Spiel

Spiel
Alles (etwas) aufs Spiel setzen: einen hohen Einsatz wagen, leichtsinnig sein, etwas riskieren. In bildlicher Übertragung: ›Sein Leben aufs Spiel setzen‹. Vergleiche lateinisch ›omnem iacere aleam‹, französisch ›jouer à tout perdre‹ (veraltet), heute: ›mettre tout en jeu‹.
   Die Redensart stammt vom Karten- und Würfelspiel, vgl. ›In die Schanze schlagen‹ (eigentl. alles auf einen Wurf setzen, auch: ›alles auf eine Karte setzen‹. Jakob Michael Reinhold Lenz gebraucht die Wndg. lit., indem er Spiel und Karte nebeneinanderstellt. In den.Soldaten' (III, 10) schreibt er: »Einem so unglücklichen Hazardspiel zu Gefallen Ihr ganzes Glück, Ihre ganze Ehre, Ihr Leben selber auf die Karte zu setzen«.
   Auf dem Spiele stehen, auch: Im Spiele sein: gefährdet, ein großes Wagnis sein, einen ungewissen Ausgang nehmen können. Bismarck gebraucht die Wendung, um festzustellen, daß sich das Risiko gelohnt habe (›Reden‹ 3, 19): »Die glänzenden Erfolge der Armee haben nur unsern auf dem Spiel stehenden Einsatz gewissermaßen erhöht«.
   Ähnlich: Ein gefährliches (gewagtes) Spiel spielen: unerlaubte Mittel anwenden, sich selbst gefährden. Schiller gebraucht die Wendung literarisch. In seinem Drama ›Maria Stuart‹ (4, 6) läßt er Leicester sagen: »Ich habe ein gewagtes Spiel gespielt«. Vergleiche auch niederländisch ›Hij speelt een gewaagd spel‹; französisch ›jouer un jeu dangereux‹.
   ›Das Spiel mit dem Feuer‹ Feuer.
   Das Spiel zu weit treiben: den Einsatz immer mehr steigern, die Grenzen des Vernünftigen, Zulässigen überschreiten.
   Das Spiel gewonnen geben seine Sache vorzeitig aufgeben, weil sie aussichtslos scheint. Diese Wendung ist in ähnlicher Form und in ironischem Sinne bereits bei Thomas Murner bezeugt, der in seiner Schrift ›Vom großen lutherischen Narren‹ die Niederlage umschreibt: »So hon wir dan das spil gewunnen, wie suer milch, die da ist zerrunnen«. Vergleiche auch niederländisch ›het spel gewonnen geven‹; französisch ›abandonner la partie‹ (wörtlich: das Spiel aufgeben). Wir sagen heute dafür: Das Spiel verloren geben: resignieren, am Erfolg zweifeln, sich an etwas Aussichtslosem nicht weiter beteiligen, aufgeben, auch: sich der Polizei stellen, wenn eine Flucht unmöglich scheint. Vergleiche auch niederländisch ›het spel verloren geven‹.
   Ähnlich meint die Feststellung Das Spiel ist aus, daß es keinen Sinn mehr hat weiterzumachen, daß die Hintergründe aufgedeckt worden sind und ein schlimmes Ende gekommen ist. Die Wendung ist bereits lateinisch bei Ovid bezeugt: ›Ludus habet finem‹. Vergleiche auch französisch ›Il faut tirer le rideau‹; oder ›Les jeux sont faits‹.
   Ein deutlicher Bezug zum Kartenspiel zeigt sich auch in den folgenden Wendungen: Das Spiel in Händen haben: seiner Sache gewiß sein, eigentlich so gute Karten haben, daß am Gewinn des Spieles nicht mehr zu zweifeln ist; vgl. französisch ›avoir des atouts (die Trümpfe) en main‹; Ein doppeltes (falsches) Spiel spielen: unehrlich handeln, beide Seiten zu täuschen suchen; vgl. französisch ›jouer double jeu‹; Jemandes Spiel durchschauen seine bösen Pläne und Absichten erkennen; Ein verdecktes Spiel spielen: täuschen und betrügen wollen; dagegen: Ein offenes Spiel spielen: offen und ehrlich handeln, vgl. ›Seine Karten aufdecken‹, Karte; vgl. frz. ›abattre ses cartes‹ (wörtl. ›seine Karten zeigen‹); ein abgekartetes Spiel sein: eine vorher besprochene und bereits entschiedene Sache sein. Dazu gehört auch die Feststellung: Das Spiel hat sich gewendet: eine Sache hat zum Schlechten verändert, vgl. ›Das Blatt hat sich gewendet‹, Blatt.
   Einige Redensarten beruhen auf einem Vergleich mit dem musizierenden Spiel. In diesem Sinn steht 1649 in der Sammlung bei Gerlingius unter Nr. 156: »Ne vites Musicam. Verderbe uns nicht die Musicam oder das Spiel«. In übertragener Bedeutung meint heute die Wendung Jemandem das Spiel verderben: sein Vorhaben vereiteln, Spielverderber. Auch die Rdaa. seine Hand im Spiele haben: mitbeteiligt sein; sich ins Spiel mengen: sich einmischen; mit im Spiele sein: Einfluß besitzen; vgl. frz. ›etre de la partie‹; überall im Spielsein (wie Pila-tus im Credo): alles mitentscheiden können, gehören in diesen Zusammenhang. Einen aus dem Spiele lassen: ihn in Ruhe lassen, nicht erwähnen oder ihn nicht in eine unangenehme Angelegenheit mit hineinziehen; aus dem Spiele bleiben: aus-geschaltet, unbeteiligt bleiben.
   Jemanden (etwas) mit ins Spiel bringen: ihn (etwas) zur Wirkung kommen lassen, seinen Einfluß geltend machen, aber auch: ihn mit in eine schlimme (gefährliche) Sache verwickeln.
   Gute Miene zum bösen Spiel machen: seinen Ärger nicht zeigen, so tun, als sei nichts gewesen, mit einer unangenehmen Sache, durch die Ereignisse gezwungen, zufrieden sein, Miene.
   Oft wird sogar der Kampf ein Spiel genannt, so schon im ›Heliand‹ (V. 4685): »ik gibu mîn ferah furi thik an uuâpno spil« (= ich gebe mein Leben für dich ans Waffenspiel). Auf das ritterliche Kampfspiel des Mittelalters geht auch die Redensart ›Einem böse mitspielen‹ zurück, mitspielen.
   In der mittelhochdeutschen Dichtung wird das Wort Spiel für Kampf und Turnier gebraucht. So droht z.B. Kandin seinem Schwager Tristan in Heinrichs von Freiberg ›Tristan‹ (V. 3856):
   Ist daz ich genzlich ervar,
   daz du mîn swester smaehen wilt,
   eins spiles wirt mit dir gespilt,
   daz dîne friunt beginnen klagen.
Derselbe Dichter ist sich aber der eigentlichen Bedeutung des Wortes Spiel wohl bewußt und setzt es dem Ernst gegenüber. In V. 1612ff. des ›Tristan‹ schreibt er:
   da wart mit schilden und mit spern
   ritterernst, nicht ritterspil
   gepflogen und geübet vil.
Unsere Redensarten Ein leichtes Spiel mit jemanden (etwas) haben: leicht mit ihm fertig werden können (›Etwas spielend bewältigen‹); vgl. französisch ›avoir beau jeu avec quelqu'un‹.;freies Spiel haben und Sein Spiel mit jemandem treiben: ihn necken, quälen, nicht ernsthaft mit ihm verhandeln, lassen sich diesem Bedeutungs-Bereich des Kampfes und der Auseinandersetzung zuordnen.
   Die Wendung Genug des grausamen Spiels! beruht auf einem Zitat aus Schillers Ballade ›Der Taucher‹. Die Tochter bittet den König, das Schicksal nicht herauszufordern und den Knappen nicht noch einmal in den Abgrund des Strudels zu schicken, mit den Worten: »Laßt, Vater, genug sein das grausame Spiel!«
• J. LEWALTER: Deutsches Kinderlied und Kinderspiel (Kassel 1911); J. HUIZINGA: Homo ludens (3. Auflage Basel – Brüssel – Köln – Wien o.J.); R. PEESCH: Das Berliner Kinderspiel der Gegenwart (Berlin 1957); F.G. JÜNGER. Die Spiele (München 1959); Freiburger Dies Universitatis: Das Spiel – Wirklichkeit und Methode (Freiburg 1966); C. MEYER: Die Kinderspiele (Zürich 1970); B. SUTTON-SMITH: Die Dialektik des Spiels (Schorndorf 1978); W. SALMEN: Der Spielmann im Mittelalter (Innsbruck 1983); W. EINSIEDLER: Das Spiel der Kinder (Bad Heilbrun/Obb. 1991).

Das Wörterbuch der Idiome. 2013.

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