- Beispiel
- Ein Beispiel geben: Vorbild sein, richtungweisend sein. Der Begriff ›Beispiel‹ hatte zunächst ebensowenig wertenden Charakter wie die Wörter ›beispielhaft‹: häufig vorkommend, oder ›beispiellos‹: noch nie dagewesen. Dieser wurde erst aus dem Gesamtzusammenhang ersichtlich, wie aus folgenden Bibelstellen hervorgeht: »Du machst uns zum Beispiel unter den Heiden ...« (Ps 44, 15), » ... daß er verstehe die Sprüche und ihre Deutung, die Lehre der Weisen und ihre Beispiele« (Spr 1,6), » ... ein Beispiel habe ich euch gegeben, daß ihr tut, wie ich euch getan habe« (Joh 13, 15).In manchen Redensarten wird die Bedeutung durch ergänzende Adjektive hervorgehoben: Mit gutem Beispiel vorangehen bzw.Ein schlechtes Beispiel geben. Dagegen drückt die Redensart Sich ein Beispiel an jemandem nehmen: sich jemanden zum Vorbild nehmen, die Forderung nach einer positiven Lebenshaltung aus, so auch Schiller: »Erfreue unsern Vater, nimm ein Beispiel!« Allgemein bezeichnet der Begriff ›Beispiel‹ das aus allen anderen herausragende Vorbild eines Menschen, weiterhin das Muster einer Gattung, aber auch ausgewählte Proben aus einem Text, einer Erzählung, Fabel, Lehrdichtung, wie sie im Mittelalter häufig zur Untermauerung von Predigten und Reden beliebt waren. Sie haben zumeist eine beweisende oder erläuternde, manchmal auch eine auflockernde Funktion und werden mit der Wendung zum Beispiel eingeleitet oder in den Satz eingeschoben: » ... Zum Beispiel meiner Erklärung kann ich den mehrmals erwähnten ägyptischen Antonius anführen« (J.J. Winkelmann, Werke [Dresden 1808 ff.], 3, 117).Die Beispielerzählung (mittelhochdeutsch ›bîspel‹, lateinisch ›exemplum‹) ist erst in neuerer Zeit als belehrende und unterhaltende, moralisierende Gattung ins Blickfeld der Folkloristik getreten. Das Exemplum begegnet dabei in recht verschiedenen Anwendungsebenen und Funktionsbereichen. Es gibt zahlreiche Überschneidungen zu anderen lehrhaften Erzählkategorien, wie zum Predigtmärlein, zur Legende und Mirakelerzählung, zur Fabel, zum Sprichwort etc. In der mittelalterlichen und nach-mittelalterlichen Literatur fanden die Exempla Eingang in eigens zu diesem Zweck zusammengestellte Beispiel- oder Exemplasammlungen. Oft wurden auch Exempel von Beispielen oder Beispiele von Exempeln zitiert. Grimm und Wander sahen in diesen Wendungen eine Anhäufung von gleichen Ausdrücken für ein und dasselbe (Tautologie, Pleonasmus), doch handelt es sich eher um eine genaue Differenzierung der sich ergänzenden und nur zum Teil überschneidenden Begriffe, wie auch aus den Redensarten Als abschreckendes Beispiel, ›Ein Exempel statuieren‹ ersichtlich ist. Das Exempel ist als ein aus einer Reihe von ähnlichen Gegebenheiten herausgegriffenes Beispiel zu betrachten, wie außerdem aus der häufig als Einleitung eines erklärenden Zusatzes verwendeten Wendung um nur Ein Beispiel herauszugreifen deutlich wird (Exempel).• V. MYLENE: Artikel ›Par exemple‹, in: Archivum Linguisticum 8 (1956), S. 38-50; H. BAUSINGER: ›Zum Beispiel‹, in: Volksüberlieferung, Festschrift für Kurt Ranke. (Göttingen 1968), S. 9-18; R. SCHENDA: Stand und Aufgaben der Exemplaforschung, in: Fabula 10 (1969), S. 69-85; CH. DAXELMÜLLER: Artikel ›Exemplum‹, in: Enzyklopädie des Märchens IV, Spalte 627-649; W. BRÜCKNER: Artikel ›Exempelsammlungen‹, in: Enzyklopädie des Märchens IV, Spalte 592-626.
Das Wörterbuch der Idiome. 2013.