Stall

Stall
Den Stall zuschließen, wenn das Pferd (die Kuh) gestohlen ist: ein Übel verhindern wollen, wenn es schon geschehen ist; eine alte und sehr weit verbreitete Redensart (vgl. ›Den Brunnen zudecken, wenn das Kalb hineingefallen ist‹). So heißt es bei Hans Sachs:
   Nu wil den stal ich machen zu,
   So mir ist hin kalb und die ku.
Dieselbe Vorstellung, aber mit einem anderen Bild gebraucht Luther: »Nun der wolff die gens gefressen hat, habens den stal zu gemacht« oder »den stal wöllen bawen, wenn der wolff die schafe gefressen hat«. Der russischen Vorstellung (›eine Hürde bauen, wenn die Herde zerstoben ist‹) kommt die lateinische Redensart am nächsten: ›grege amisso septa claudere‹. Dasselbe Bild wie im Deutschen liegt auch folgenden Redensarten zugrunde: englisch ›When the horse is stolen, to shut the stable door‹, französisch ›fermer l'étable, quand les vaches sont prises‹ (veraltet); italienisch ›dopo che i cavalli sono presi, serrar la stalla‹; niederländisch ›Man sluit den stal te laat, als het paard gestolen is‹; mundartlich rheinisch ›Wenn der Wouf e jene Stall gewes es, deeht mer de Dör zou‹.
   ›Er hät ene Stall voll Köh‹ heißt es im Rheinland von einem reichen Bauern; dieser Reichtum des Bauern wird auch auf den Kinderreichtum im allgemeinen übertragen: Einen Stall voll Kinder haben; dasselbe Bild wird beibehalten in der elsässischen Redensart ›in de Küestall onneme‹, an Kindes Statt annehmen; daher auch: Aus einem guten Stall kommen: aus gutem Hause sein.
   In einem Stall stehen oder Miteinander stallen: sich vertragen, sich gut mit einem stehen, meist verneint gebraucht; in dieser Redensarten werden die Menschen mit zwei Pferden verglichen, die nicht nebeneinander im Stall stehen wollen und sich beißen und treten; in bildlicher Anwendung ist sie seit dem 16. Jahrhundert bezeugt, so schon bei Luther: »nymer ynn einem stall stehen«, bei Thomas Murner: »sie stand nit gleich im Stall«, und in der ›Zimmerischen Chronik‹: »die stuenden nit in einem Stall«; häufig ist die Redensart in mitteldeutschen und niederdeutschen Mundarten, so voigtländisch ›Se kunnten net recht stallieren mitenanner‹, rheinisch ›De hän de Keh net en enem Stall‹ und hessisch ›Dei zwaa stalle nit gout zesamme‹; auch im Niederländischen bekannt: ›Zij zullen kwalijk zamen te stal staan‹.
   Sehr groß ist die Anzahl der Redensarten, in denen die Umgebung des Menschen mit einem Stall verglichen wird, sei es wegen der darin herrschenden Unordnung oder wegen einer anderen Unzulänglichkeit; nach der griechischen Sage von Herakles wurde die Redensart gebildet: Den Stall des Augias misten: eine sehr beschwerliche Arbeit verrichten (lateinisch ›Augiae claucas stabulum purgare‹; französisch ›nettoyer les écuries d'Augias‹); danach auch: Den Stall (aus-)misten: Ordnung schaffen; die Unordnung im Haus wird auch ausgedrückt in: In einem Sau(Schweine-)Stall wohnen, vgl. französisch ›C'est une vraie écurie‹; Etwas zu einem Schweinestall machen. Diese Übertragung von Stall auf menschliche Verhältnisse ist schon im Mittelhochdeutschen gebräuchlich.
   Der Vergleich der menschlichen Wohnung mit einem Stall – so auch Es zieht wie im Hundestall – bezieht auch die Erziehung mit in dieses Bild ein: elsässisch ›Er is im e Söüstall ufzoge worde‹, er hat eine schlechte Erziehung genossen, schweizerisch ›Er isch i Stall yne g'heit‹, er ist ein grober, ungebildeter Mensch; Nach Stallbalsam riechen: durch sein Betragen niedere Herkunft verraten.
   Groß ist die Anzahl der redensartlichen Vergleiche: ›stinken wie eine Stallmagd‹ (schwäbisch); ›der reißt det Maul off wie en Stallaamer‹; ›der Kerle hurt es wie'n Stallesel‹, setzt uneheliche Kinder in die Welt; ›däär kimmt doo erin wäi so e Stallstier‹, kommt ohne Klopfen und Grußwort herein (hessisch); vgl. französisch ›entrer quelque part comme dans une écurie‹ (wörtlich: in einen Raum wie in einen Pferdestall eintreten, im Sinne von: einen Raum, ohne zu grüßen, betreten; ›der hat 'n Stolz (Hochmut) wie e Stall voll Ente‹ (schwäbisch); ›he frett wie en Ferke ut de Stall‹, er ist unmäßig im Essen (rheinisch).
   Das beste Pferd aus dem Stall holen: die beste Spielkarte hergeben müssen, auch allgemeiner gebraucht für: das Beste hergeben müssen; so rheinisch ›Se han dem de beste Kuh ut dem Stall geholt‹, bei ihm ist gepfändet worden, aber auch: er hat seine (schönste) Tochter verheiratet; ›dat es et beiste Perd us jene Stall‹, die beste Gewinnkarte; danach auch ›enem der Stall utduhn‹, einen lahmlegen, plündern (vor allem beim Kartenspiel).
   Auch die folgenden Redensarten werden sowohl beim Kartenspiel als auch allgemein angewandt: Noch andere Schafe haben, die nicht aus diesem Stalle sind: noch etwas anderes in Reserve haben; diese Redensart stammt aus der Bibel (Joh 10, 16), wo sie im Gleichnis von dem Guten Hirten vorkommt: »Und ich habe noch andere Schafe, die sind nicht aus diesem Stalle«; Aus jedem Stall ein Ferkel: Karten jeder Farbe, von jeder Sorte etwas (westfälisch ›utjeem Dorp en Rüern‹, oft mit dem Zusatz: ›un von Holzwickede 'n Spitz‹); Das ist aus meinem Stall, Alles in einen Stall treiben, die Spielkarte oder der Besitz der anderen werden mit dem Vieh verglichen.
   In Schwaben heißt es von einem, der alles erbt, ohne daß er sich darum bemühen muß: ›Der därf nu d Stalltür zumache‹, und von einem Glücklichen wird behauptet: ›Dem kälberet der Stallbaum‹ (das heißt der Pfeiler im Pferdestall, der den Heuboden stützt) oder ›Dem kälbere d'Dreschflegel im Stall‹. In ganz Deutschland verbreitet ist die Redensart Den Stall offenstehen haben oder zumachen, wobei der Hosenlatz mit der Stalltür verglichen wird; so heißt es hessisch: ›Mr maat, de häst geschlacht. – Woerim? De host de Stall nach offstih‹.
   Wurst im Hundestall suchen: etwas Unmögliches unternehmen.
   Im schwäbischen Raum verbreitet ist die Redensart ›Der wird scho no sein Stall finde‹, er wird noch zum Ziele kommen, ›schau en Stall derzufinda‹, die Sache in Ordnung bringen.
   In einem guten Stall stehen: einen guten Posten haben. Seinen eigenen Stall misten: sich um die eigene Angelegenheit kümmern (vgl. ›Sich an die eigene Nase fassen‹); ›ergends ene Stall stoeh han‹, irgendwo Schulden haben (rheinisch); ›jemes en Ställeke beschlohn‹, jemandem einen Riegel vorschieben, ihn bei anderen herabwürdigen. Ebenfalls im Rheinland behauptet man von einem Dummen: ›Mer kennt Ställ met em remreissen‹, und um eine geduldig wartende Menge zu charakterisieren, sagt man: ›Die stohn do wie de Dier em Stall‹; ›do es de Jüdd en de Stall‹, der Bauer ist verschuldet; ›bowen in de Stall stohn‹, sehr in Gunst stehen, in verächtlichem Ton gesagt: ›der hät de Sau (et Ferke, Pferd, den Esel) wegen dem Stall gehofft (genommen, gehirot)‹, er hat eine häßliche Frau nur ihres Geldes wegen geheiratet.
   Nicht im engen Stall stehen können: von einem anspruchsvollen Menschen gesagt. Nach dem Stalle gehen: berlinerische Redensart für: in die Schule gehen; ähnlich auch ›Stallfütterung‹ für eine Bildung und Erziehung, die nur Bücherweisheit vermittelt.
   Die Stralsunder Redensart ›up'n Stall seeten‹, ins Gefängnis setzen, rührt daher, daß sich hier das Gefängnis über den Ställen befand.
   Nach der Größe der Eimer im Stall heißt es: ›Där kann en Stallaamer voll vertraa‹, er verträgt sehr große Mengen an Alkohol ( trinken).
   Es geht jemandem eine Stall-Laterne auf: er begreift endlich ( Licht). ›Stalldrang‹ bezeichnet übertragen auch den Wunsch des Menschen, nach Hause zurückzukehren, das Heimweh, meist ironisch gebraucht. Im Niederdeutschen heißt es: ›Wenn't naun Stall geit, löpt dat Perd van sülms‹, auch: ›Dat Perd rükt den Stall‹; vgl. französisch ›un cheval qui sent l'écurie‹ (wörtlich: wie ein Pferd, das den Stallgeruch wittert und daher sehr schnell rennt).

Das Wörterbuch der Idiome. 2013.

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  • Stall — (st[add]l), n. [OE. stal, AS. steall, stall, a place, seat, or station, a stable; akin to D. & OHG. stal, G. & Sw. stall, Icel. stallr, Dan. stald, originally, a standing place; akin also to G. stelle a place, stellen to place, Gr. ste llein to… …   The Collaborative International Dictionary of English

  • Stall — Stall, v. t. [imp. & p. p. {Stalled} (st[add]ld); p. pr. & vb. n. {Stalling}.] [Cf. Sw. stalla, Dan. stalde.] 1. To put into a stall or stable; to keep in a stall or stalls; as, to stall an ox. [1913 Webster] Where King Latinus then his oxen… …   The Collaborative International Dictionary of English

  • Stall — can refer to: * Stall (enclosure), a small enclosure, as for market goods, or for an animal ** Market stall, makeshift or mobile structures for selling market goods or serving food. * Choir stall seating in a church for the choir * Stall (engine) …   Wikipedia

  • stall — ‘compartment, booth, etc’ [OE] and stall ‘stop’ [15] are distinct words, but they have a common ancestor, in prehistoric Germanic *stal , *stel ‘position’ (source of English still). This in turn was formed from the base *sta ‘stand’, which also… …   The Hutchinson dictionary of word origins

  • stall — ‘compartment, booth, etc’ [OE] and stall ‘stop’ [15] are distinct words, but they have a common ancestor, in prehistoric Germanic *stal , *stel ‘position’ (source of English still). This in turn was formed from the base *sta ‘stand’, which also… …   Word origins

  • stall — stall1 [stôl] n. [ME stal < OE steall, place, station, stall, stable, akin to OHG stal < IE base * stel , to place, set up, stiff, stem > STILL1] 1. a) Obs. a stable b) a compartment for one animal in a stable 2. any of various… …   English World dictionary

  • Stall — Stall, v. i. [AS. steallian to have room. See {Stall}, n.] 1. To live in, or as in, a stall; to dwell. [Obs.] [1913 Webster] We could not stall together In the whole world. Shak. [1913 Webster] 2. To kennel, as dogs. Johnson. [1913 Webster] 3. To …   The Collaborative International Dictionary of English

  • Stall — Blason inconnu …   Wikipédia en Français

  • Stall — Sm std. (8. Jh.), mhd. stal, ahd. stal m./n., mndd. stal, mndl. stal Stammwort. Aus g. * stalla m. Stand , auch in anord. stallr Sockel, Krippe , ae. steall Stand, Stellung, Stall , afr. stall Stall . Das Wort, das mit stellen zusammengehört,… …   Etymologisches Wörterbuch der deutschen sprache

  • Stall — Stall, Unterkunftsraum für die Haustiere. Der Viehstall muß so angelegt sein, daß den Tieren reine, gesunde Luft, Licht, ausreichender Raum, reine Ruhe und Lagerplätze, Schutz gegen Witterung, Insekten etc. und genügende Wärme zukommen, überdies… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Stall — Stall: Das altgerm. Substantiv mhd., ahd. stal, niederl. stal, engl. stall, schwed. stall bedeutet eigentlich »Standort, Stelle« (z. T. bis in frühnhd. Zeit; s. auch die Artikel ↑ installieren und ↑ Gestell). Von ihm ist das unter ↑ stellen… …   Das Herkunftswörterbuch

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