schwören

schwören
Hoch und heilig schwören, auch: Sich hoch und teuer verschwören: etwas unter Berufung auf alles, was einem besonders wert ist (Götter, Sterne, Gesetz, Weib, Kind, Ehre, Seligkeit), mit der zum Schwur erhobenen Hand versprechen und bekräftigen. Vergleiche französisch ›jurer par tous les dieux‹ (bei allen Göttern schwören) oder: ›jurer ses grands dieux‹.
   Die Redensart Bei Himmel und Erde schwören steht vermutlich mit der Warnung Jesu vor leichtfertigem Schwören (Mt 5, 34-35) in Zusammenhang.
   Bei Christus (bei allen Heiligen) schwören: mächtige Zeugen für die Wahrheit anrufen, um zu überzeugen. Man glaubte allgemein, daß ein falscher Eid durch die Angerufenen bestraft würde, deshalb schwor man auch ›Bei Gott und dem Teufel‹, ›Bei Himmel und Hölle‹, ›Bei allen guten und bösen Mächten‹. Vergleiche niederländisch ›bij hoog en laag zweren‹, ›zweren bij God en duivel‹, ›bij kris en kras zweren‹; französisch ›jurer par tous les diables‹, oder ›tous les saints du paradis‹; englisch ›to swear by all that ist holy (sacred)‹. Er schwört Bocksdarm und Bockslung: er schwört bei allem möglichen, eigentlich beim Teufel, für den der Bock als Umschreibung eintritt. Diese Wendung findet sich bereits bei Murner in der ›Schelmenzunft‹ (2, in Kloster, I, 829):
   Ich schwür bocksdarm vnd auch bockslung,
   Der prediger hat eine falsche zung.
   Einen Meineid zu leisten, galt und gilt als besonders schwere Sünde. Es hieß, daß der Teufel selbst die Schwurhand halte und ihm der falsch Schwörende verfallen sei. Daher auch die Selbstverwünschung beim Schwören, um die Wahrheit der Aussage zu bekräftigen: ›Der Teufel soll mich holen, wenn ich nicht die Wahrheit sage‹; Teufel.
   Wenn jemand ohne Bedenken oft und falsch schwört, wird in verschiedenen Redensarten vor ihm gewarnt, z.B.Er schwört dem Teufel ein Ohr ab oder Wenn's bei ihm zum Schwören kommt, so verliert der Teufel ein Ohr: er lügt mit Leichtigkeit. Vergleiche niederländisch ›Hij zal zweren, dat de duivel Henrik heet‹ und englisch ›He'll swear the devil out of hell‹. Ähnlichen Sinn haben die Wendungen: Er schwört des Henkers Großmutter ein Bein ab (vgl. Grimmelshausens ›Vogelnest‹ I) und Er schwört das Blaue vom Himmel herunter. Vergleiche lateinisch ›per solis radios, tarpejaque fulmina jura‹.
   Das heißt nicht hoch geschworen: er bemüht sich nicht um geachtete, geheiligte Zeugen, deshalb scheint es ihm nicht allzu ernst zu sein, man darf ihm nicht trauen. Schon bei Sebastian Franck (II, 131a) heißt es: »Er schwert nit thewer, jm ist nit ernst«. Er schwört beim Schwein des heiligen Antonius: er schwört nicht sehr hoch, er ist leichtfertig. Vergleiche niederländisch ›Hij zweert bij den tand van Sint Pleun‹ oder ›Hij sweert bij Sint Anthonies zwijn‹.
   Stein und Bein schwören Stein.
   Aus der Stadt, aus dem Land schwören: sich durch Eid verpflichten, Stadt oder Land zu verlassen.
   Übers (ans) Meer schwören: geloben, als Teil der Sühne oder Buße für ein Verbrechen, eine Wallfahrt ins Heilige Land für die Seele des Getöteten zu machen. Die Redensart ist im 15. und 16. Jahrhundert häufig belegt (vgl. Beck, 1900, S. 586). Danach wurden die Redensarten gebildet: Über (an) den Rhein schwören: als Buße für einen Totschlag eine Wallfahrt nach Aachen unternehmen und: Über (an) die Donau schwören: eine Bußfahrt nach Regensburg zur ›schönen Maria‹ oder nach Inchenhofen zum hl. Leonhard unternehmen.
   Auf jemanden schwören: ihm unbedingt Vertrauen schenken; vgl. französisch ›jurer par quelqu'un‹.
   Auf des Meisters Worte schwören: die Worte des Lehrers für unwiderrufliche Wahrheit halten, nicht daran zweifeln und sich kritisch damit auseinandersetzen. Diesen Rat erteilt Mephisto dem Schüler (›Faust‹ I, ›Schülerszene‹), doch die Wendung ist viel älter. Sie erscheint bereits 20 v. Chr. in den ›Episteln‹ des Horaz (I, 1, 14) als: »iurare in verba magistri«.
• P. BECK: Zu dem Ausdruck ›schwören‹ (übers Meer, über den Rhein, über die Donau schwören) in Grimms deutschem Wörterbuch, in: Euphorion 7 (1900), S. 586; DERS.: Übers Meer, über den Rhein, über die Donau schwören, in: Diöcesanarchiv von Schwaben (1902), S. 29-30; R. LASCH: Der Eid (Stuttgart 1908); H. FEHR: Artikel ›Eid‹, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens II, Spalte 659-672; R.M. SMITH:He that will swear will lie, in: Modern Language Notes 65 (1950), S. 442-443; A. ERLER: Artikel ›Eid‹, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte I, Spalte 861-863; W. Brückner: Artikel ›Eid, Meineid‹, in: Enzyklopädie des Märchens III, Spalte 1125-1140.
Bei Christus und allen Heiligen schwören. Stadtrichterbild im Stadthause zu Graz, österreichischer Meister, 1478.
Der Teufel soll mich holen ... (›sich verschwören‹ beim Meineid). Holzschnitt aus ›Der Seele Trost‹, Druck von A. Sorg, Augsburg 1478.

Das Wörterbuch der Idiome. 2013.

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