- Schinder
- Dem Schinder die Keule abkaufen: schlechte Ware teuer bezahlen müssen, aus 2. oder 3. Hand kaufen und dabei übervorteilt werden. Diese Redensart ist auch mundartlich verbreitet, so heißt es z.B. im Harz: ›dem Schinder de Keil abkäfen‹, und im Obersächsischen, wenn sich einer übervorteilt vorkommt: ›Da kooft mer ja'n Schinder de Keile ab!‹.Er muß mit dem Schinder trinken: er ist verachtet und aus der Gemeinschaft ausgestoßen. Schinder und Scharfrichter wurden allgemein gemieden und wohnten meist auch außerhalb der Stadt, nur Vertreter von unehrlichen Gewerben zählten zu ihrer Gesellschaft. Die Angehörigen von Berufen ohne bürgerliche Ehrenrechte mußten ihr Bier im Hausflur des Wirtshauses aus einer Kanne ohne Deckel trinken, von der noch ein Stück abgeschlagen war. Verachtung und Vorurteil dieses Standes spiegelt auch das Sprichwort ›Abdecker und Schinder sind Geschwisters Kinder‹.Der Schindersknecht als Gehilfe des Henkers vertrat diesen in Verwünschungen und Flüchen und diente dabei gleichzeitig zur Umschreibung des mit einem Sprachtabu versehenen Teufels, der nicht genannt werden sollte: ›Gang (geh) zum Schinder und Schaber!‹ ›Gang zum Schinder an der Done!‹ heißt es in Ulm, und in Norddeutschland: ›Gao nao'n Schinn'r!‹, wenn man jemanden unwillig abweisen will. Häufige Fluchformeln sind: ›Hol der Schinder!‹ ›Zom Schinner noch!‹, ›Das ist zum Schinder holen‹, ›es ist nicht mehr auszuhalten‹, oder niederdeutsch ›Dat di de Schinner hal!‹ und kölnisch ›Der Schinner sall dich holle!‹ als Verwünschung zum Henker oder Teufel. Als Ausdruck der Überraschung und Verwunderung sagt man vom Vogtland bis zur Oberlausitz: ›Das weeß doch der Schinner, wie dos kimmt!‹ In kurzen Ausrufen des Ärgers, des Unwillens und der Zurechtweisung spielt der Schinder in den Mundarten eine besondere Rolle: ›I wo Schinder!‹, ›Hez Schinder!‹, ›Pfit (pfui) Schinder!‹ und ›De Schinn'r ôk!‹Sich den Schinder holen: sich eine gefährliche Erkältung zuziehen.Jemanden hat der Schinder geholt: der Teufel hat ihn geholt, er ist zugrunde gegangen, ist seiner Existenz beraubt worden, eine besonders in Preußen verbreitete Redensart. Die niederdeutsche Wendung ›Dat hat de Schinn'r haolt‹ meint ähnlich, daß eine Sache verlorengegeben werden muß, daß etwas zum Teufel gegangen ist.Den holt der Schinder nicht: er ist so gut eingerichtet und wirtschaftlich gesichert, daß sein Untergang nicht zu befürchten ist.Den kann der Schinder nicht brauchen: selbst der Schinder (Henker oder Teufel) weiß nichts mit ihm anzufangen, er ist zu nichts nütze.Auch zur Steigerung der Aussage wird der Schinder genannt, wobei es offenbleibt, ob damit Schinder, Henker oder Teufel gemeint ist: Ich gebe dir eins (hinter die Ohren), daß du eine halbe Stunde vom Schinder träumst, oder mit anderem Zusatz: Daß es dem Schinder drob möcht gruse.›Auf, der Schinder will die Haut haben!‹ gilt in Meiningen als scherzhafter Weckruf.Glänzen wie des Schinders Hose: ungeheuer schmutzig sein; besonders im Frankfurter Raum sagt man: ›Deß klenzt wie'm Schinner sei Hoose‹.In den bildlichen Wendungen der älteren Sprache ist meist der Leuteschinder gemeint, der andere plagt, aussaugt und beraubt: »und ich will deine Schinder speisen mit ihrem eigenen Fleische« steht schon bei Jes 49, 26. In Aventins ›Chronik‹ (2, 462, 33) heißt es von Papst Johannes XXII.: »wiewol er allenthalben sein schinder und schaber, gelt im aufzuraspeln, an alle ort sendet«. Ayrer schreibt 1646 (8, Keller): »ich mein, er sey zum schinder worn, zicht uns die haut schir über d ohrn«.Der hat seine Leute wie der Schinder seine Hunde: er läßt seine Dienstboten hart für sich arbeiten. Diese Redensart wird noch heute in der Gegend um Zwickau gebraucht.Der Schinder hat Handschuhe an: es ist ein Tyrann, der unter dem Schein des Rechts andere unterdrückt, der seine Forderungen so geschickt stellt, daß seine Absichten nicht sofort erkannt werden, die Wendung dient deshalb meist zur Warnung.Du Schinderknecht!: gilt als Schelte für einen Tierquäler.• A. KELLER: Der Scharfrichter in der Kulturgesch., in: Bücherei der Kultur, 21 (o.O. 1921); E. ANGSTMANN: Der Henker in der Volksmeinung, seine Namen und sein Vorkommen in der mündlichen Überlieferung, in: Teuthonista, Zeitschrift für Dialektforschung und Sprachgesch., Reihe H 1 (Bonn 1928); R. SCHÖMER: Artikel ›Abdecker‹, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens I, Spalte 1921; A. STEINEGGER: Handwerker, Henker und Galgen im alten Schaffhausen, in: Schweizerisches Archiv für Volkskunde 44 (1947); W. DANCKERT: Unehrliche Leute. Die verfemten Berufe (Bern – München 1963); J. GLENZDORF und F. TREICHEL: Henker, Schinder und arme Sünder, I. Teil: Beiträge zur Geschichte des deutschen Scharfrichter- und Abdeckerwesens; II. Teil: Scharfrichter und Abdeckerfamilien. Bd. I (Münster am Deister 1970).
Das Wörterbuch der Idiome. 2013.