- Spieß
- Den Spieß umkehren (umdrehen): die Rollen tauschen, eine Sache am anderen Ende angreifen, eigentlich: von der Abwehr zum Angriff übergehen, die Waffe des Gegners gegen ihn selber wenden. Die Redensart läßt sich am leichtesten als so entstanden denken, daß der Angegriffene im Handgemenge dem Angreifer den Spieß entreißt und ihn nun gegen den wehrlosen Angreifer richtet, vielleicht mit den Worten: ›Jetzt kehren wir den Spieß einmal um‹, wobei der Beraubte ironisch als mithandelnd und gleichsam als einverstanden bezeichnet wird.Den Spieß gegen jemanden kehren: ihn angreifen, heute nur in übertragener Bedeutung für geistige Auseinandersetzungen gebraucht.Wie am Spieß schreien oder schreien, als ob er am Spieße stäke: so laut schreien, als wenn es ans Leben ginge. Die Redensart wird meist auf Kinder angewendet, die oft wegen einer Kleinigkeit ein großes Geschrei erheben. Bereits 1577 gebraucht Johann Fischart (›Flöhhatz, Weibertratz‹, S. 50, V. 1625) einen ähnlichen Ausdruck.: »gaellen, als ob es an aim Spiß thaet staecken«.Der Spieß ist ihm an den Bauch (das Herz) gesetzt: er ist in äußerster Zwangslage, in höchster Gefahr oder Verlegenheit. Vergleiche ›Jemandem die Pistole auf die Brust setzen‹, ⇨ Pistole.Einen Spieß um (für) etwas brechen: für etwas kämpferisch eintreten, jemanden verteidigen, ⇨ Lanze; vgl. französisch ›rompre une lance pour quelque chose‹.Wie ein Spieß hinter der Tür sein: stets zur Hand sein, wenn er gebraucht wird, immer zu guten Diensten bereit sein. Die heute veraltete Redensart spiegelt die Gewohnheit, seine Waffe immer griffbereit im Hause zu haben. Bei Sebastian Franck (II, 54a) und Agricola (I, 563): »Er ist yhm wie ein Spiess hynder der thur«, also ein treuer Freund und Wächter, besitzt die Wendung bereits übertragene Bedeutung. Vergleiche auch niederländisch ›Hij is hem gelijk eene spiets achter de deur‹.Einem in die Spieße laufen: wie blind in eine Gefahr hineinrennen.In seinen eigenen Spieß fallen: sehr ungeschickt sein, sich selbst den Schaden zufügen, der einem anderen zugedacht war. Die Redensart ist bei Burkard Waldis (III, 62, 21) literarisch bezeugt: »Der fellt offt in sein eigen Spiess«.Den Spieß wegwerfen (fallen lassen), auch: Spieß und Stange fallen lassen: verzagt sein, den Kampf vorzeitig aufgeben, eine Sache verloren geben. Vergleiche lateinisch ›hastam abjicere‹ und die modernere deutsche Redensart ›Die Flinte ins Korn werfen‹, ⇨ Flinte.Aus Spießen Sicheln machen: die Waffen zu Werkzeugen umschmieden, vom Kriege zu friedlichen Beschäftigungen übergehen; ⇨ Schwert.Spieße hüten wurde früher von Mädchen gesagt, die beim Tanz sitzenblieben und die man mit Soldaten verglich, die den ›Kriegstanz‹ nicht mitmachten, sondern Waffen und Lager bewachten. Im Bauerntanzschwank schreibt Hans Sachs:Ein theil die hüeten doch der Spies,Des sie gewunnen groß verdries.Noch mit dem 1. Spieße laufen: kindlich und unbesonnen handeln wie ein spielender Knabe, primitiven Anschauungen huldigen.Mit dem goldenen (silbernen) Spieß stechen, auch mit goldenen Spießen kriegen: mit goldenen (silbernen) Münzen jemanden zu bestechen suchen. Später sagte man dafür: ›mit der silbernen Büchse (mit silbernen Kugeln) schießen‹, ⇨ Kugel. Einen Rest dieser Vorstellung bewahrt noch unser ›bestechen‹, d.h. einen durch dieses Stechen mit goldenen Spießen herumkriegen, ihn willig und geneigt machen.Verwandt sind die Wendungen Spieße haben: Geld haben, und Einen langen Spieß haben: sehr viel Geld besitzen. Im Rotwelschen hieß ein Sechspfennigstück Spieß. Von der Gaunersprache ist der Ausdruck in die Studentensprache gedrungen, die ihn noch heute kennt, und hat sich von ihr aus weiterverbreitet.Auch verschiedene redensartliche Vergleiche, die als Formeln des Trotzes verwendet werden, gebrauchen das Bild vom Regnen oder Schneien von Spießen zur Umschreibung großer Gefahr, die mißachtet wird: Und wenn's Spieße schneite! oder österreichisch ›Und wann's Spiss und alta Weiba rägnat‹, oder mit noch größerer Steigerung: Wenn es auch Spieße regnete mit der Spitze nach unten! Zu ergänzen ist immer: trotz alledem muß ich gehen (werde ich es tun).
Das Wörterbuch der Idiome. 2013.