- streiten
- Einen Streit vom Zaune brechen: andere mutwillig provozieren, ohne eigentlichen Grund aus einer plötzlichen Laune heraus, so wie man unvermittelt eine Latte vom fremden Zaun bricht, wenn man nichts Besseres zur Hand hat, um sich gegen Angriffe zu wehren oder um seinen Ärger abzureagieren. Vielleicht beruht das sprachliche Bild auch mit auf der Tatsache, daß unverträgliche Nachbarn oft jahrelange Streitigkeiten wegen geringfügiger Anlässe ausfechten oder kostspielige Prozesse um eine Nichtigkeit führen, zum Beispiel um die Herbstblätter, die der Wind über den Zaun vom Nachbargarten herübergeweht hat, über ein Tier, das durch den schadhaften Zaun eingedrungen ist, oder darüber, wer für die Reparatur eines morschen Zaunes verantwortlich ist. Die Streitenden vermeiden es natürlich, das Grundstück ihres Widersachers zu betreten, und verhandeln nur noch über den Zaun hinweg. Dabei können spöttische Zurufe, Beleidigungen und Unterstellungen den besänftigten oder nur mühsam unterdrückten Zorn aufs neue entflammen und zu Drohungen und sogar zu Prügeleien herausfordern. Vergleiche französisch ›chercher à quelqu'un une querelle d'Allemand‹ (wörtlich: jemanden auf deutsche Art provozieren).Den Streit suchen: sich über Kleinigkeiten erregen, sich überall einmischen, alles besserwissen wollen, Freude an Zwietracht und Auseinandersetzungen haben; vgl. französisch ›chercher querelle‹.Oft wird Streit tatsächlich gesucht, weil man sich nach den vorhandenen Vorzeichen, die auf ihn deuten, bereits darauf eingestellt hat. Nach verbreitetem Volksglauben ist ein Streit nämlich unumgänglich, wenn man zum Beispiel Salz oder gar Pfeffer verschüttet hat, wenn die Messer zufällig gekreuzt auf dem Tisch lagen, wenn spitze Gegenstände, wie Messer, Gabel, Schere, beim Herunterfallen im Boden stecken blieben oder wenn man sie geschenkt erhielt, wenn man sich bei einer Begrüßung mehrerer Personen die Hände über Kreuz gab, wenn man sich gegenseitig die Hände besah oder wenn jemand während des Essens ins Haus kam. Auch eine Verunreinigung sollte zu Streit und Feindschaft führen; sie erfolgte, wenn man mit dem gleichen Löffel aß, ohne ihn abzuwischen, oder dasselbe Waschwasser oder Handtuch benutzte.Dagegen: Jedem Streit aus dem Wege gehen: überaus friedfertig sein, nachgeben (›bis zur Charakterlosigkeit‹) und sogar auf sein Recht verzichten.Keinen Streit auslassen: sich gern unter die streitenden Parteien mischen, sich an einer gewalttätigen Auseinandersetzung beteiligen.Auf keinen Streit verzichten: jede kleinste Affäre hochspielen und sogar Freude an deren Eskalation empfinden.Einen Streit hervorrufen (verursachen): aus Böswilligkeit, Eifersucht oder Mißgunst alles tun, um Freunde und Eheleute zu entzweien. Selbst Zaubermittel und magische Handlungen dienten diesem Zweck, so sollten zum Beispiel bestimmte Kräuter, wie Farn, Immergrün, Labkraut, Teufelsabbiß und fünfblättriger Klee, Unfrieden ins Haus bringen oder Streit unter den Gästen bewirken.In einen Streit verwickelt werden: als Außenstehender eine Auseinandersetzung gütlich beenden wollen, aber durch sein Eingreifen das Gegenteil erreichen, für jemanden Partei ergreifen und deshalb, ohne es recht zu wollen, mit in den Ärger, den Prozeß, die Schlägerei gezogen werden; vgl. französisch ›être mêlé à une querelle‹.Einen Streit schlichten (wollen): ihn beilegen (wollen), jedem zu seinem Recht verhelfen, die Erzürnten besänftigen, durch vernünftige Argumente überzeugen und eine zufriedenstellende Übereinkunft herbeiführen. Das Verb, das mit der Redensart fest verbunden ist, erscheint bereits in mittelhochdeutscher Zeit als ›slichten‹ in der Bedeutung von ausgleichen, entscheiden, beruhigen, Recht erteilen. So sprechen wir noch heute von einem ›Schlichtungsverfahren‹ vor Gericht oder bei Tarifverhandlungen.Etwas ist ein Streit um die Geißwolle (um des Kaisers Bart), ⇨ Bart: es ist eine unnötige und zwecklose Auseinandersetzung um eine geringfügige oder niemals mit Sicherheit zu entscheidende Sache.Die Streitaxt begraben: Frieden schließen, die Feindseligkeiten einstellen. Diese Redensart ist weniger häufig als die Wendungen ›Das Kriegsbeil begraben‹ und ›Eine Friedenspfeife rauchen‹, erinnert aber wie sie an die Bräuche der nordamerikanischen Indianer, ⇨ Friedenspfeife.Ein Streithammel sein: unbelehrbar auf seiner Meinung beharren, als unduldsam und leicht erregbar gelten, stets angriffslustig sein und immer Anlaß zu Streitigkeiten geben. Der sprachliche Vergleich beruht auf guter Tierbeobachtung. ⇨ Neid.Streiten, wer die Hose anhat: sich in der Ehe auseinandersetzen, wer die Entscheidungen treffen darf, das heißt wer der eigentliche Herr im Hause ist. Dies wird zum Problem, wenn die Frau ihrem Mann überlegen ist und sie seine Unterordnung unter ihren Willen anstrebt. Zahlreiche Abbildungen, Erzählungen und Schwänke haben den Streit um die Männerhose zum Thema, ⇨ Hose.Sich um des Esels Schatten streiten: um eine nichtige Sache Prozesse führen, ⇨ Esel.Sich streiten, ob man gesottene Eier am dicken oder am dünnen Ende anschlagen müsse: eine sinnlose Auseinandersetzung führen.Sie streiten sich um ein Ei und lassen die Henne fliegen: sie beharren kleinlich auf ihrem Recht und bemerken deshalb nicht den Verlust von etwas viel Wertvollerem. Ähnliche Bedeutung hat das bekannte Sprichwort ›Wenn zwei sich streiten, freut sich der dritte‹, das heißt, der Unbeteiligte nimmt seinen Vorteil wahr.Ferdinand Raimunds ›Hobellied‹ aus dem Zaubermärchen ›Der Verschwender‹ (1833), das volkstümlich geworden ist, macht die Fruchtlosigkeit des Streites besonders deutlich, denn es heißt darin:Da streiten sich die Leut, herumWohl um den Wert des Glücks.Der eine heißt den andern dumm,Am End' weiß keiner nix!Scherzhaft-ironisch sagt man deshalb auch, wenn man die anderen auf die Lächerlichkeit ihres Streitens hinweisen will: Streitet euch nicht, schlagt euch lieber!Jemandem etwas streitig machen: einem anderen nicht nachgeben wollen in einer strittigen Sache, seinen Anspruch, seinen Besitz (Anrecht) anzweifeln.• W. MÜLLER-BERGSTRÖM: Artikel ›Streit‹, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens VIII, Spalte 532-540.Wenn zwei sich streiten, freut sich der dritte. Hernando de Soto: Emblemas – Moralizadas, Madrid 1599.
Das Wörterbuch der Idiome. 2013.