- Tür
- Mit der Tür ins Haus fallen: etwas unvorbereitet vorbringen wie einer, der, anstatt erst an die Türe zu klopfen und dann ins Haus zu treten, die Tür einstürmt. So erklärt 1639 Lehmann (S. 826 ›Vngeschicklichkeit‹ 1): »Der vngeschickt fält mit der Tür ins Hauß, ist auß der Plumpardey, platzt drein wie ein Saw in Rübenakker, wie ein Pfeiffer ins Wirthshauß«. Die Redensart ist seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts bezeugt.In den Mundarten gibt es z.T. abweichende Varianten, z.B. rheinisch ›Dä fällt mit der Schürendür en et Hus‹.Mit ihm kann man Türen einrennen: er ist sehr dumm, eigentlich: seine Knochendecke ist so dick, daß sie für das Gehirn wenig Platz läßt (in Berlin 1950 gebucht).Offene Türen mit etwas einrennen: nichts Neues zur Sprache bringen, sich unnötige und damit vergebliche Mühe machen, etwas mühsam klarstellen, worüber ein Zweifel gar nicht besteht; ebenso englisch ›to force an open door‹; niederländisch ›een open deur, open deuren intrappen‹; französisch ›enfoncer des portes ouvertes‹.Jemandem eine Tür öffnen: ihm zu wichtigen Bekanntschaften, zu Arbeit verhelfen.Jemandem stehen alle Türen offen: er wird überall gerne gesehen, hat einzigartige Verbindungen.Sich eine Türe offen halten: sich einen Ausweg sichern; vgl. französisch ›se réserver une porte de sortie‹ (Ausweg sichern). Schwäbisch ›alle Türen aufstoßen‹, alle Mittel versuchen; ›es geht alleweil wieder e Tür auf‹, es kommt immer wieder unvorhergesehene Hilfe.Einer Sache Tür und Tor öffnen: ihr ungehinderten Eingang verschaffen. Die stabreimende Zwillingsformel ›Tür und Tor‹ ist scheinbar eine Tautologie, aber etwa bei dem charakteristischen Hofeingang des mitteldeutschen Hauses gibt es beides nebeneinander: die Tür für den Menschen und das Tor für das Großvieh und für die Erntewagen; man kann aber auch an die Unterscheidung von Haus-Tür und Hof-Tor denken.Am 6. September 1899 richtete der Staatssekretär John Hay (1838-1905) ein Rundschreiben an alle amerikanischen Botschafter im Ausland, um die Aufrechterhaltung der offenen Tür in China zu sichern. Es wurde darin der Wunsch der Vereinigten Staaten ausgesprochen, daß die Märkte in China dem Handel der ganzen Welt geöffnet würden. Am 27. März 1901 erschien dann zu Washington eine Sammlung aller zwischen den Vereinigten Staaten und anderen Mächten über die ›Politik der offenen Tür‹ gewechselten Noten.Das Wort stammt aus der Bibel. Wörtlich kommt die Wendung vor in Offb 3, 8, wo es heißt: »Ich weiß deine Werke. Siehe, ich habe vor dir gegeben eine offene Tür, und niemand kann sie zuschließen«. 2 Kor 2, 12 spricht Paulus von einer ihm zur Predigt des Evangeliums aufgetanen Tür. Vielleicht ist durch die bibelkundigen Angelsachsen dieses Wort zu einem Schlagwort der modernen Weltpolitik geworden. Aber im politischen Sinne gebraucht den Ausdruck ›offene Tür‹ bereits Bismarck in einem in ›Gedanken und Erinnerungen‹ (I, 184) veröffentlichten Brief an Gerlach, wo er sagt: »Ich bin gar nicht für ›Defensiv-Politik‹; ich sage nur, daß wir ohne aggressive Absichten und Verpflichtungen uns auf die Annäherungsversuche Frankreichs einlassen können, daß dieses Verhalten uns gerade den Vorteil bietet, uns jede Tür offen, jede Wendung frei zu erhalten, bis die Lage der Dinge fester und durchsichtiger wird« (Büchmann).Hinter verschlossenen Türen: geheim, unter Ausschluß der Öffentlichkeit verhandeln; vgl. französisch, ›à huis clos‹.Vor verschlossenen Türen stehen: keine Unterstützung finden.Robert Musil hat in einer Betrachtung über ›Die Tür‹ Redensarten, die die Tür zum Gegenstand haben, gehäuft eingesetzt: »Die vornehmen Leute öffneten oder verschlossen ihre Türen, und der Bürgermeister konnte mit ihnen außerdem ins Haus fallen. Er konnte zwischen Tür und Angel seine Geschäfte erledigen. Konnte vor seiner oder einer fremden Tür kehren. Er konnte jemandem die Tür vor der Nase zuschlagen, konnte ihm die Tür weisen, ja konnte ihn sogar bei der Tür hinauswerfen«.Die Türe in der Hand haben: zum Aufbruch bereit sein.Einer gibt dem anderen die Türe in die Hand: ein Besucherstrom reißt nicht ab. Hinter der Türe Abschied nehmen: ohne Abschied fortgehen, findet sich ähnlich bei Sebastian Franck (›Zeytbuch‹ CCXXXVb): »Nam hinder der Thueren vrlaub«.Die Tür von außen zumachen: sich entfernen.Du kriegst die Tür nicht zu!: Ausdruck der Verwunderung der burschikosen Sprache seit 1930. Tür steht für den offenstehenden Mund des sprachlos Staunenden.Jemandem die Tür zeigen (weisen): ihn schimpflich fortgehen heißen. So bei Hans Sachs ›Der kram der narren kappen‹ (16):Wen einer hat nimer gelt herfür,So weisen wir im die haustür.Die Redensart ist auch 1580 bei Fischart (›Bienenkorb‹ 50b) belegt: »Schreiben die Vätter undienliche Sachen für sie (die römische Kirche), so zeigt sie inen die Thür und leßt sie lauffen«. Vergleiche französisch ›montrer la porte à quelqu'un‹. Die unfreundliche Aufforderung Vor der Tür ist draußen! verwendet Abraham a Sancta Clara gerne (z.B. ›Judas‹ II, 282, III, 64; ›Reim dich‹ 131.184.248; ›Gehab dich wohl‹ 20.258). ›Jemanden mit der Tür schlagen‹, ihn zum Haus hinausjagen (schwäbisch, Fischer II, 478). ›Einem die Thür vor den Hintern schlagen‹, ihn unsanft hinausbefördern (Wander IV, 1196).Jemandem die Türe vor der Nase zuschlagen: einen grob, unhöflich abweisen, taucht seit dem 17. Jahrhundert vielfach in der Literatur auf. Der früheste Beleg ist 1615 in ›Der Landstörzer Gusman von Alfarache‹ von Ägidius Albertinus (S. 206) gegeben. Vergleiche französisch ›fermer à quelqu'un la porte au nez‹.Von Tür zu Tür gehen: betteln; vgl. französisch ›aller de porte en porte‹ oder ›faire du porte à porte‹, letzteres auch im Sinne von hausieren; Türklinken putzen: betteln gehen, ist aus der Gaunersprache in Umgangssprache und Mundarten gelangt.Bekannt sind auch: Tür an Tür (wohnen): nebeneinander; vgl. französisch ›habiter porte à porte‹ und Vor der Tür stehen: nahe bevorstehen, das Adelung (IV, 596) 1801 aufnimmt (vgl. ›Jemandem den Stuhl vor die Tür setzen‹, ⇨ Stuhl). Auf einen alten Rechtsgrundsatz weist die Wendung Der letzte macht die Tür zu: der überlebende Gatte erbt unter Ausschluß der Verwandten.(Erst) vor der eigenen Türe kehren: zunächst einmal die eigenen Angelegenheiten in Ordnung bringen (ehe man sich in anderer Leute Angelegenheiten einmischt). G. Rollenhagen (1542-1609) läßt 1595 in seinem ›Froschmeuseler‹ die wohl schon damals sprichwörtliche Weisheit vortragen:Für seiner tür ker jeder fein,So wirds in der ganzen Stadt rein.Zwischen Tür und Angel: in einer bedrängten Lage, ›in der Klemme‹, in größter Eile, eigentlich: zwischen zwei Möglichkeiten eingekeilt, ohne zu wissen, welche man ergreifen soll. Schon der mittelhochdeutsche österreichische Dichter Peter Suchenwirt (2. Hälfte des 14. Jahrhunderts) kennt die Redensart:Ein sprichwort ist lang gesait:Wer zwischen tüer und angelstöszt seinen vinger unverzait,der gewint an frewden mangel.Luther gebraucht die Redensart in seinen ›Tischreden‹ (91b): »Wiewol ich zwischen Thür und Angel komme und gedrenget muß werden«. Sebastian Franck verzeichnet sie 1541 in seiner Sprichwörter-Sammlung: »Ich stehe zwischen thür vnnd angel, weyss nit, ob ich auss oder ein sol«. Die gleiche Bedeutung hat die niederdeutsche Redensart ›tüschen Bork und Boom stecken‹. Vergleiche ›dürängeln‹, durchprügeln, quälen, plagen.Komplimentieren sich zwei Personen zu gleicher Zeit in eine Tür hinein, so sagt man dazu scherzhaft: ›Das ist ja eine Türquälerei!‹• R. KÖHLER: Dürängeln, in: Kleinere Schriften, Bd. III (Berlin 1900), S. 632f; L. WEISER- AALL: Artikel ›Tür‹, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens VIII, Spalte 1185-1209.}Mit der Tür ins Haus fallen. Handkolorierter Kupferstich aus: Sprichwörter, deutsche, eine Auswahl vorzüglicher alter Denk- und Weisheitssprüche zur Veredlung des Geistes und Herzens. Ein Bilderbuch für die Jugend, Nürnberg um 1836.
Das Wörterbuch der Idiome. 2013.