- schief
- Die Redensarten Auf eine schiefe Bahn geraten und Auf die schiefe Ebene kommen beruhen auf der Beobachtung, daß ein Körper in immer schnellere Bewegung gerät, der einmal ins Gleiten gekommen ist. Auf den Menschen übertragen, enthalten diese Wendungen eine bedauernd-resignierende Feststellung: es ist kein gutes Ende mehr zu erwarten, denn es wird nun immer schneller abwärts (bergab) gehen, das Verhängnis muß sich wie ein Naturgesetz vollziehen. Auch hinter der Redensart ›Jemand ist haltlos geworden‹ steht das Bild von der schiefen Ebene. Um eine Warnung vor verantwortungslosem Handeln auszusprechen, sagt man: ›Sieh zu, daß du nicht auf die schiefe Bahn gerätst!‹ Vgl. französisch ›être sur la mauvaise pente‹.Die drei folgenden Redensarten In eine schiefe Stellung geraten, in eine schiefe Lage kommen und Sich in ein schiefes Licht stellen enthalten einen gemeinsamen Gedanken: Worte, Taten und Verhalten können falsch ausgelegt werden, so daß ein Zerrbild der Tatsachen entsteht. Der Vorsichtige versucht deshalb, alles zu meiden, das gegen ihn sprechen könnte.Das Krumme und Schiefe wird im Volksglauben dem Bösen gleichgesetzt. Daraus erklärt sich der überaus häufige Gebrauch des Adjektivs schief in den verschiedensten Wendungen, wie z.B. Etwas geht schief, Eine Sache geht schief aus, Etwas Iäuft schief, Es steht schief um eine Sache, d.h. etwas mißlingt, eine Sache nimmt eine verkehrte, üble WendungAls ironischer Ausdruck der Ermunterung wird seit dem Ende des 19. Jahrhunderts besonders in Berlin, Sachsen und dem Rheinland einem Verzagten zugerufen: ›Nur Mut – die Sache wird schon schiefgehen!‹Geht jemand von falschen Voraussetzungen aus, die zum Irrtum führen müssen, sagt der Berliner: ›Wenn de det denkst, denn biste schiefjewickelt‹. Die seit dem 19. Jahrhundert besonders in Norddeutschland verbreitete Redensart leitet sich entweder vom falsch gewickelten Säugling her (im Scherz wird behauptet, daß verschrobene Ansichten auf eine falsche Behandlung in der Säuglingszeit zurückzuführen sind) oder vom schief auf die Spule gewickelten Garn oder auch vom schiefgewickelten Tabak bei der Zigarre. Die Kölner Redensart ›de Zijar scheif rauche‹ macht den Zusammenhang deutlicher. Theodor Fontane schreibt in einem Brief vom Juli 1856 an seine Frau Emilie: »Ein guter Kerl, aber total schiefgewickelt«.Einer der zahlreichen Ausdrücke für das Torkeln des Betrunkenen ist Schief geladen haben. Die Vorstellung vom schiefgeladenen Erntewagen oder von der schlecht verteilten Schiffsladung wurde auf den Bezechten übertragen (⇨ trinken).Muß man sich wegen einer Sache Die Stiefel (Absätze) schief laufen, dann bedeutet das, daß eine große Anstrengung nötig ist. Sagt aber jemand in Norddeutschland ›Da krig' ek scheiwe stewel von‹, dann lehnt er ein Ansinnen ab, das ihm Unannehmlichkeiten bringen kann.Die Feststellung Es ist zum Schieflachen beruht auf der Beobachtung eines heftig Lachenden, der sich dabei biegt und krümmt. Die Redensarten ›Sich krummlachen‹ und ›Sich einen Ast lachen‹, d.h. ›Sich bucklicht lachen‹, verdeutlichen dies. Vgl. französisch ›Il y a de quoi se tordre de rire‹.Seit etwa 1850 sagt der Berliner auf die Bemerkung: ›Det sitzt ja schief‹, schlagfertig: Schief is englisch! Englisch is Mode! Der heute in ganz Deutschland verbreitete Ausdruck weist auf eine als neu empfundene englische Sitte, die Kopfbedeckung schief zu tragen, die zuerst bei englischen Matrosen beobachtet wurde.Daß man die Gedanken eines Menschen an seinem Gesichtsausdruck ablesen kann, beweisen die folgenden Wendungen: Einen schiefen Mund ziehen und Ein schiefes Gesicht machen, sie gelten als Ausdruck von Ärger und Mißgunst. Gehässigkeit, Verachtung und Neid sind im Spiel, wenn man Jemandem einen schiefen Blick zuwirft, Ihn schief ansieht. Die niederländischen Redensarten ›iets met scheele oogen aanzien‹ oder ›scheele oogen maken‹ meinen dasselbe. Vgl. französisch ›regarder quelqu'un de travers‹.Auch in übertragenem Sinne werden die Wendungen Etwas schief ansehen, d.h. falsch auffassen, und Eine Sache schief sehen, ein falsches Abbild, eine unrichtige Vorstellung davon gewinnen, angewendet. In Zusammenhang damit stehen folgende Ausdrücke: Etwas in einem schiefen Licht sehen (zeigen, darstellen), Etwas von einer schiefen Seite, einem schiefen Gesichtspunkt aus betrachten: falsch beurteilen.In übertragener Bedeutung spricht man von ›Einem schiefen Sinn‹, einem ›Schiefen Urteil‹, von dem ›Schiefen Spiel‹ eines Schauspielers, vom Gebrauch ›Schiefer Bilder und Vergleiche‹ beim Reden und Schreiben. Verschiedenes meinen die Wendungen Etwas schief anfangen (anfassen): falsch beginnen; vgl. französisch ›prendre quelque chose par le mauvais côté‹ Etwas schief auffassen: falsch verstehen, Etwas sehief aufnehmen: sich beleidigt fühlen; vgl. französisch ›prendre quelque chose de travers‹.Die Redensart Etwas ist windschief bewahrt in der Zusammensetzung ein altes Adjektiv ›wind‹ = gewunden, das heute nicht mehr verstanden wird. In der Volksetymologie tritt das Substantiv Wind an seine Stelle.›Damit du nicht schief wirst‹ sagt man scherzhaft in Ostpreußen und Sachsen, wenn man rechts und links Ohrfeigen austeilt.
Das Wörterbuch der Idiome. 2013.