- Angebinde
- Etwas zum Angebinde geben: ein Festgeschenk machen. Die Redensart kommt von der seit dem 16. Jahrhundert bezeugten Sitte, Bräuten, Wöchnerinnen und neugeborenen Kindern mit einem Seidenband ein Geschenk an den Hals oder den Arm anzubinden. Seit dem Ende des 17. Jahrhundert bedeutets Angebinde allgemein Geschenk zum Geburts- oder Namenstag. Goethe schreibt:Zarter Blumen leicht GewindeFlecht ich dir zum Angebinde.In Grillparzers Drama ›Ein treuer Diener seines Herrn‹ (1830, 2. Akt) erinnert Otto von Meran die Königin:Du weißt, wir feiern heuteDas Wiegenfest des Kleinen, deines Sohns.Die Herren sind, die Fraun bei uns versammeltUnd binden ihn mit kleinen Gaben an.Konnte der Gratulant dem Geburtstagskind das Angebinde nicht selbst anbinden, so fügte er der übersandten Gabe das Seidenband in einem besonderen ›Anbindbrieflein‹ bei. Dieses Wort erscheint auch als Titel von Büchern Wolfh. Spangenbergs (1611) und Ed. Gärteners (1659). Als Paul Fleming einen Geburtstag der Liebsten fern von ihr verbringen mußte, klagt er in einem Gedicht:Wie glückhaft war ich doch zu jener Zeit zu schätzen,Da ich in Gegenwart sie kunte binden an.Als die Erinnerung an die ursprüngliche Sitte mehr und mehr verblaßte, hat man Angebinde nicht allein auf Geldgeschenk beschränkt, sondern wandte den Ausdruck auf jede Festgabe und jeden festlichen Schenkanlaß an. Neben anbinden kommt bei Geschenken an Wöchnerinnen und Täuflinge auch die Form ›Einbinden‹ – ›Eingebinde‹ vor, weil das Geschenk in ein Tuch oder auch in die Windeln eingebunden wurde. Noch zu Beginn unseres Jahrhunderts wurde mancherorts, z.B. in Sachsen, das Geldgeschenk in den Patenbrief gelegt und in das Steckkissen des Kindes gesteckt.Einen anbinden: ihn festhalten. Die Redensart hat ihren Ursprung in dem Brauch, jemanden so lange festzuhalten, bis er sich durch ein Lösegeld oder Trinkgeld befreit. Am bekanntesten ist das Anbinden des Bräutigams im Hochzeitsbrauchtum. Die Dorfkinder spannen eine Schnur über die Straße und halten das Brautpaar beim Verlassen der Kirche so lange fest, bis der Bräutigam sich mit Geld loskauft. Auf ähnliche Weise wurden der Gutsherr oder der Gutsverwalter beim Beginn der Ernte von den Schnittern und Landarbeitern, der Bauherr beim Betreten des im Bau befindlichen Hauses von den Bauhandwerkern angebunden (auch: ›Mit der Schnur verzogen‹ oder ›Geschnürt‹) und nicht eher aus dem Hause gelassen, als bis er etwas zum besten gegeben hatte.Mit einem anbinden: feindlich mit ihm zusammengeraten, Händel, Streit anfangen. Die Redensart stammt aus der Sprache der Fechter: Beim Beginn eines Ganges binden die Kontrahenten die Klingen, indem sie sie kreuzweise aneinanderlegen. Die Fechter banden sich auch gegenseitig den Degen an das Handgelenk, damit die Waffe während des Kampfes nicht weggeschlagen werden konnte (⇨ Portepee). Die Wendung hat heute die allgemeine Bedeutung: sich mit einem zu schaffen machen, ebenso wie Anbändeln: ein Liebesverhältnis beginnen.Angebunden sein: nicht wegkönnen, nicht über seine Zeit frei verfügen können, wegen der Familie, wegen des Berufs oder aus anderen Gründen an einen bestimmten Ort gebunden sein.Kurz angebunden sein: in mürrischer, abweisender Stimmung sein, barsch, unwillig oder schnippisch antworten, sich nicht weitläufig auslassen. Das Bild der Wendung kommt wohl von dem kurz angebundenen Hofhund, der als bissig gilt. Luther hat diese Redensart bereits unter seinen Sprichwörtern notiert und gebraucht sie auch sonst: »Wäre der Bauer ungeduldig und kurz angebunden«.• J.J. HORNUS: Über die alterthümliche Sitte der Angebinde bei Deutschen, Slaven und Litauern (Prag 1855); J. GRIMM: Über Schenken und Geben, in: Kleinere Schriften, Bd. 2 (Berlin 1865), S. 173-210; Zeitschrift für deutsches Altertum, 53 (1912), S. 152 ff.; RICHTER-WEISE, Nr. 3; Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens I, Spalte 435; D. DÜNNINGER: Wegsperre und Lösung. Formen und Motive eines dörflichen Hochzeitsbrauches (Berlin 1967); E. MEHL: Woher kommt der Ausdruck ›mit jemandem anbinden‹ (österreichisch ›anbandeln‹)?, in: Muttersprache 78 (1968), S. 50; O. HOLZAPFEL: Zur Phänomenologie des Ringbrauchtums, in: Zeitschrift für Volkskunde 64 (1968), besonders S. 46; L. KRETZENBACHER: »anbinden« als Kultidee und als Devotionalform, in: Bairisches Jahrbuch für Volkskunde [1976/ 77], S. 150-156.}Mit einem anbinden. Talhoffer's Fechtbuch, Bilderhandschrift von 1467, Herzogliche Bibliothek Gotha.Kurz angebunden sein. Zeichnung von Brisolla, Abbildung 18.
Das Wörterbuch der Idiome. 2013.