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Etwas auf die Seite bringen: etwas heimlich entwenden, stehlen, eigentlich etwas unauffällig neben sich stellen, so daß es nicht mehr gesehen wird und dadurch in Vergessenheit gerät und es dann nicht mehr auffällt, wenn es verschwindet. Vergleiche französisch ›mettre quelque chose du côté de l'épée‹ (veraltet) und französisch ›mettre quelque chose de côté‹, im Sinne von ›Etwas beiseite legen‹.
   Etwas auf der Seite haben: etwas gespart haben, Vermögen besitzen.
   Sich auf die Seite machen: sich schnell und heimlich entfernen.
   Jemanden auf die Seite bringen (räumen, schaffen): ihn töten, weil er lästig, unbequem oder gefährlich ist, eigentlich ihn wie ein Hindernis ›aus dem Wege räumen‹.
   Jemanden auf die Seite nehmen: ihn aus einem Kreis von anderen Gesprächspartnern an eine unbeobachtete Stelle führen, um ihm eine vertrauliche Mitteilung zu machen; vgl. französisch ›prendre quelqu'un à part‹.
   Jemanden auf seine Seite bringen (ziehen): ihn beeinflussen und veranlassen, daß er sich einer bestimmten Ansicht, Gruppe anschließt, ›Partei ergreift‹, wenn eine Auseinandersetzung droht; die Gunst und den Einfluß eines anderen für sich gewinnen. Vergleiche niederländisch ›iemand aan zijne koord krijgen‹; französisch ›mettre quelqu'un de son côté‹.
   Sich auf jemandes Seite schlagen (stellen), auch: Jemandem zur Seite treten (springen): ihm Recht geben, für ihn eintreten, ihn unterstützen, seine Worte bekräftigen. Die Redensarten bewahren die Erinnerung an einen alten Rechtsbrauch: wer sich des Angeklagten vor Gericht annehmen wollte, mußte sich als Zeuge oder Bürge neben ihn stellen; vgl. französisch ›se mettre du côté de quelqu'un‹.
   Jemandem mit etwas in die Seite treten: jemandem beipflichten, ihm helfen. Die seit dem Ende des 19. Jahrhunderts bezeugte Wendung ist eine scherzhafte Entstellung der vorigen Redensart
   Einem zur Seite gehen: achthaben auf jemanden, ihn schützen, ihm schnelle Hilfe leisten. Im Niederdeutschen hat die Redensart auch den Sinn von ›Nebengänger‹ bei der Trauung, also: Trauzeuge.
   Seite an Seite stehen: gemeinsam handeln; vgl. französisch ›être côté à côté‹.
   Einen bei seiner schwachen Seite fassen: ihn dort angreifen, wo er leicht verwundbar ist, eigentlich ihn von seiner ungeschützten Körperseite her im Kampf bedrängen; in übertragener Bedeutung: die Schwäche und Unvollkommenheit eines anderen kennen und seinen Vorteil ausnutzen (z.B. seine übergroße Gutmütigkeit, seinen übertriebenen Gerechtigkeitssinn, seine Habsucht und Eitelkeit). Vergleiche niederländisch ›Hij pakt (vat) hem aan zijne zwakste zijde aan‹.
   Ähnlich Einem die weiche (schwache) Seite abgeben: seinem Gegner selbst seine Mängel offenbaren, ›Sich eine Blöße geben‹.
   Nicht die stärkste Seite von jemandem sein: etwas sein, das er nicht besonders gut beherrscht, das er nicht gern tut.
   Sich auf die faule (rauhe, schlechte) Seite legen: träge (unfreundlich) werden, sich dem Laster ergeben. Die Wendung ist seit dem Ausgang des 17. Jahrhunderts bezeugt.
   Die Feststellung Er hat sich auf die schwere Seite gelegt meint dagegen: er ist zu der Partei übergegangen, die in der Mehrzahl ist und deshalb den größten Vorteil bietet; vgl. französisch ›Il s'est mis du côté du plus fort‹.
   Auf die große (kleine) Seite gehen: umschreibend ebenso wie ›Ein großes (kleines) Geschäft verrichten‹.
   An jemandes grüner Seite sitzen: von jemandem sehr geschätzt sein, ihm sehr nahe sein; jemanden auf die linke Seite, die Herzseite, setzen, um zu verdeutlichen, daß man ihm sehr gewogen ist. Bekannt aus dem schwäbischen Volkslied:
   Mädele ruck, ruck, ruck
   an meine grüne Seite,
   I hab di gar so gern,
   i mag di leide.
Vergleiche niederländisch ›aan iemands groene zijde zitten‹ grün.
   Jemandem etwas (jemand) an die Seite stellen können: es vergleichen können; neben dem Wert des anderen nicht zurückstehen müssen. Dagegen: Dem kann nichts zur Seite gestellt werden: es gibt nichts Gleichwertiges, es ist ausgezeichnet und deshalb einmalig.
   Sich von seiner besten Seite (manchmal auch: ›von seiner Schokoladenseite‹) zeigen: sich bewußt vorbildlich benehmen; in einer Gesellschaft glänzen wollen; seine Vorzüge deutlich machen und seine Mängel verbergen; vgl. französisch ›se montrer de son meilleur côté‹.
   Jemanden von dieser Seite noch nicht kennen, auch: Einen von einer ganz anderen (neuen) Seite kennenlernen: über einen bisher verborgenen Charakterzug überrascht sein. Eine Sache von allen Seiten betrachten: zur genauen Beurteilung alle Gesichtspunkte beachten; genauestens prüfen und alle Konsequenzen erwägen.
   Einer Sache eine neue Seite abgewinnen: Neues, Positives und Interessantes entdecken.
   Etwas von der guten (besten) Seite ansehen: in allen Dingen das Positive zu sehen versuchen, optimistisch sein; vgl. französisch ›prendre les choses du bon côté‹. Ähnlich: Alles von der leichten (heiteren) Seite nehmen: nichts schwernehmen, sich nicht bedrücken lassen. Dagegen: Alles auf die schlimme Seite nehmen: alles für schwieriger und tragischer halten, als es in Wirklichkeit ist; vgl. französisch ›prendre quelque chose au tragique‹.
   Seine zwei (guten und schlechten) Seiten haben: Vorteile und Nachteile zugleich besitzen, zwiespältig sein; nicht ohne weiteres für gut oder schlecht befunden werden können, auch: Zwei Seiten einer Medaille; vgl. französisch ›avoir son bon et son mauvais côté‹.
   Etwas von dritter (anderer) Seite erfahren: etwas von jemandem erfahren, von dem man es nicht hören möchte; etwas nicht direkt erfahren, sondern auf Umwegen.
   Etwas von unterrichteter Seite wissen: etwas aus Quellen haben, denen direkte Informationen zugrunde liegen, so daß man sich darauf verlassen kann.
   Sich die Seiten halten: sehr kräftig lachen; vgl. französisch ›se tenir les côtes‹.
   Lange Seiten haben: viel essen oder trinken können, viel vertragen können; vgl. französisch ›avoir les côtes en long‹, im Sinne von sich nicht bücken können, daher schlecht körperlich arbeiten können.
   Auf allen Seiten beschlagen sein: auf allen Gebieten Kenntnisse besitzen, sich im Leben zurechtfinden. Vergleiche siebenbürger-sächsisch ›Dî äs af alle Sêgten beschloen‹.
   Auf beiden Seiten Wasser tragen: es mit keiner Partei verderben wollen. Murner gebrauchte in seiner ›Schelmenzunft‹ (21) eine ähnliche Wendung: »Auf beiden seiten auf einem stecken reiten«, d.h. Gott und dem Teufel gleichzeitig dienen.
   Auf beiden Seiten hinken: unbeständig, bestechlich sein. Vergleiche niederländisch ›Hij hinkt op beide zijden‹. Sebastian Franck verwendete bereits 1531 in seinem ›Zeytbuch‹ (CCXXXVb) diese Redensart »Auf beyden seyten hincken«. Jemanden von der Seite (her) ansehen: ihn verachten, ihm nur einen kurzen, bösen Blick zuwerfen.
   Auf die Seite sehen, wie eine Gans, die Äpfel sucht: begehrlich nach etwas schielen, auch: seinen Kopf steif geradeaus gerichtet halten und nur einen Blick auf etwas (jemanden) werfen, wenn man sich unbeobachtet glaubt. Das sprachliche Bild ist sehr alt und beruht auf guter Beobachtung. Bereits Geiler von Kaysersberg schrieb dazu: »Man sagt gemeiniglich: So sieht ein Entrich, eine wilde Ente, mit einem Auge auf das Erdreich, wo die Speise ist, und mit dem andern Aug' an den Himmel, wo der Sperber ist«. Ähnlich: Auf eine Seite sehen, wie der Hund, der an einem Bein nagt: in eine Richtung blicken, um einen anderen nicht grüßen zu müssen, weil man ihn ja offensichtlich nicht gesehen haben kann.
   Jemanden (dumm) von der Seite anreden (anquatschen): mit jemandem aufdringlich, frech zu sprechen beginnen; einen Unbekannten plötzlich auf der Straße anreden, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
   Zur Seite sprechen: sich an einen bestimmten Zuhörer wenden und leise eine Bemerkung machen, die nicht für die Ohren anderer bestimmt ist, auch: hinter der vorgehaltenen Hand sprechen. Die Wendung stammt aus der Theatersprache und meint den Schauspieler, der sich nicht an seine Partner, sondern direkt an das Publikum wendet, so als würde der eigentlich Betroffene diese Bemerkung nicht verstehen können.

Das Wörterbuch der Idiome. 2013.

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