyne rode tot synen egen stêrte«; ähnlich in den zahlreichen Sprichwörter-Sammlungen des 16. Jahrhunderts. Sinnverwandte Wendungen sind: »Im selbs ein galgen aufrichten« (1561 bei Maaler); »Mancher schnitzt jhm selbst ein Creutz« (1639 bei Lehmann, S. 83). Literarisch noch im 19. Jahrhundert, z.B. bei Immermann (›Münchhausen‹ IV, Kapitel VII): »Ist's aber der letztere, dann haben sich die Herren eine Rute gebunden, des sie mich ins Haus nahmen!«
Französisch lautet dieselbe Redensart: ›Se donner des verges pour se fouetter‹; englisch ›You gather a rod for your own breech‹ (du pflückst die Rute für deinen eigenen Hintern).
   Mit eiserner Rute regieren: mit großer Strenge, geht zurück auf Offb 2,27.
   Sich unter jemandes Rute beugen: sich seiner Herrschaft unterwerfen; vgl. französisch ›se plier sous le fouet de quelqu'un‹.
   Früher spielte die Rute in der Kindererziehung eine wichtige Rolle, als Relikt erscheint sie noch heute im Nikolausbrauch.
   Die Rute küssen (müssen): verdiente Strafen demütig, sogar dankbar hinnehmen (müssen).
   Die Redensart entsprach tatsächlichem Brauch: Kinder, die straffällig wurden, mußten die Rute, mit der sie geschlagen wurden, küssen, zum Zeichen der Erkenntnis, die Züchtigung ›verdient‹ zu haben und sie zur ›Besserung‹ zu benötigen. Ähnlich: Die Rute nicht scheuen: sich willig der Strafe beugen, die zum Besten des Kindes ausgegeben wurde.
   Im Sprichwort spielt die Rute als Züchtigungsinstrument eine verhältnismäßig große Rolle: ›Die liebe Rute tut alles Gute‹; oder es heißt in Formeln repressiver Erziehung: ›Pferde ohne Zaum – Kinder ohne Rut' tun nimmer gut‹ und ›Strafe muß sein‹. Geiler von Kaysersberg schrieb in seinem ›Christlichen Pilger‹:
   Liebe Ruot, traute Ruot,
   waerest du nit,
   ich thet nimmer guot.
Ein deutsches Gedicht aus dem 16. Jahrhundert lautet:
   Grüß dich, du edles Reise,
   dein Frucht ist Goldes werth,
   der jungen Kinder Weise,
   du machst sie fromm und gelehrt.
   Beugst ihren stolzen, wilden Mut,
   nicht besser Holz wird funden,
   Erfahrung bringen tut.
• ANONYMUS: Unterricht in Sprichwörtern durch passende Erzählungen, Fabeln und Erklärungen für Lehrende und Lernende, Schule und Haus, Jugend und spätere Lebensjahre (Duisburg 1838); A. DAVID, S. J.: Die Erziehung nach dem Sprichwort. Winke und Fingerzeige zur Erziehung der Kinder (Paderborn 1889); W. HÄVENLICK: »Schläge« als Strafe (Hamburg 4. Auflage 1970); W. MIEDER: International Proverb Scholarship. An Annotated Bibliography (New York und London 1982), S. 556: Stichworte »education« und »educational«; K.J. BRONDEGAARD: Birken som ›Visdommens Trae‹, in: Tradisjon 13 (1983) S. 93-99.

Das Wörterbuch der Idiome. 2013.

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