Achsel

Achsel
Etwas auf seine Achseln (Schultern) nehmen: eine Sache und deren Folgen auf sich nehmen, die Verantwortung dafür übernehmen. Gleichbedeutend sind die Redensarten: ›Etwas auf seine Kappe nehmen‹, Kappe.
   Etwas auf die leichte Achsel (Schulter) nehmen; etwas für leicht, unwichtig oder unbedeutend ansehen und deshalb vernachlässigen oder nicht beachten. Die Achsel selbst ist weder leicht noch schwer; ›Leichte Achsel‹ meint eigentlich die weniger tragfähige Schulter, auf der man nur leichtere Lasten zu tragen gewohnt ist. Nicht mehr im wörtlichen, sondern im bildlichen, zur Redensart gewordenen Sinn findet sich die Wendung bereits seit frühneuhochdeutscher Zeit, so in der ›Zimmerischen Chronik‹ (II, S. 435): »Solchs gab graf Wilhalmen wenig zu schaffen, nams uf die leicht achsel und schluegs in wind«. Ähnlich schon im Lateinischen bei Horaz (Sat. 2,3,172): »sinu laxo ferre aliquid« (eigentlich: etwas nachlässig im weiten Bausch [der Toga] tragen).
   Auf beiden Achseln tragen (mundartlich zum Teil noch erweitert, z.B. badisch ›auf zwei Achseln Wasser tragen‹): es mit keinem (von zweien) verderben wollen, es mit beiden Parteien halten, wie ein Träger, der die Last bald auf die linke, bald auf die rechte Schulter schiebt. Die Redensart ist schon in den Kampfschriften der Reformationszeit ganz geläufig. Bei Valentin Holl (1525/26) wird von einer Frau gesagt:
   Wan sy kann lachen, wainen, wann sy will,
   Vnd schießen ferr vnd nach zum zil,
   Auff baiden achßlen tragen.
Ähnlich in Murners ›Mühle von Schwindelsheim‹ (V. 595):
   Mit beyden achslen kan ich gigen,
   Wo ich nit wil bieten Welsch figen.
In einem makkaronischen Gedicht, das u.a. in der ›Zimmerischen Chronik‹ (IV, 21) bewahrt worden ist, wird von Nürnberg gesagt:
   Witz habuit Nürnberg, achsla tragavit utraque
   Rathschlegis vestris sensit in esse metum.
   Vgl. auch ›Den Mantel auf beiden Schultern tragen‹, Mantel.
   Das Schimpfwort ›Achselträger‹ für einen unaufrichtigen, schwankenden Höfling begegnet im Ausgang des 16. Jahrhunderts bei Nikodemus Frischlin und wurde im Sinne der heutigen Schelte ›Konjunkturritter‹ bald sehr beliebt.
   Einen über die Achsel ansehen: ihn mit geringschätzigem Blick (›Achselblick‹) ansehen, ihn verachten. Der früheste bekannte mittelhochdeutsche Beleg steht im Nibelungenlied (Strophe 447), wo von Brünhild gesagt wird: »mit smielendem (lächelndem) munde si über achsel sach«. In Sebastian Brants ›Narrenschiff‹ (1494) heißt es: »Man sicht den über die Achslen an«. Auch im Französischen ist die Redensart ›regarder quelqu'un par-dessus l'épaule‹ geläufig (vgl. niederländisch ›iemand over de schouder aanzien‹ – ›over zijne schouders zien‹). Die deutschen Mundarten kennen noch mancherlei Varianten der Redensart, z.B. schweizerisch ›Du hättest zuerst über deine Achsel sehen sollen‹, vor deiner eigenen Tür kehren sollen (1677 zum erstenmal belegt); bairisch ›über die Achsel naus blasen‹, wobei die Andeutung des leichten Gewichtes die geringschätzige Meinung noch vermehrt; bairisch ›über die Achsel naus!‹, ich denke gar nicht daran; ähnlich ›über die Achsel nüber‹, im Gegenteil (›Der ist nobel. – Ja, über die Achsel nüber‹). Vgl. ›Jemandem die kalte Schulter zeigen‹, Schulter.
   Mit den Achseln zucken: etwas mit Bedauern ablehnen; ursprünglich eine Reflexbewegung zu Abwehr und Selbstschutz; seit dem 17. Jahrhundert als Redensart mit dem Sinn der Zurückweisung; vgl. französisch ›hausser les épaules‹.
   Die Füße über die Achsel nehmen: die Beine unter den Arm nehmen ( Bein); mundartlich, besonders schweizerisch geläufig.
• H. BURGER: Die Achseln zucken – Zur sprachlichen Kodierung nicht-sprachlicher Kommunikation, in: Wirkendes Wort 26 (1976), S. 311-334.

Das Wörterbuch der Idiome. 2013.

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