gesund

gesund
Sich gesund machen (stoßen): zu Vermögen (günstiger Stellung u.a.) kommen, seinem Geldmangel abhelfen, sich bereichern. Die Wendung stammt aus der Börsensprache: man stößt Aktien ab und ist nach dem Börsensturz wirtschaftlich gefestigter als der Aktieninhaber. Die Redensart ist jung und wird meist in tadelndem Sinn unter Anspielung auf unsaubere geschäftliche Praktiken gebraucht. Sie geht parallel mit der seit der Mitte des 19. Jahrhunderts gebräuchlichen Übertragung des Wortes gesund auf wirtschaftliche Vorgänge.
   Gesundschrumpfen: einen unrentablen Betrieb durch Abbau von Personal und ähnliche Maßnahmen oder (bei Großunternehmen) durch Schließung eines ganzen Wirtschaftszweiges wieder auf eine Basis der betrieblichen Rentabilität zurückführen (spöttisch auch von Bankrotteuren gesagt, die nach dem Bankrott wieder mit einem anderen Geschäft neu beginnen). Im allgemeinen wird der Ausdruck ›gesund‹ jedoch nach wie vor hauptsächlich auf Menschen und Tiere bezogen, wobei der Grad der Gesundheit verdeutlicht wird durch redensartliche Vergleiche mit Dingen, Menschen, Pflanzen und Tieren, wie z.B. Gesund sein wie Eisen, ›... wie Stahl‹, ›... wie ein Russe‹ (der im allgemeinen als besonders robust gilt), ›... wie eine Eiche‹, ›... wie ein Baum‹, ›... wie ein Pferd‹, ›... wie ein Vogel (in der Luft)‹, ›... wie ein Hecht‹, ›... wie ein Fisch (im Wasser)‹ usw. Fisch.
   Daß die Vergleiche mit der Tier- und Pflanzenwelt heute nur noch bedingt zutreffen, geht unter anderem aus verschiedenen neueren Wendungen wie ›Kranker Wald‹, ›Fischsterben‹, ›Robbensterben‹ hervor. Andere Redensarten dagegen, die eine gute Gesundheit bescheinigen, haben ihre Gültigkeit behalten, so beispielsweise die Wendung Vor Gesundheit strotzen oder ›kerngesund sein‹.
   Eine oberbayerische Redensart bezeichnet ›ungesunde‹ Verhältnisse durch die Feststellung: ›E Gsunder halt's aus, und um andre ist's net schad‹.
   Seine Gesundheit aufs Spiel setzen: durch wagemutige Unternehmungen gefährden.
   In dieser Form ist die Redensart schon bei Goethe und Gottsched bezeugt.
   Gesundbeterei betreiben: Ursprünglich: einem Kranken allein durch Beten helfen wollen, ohne für medizinische Hilfe zu sorgen. Heute wird die Redensart im übertragenen Sinne gebraucht. Man meint damit große Reden darüber, was getan werden sollte, denen aber keine konkreten Handlungen folgen.
   Ein Gesundbrunnen für jemanden sein: ihn regenerieren, ihn positiv beeinflussen, Jungbrunnen.
   Auf seine Gesundheit achten: alles unterlassen, was der Gesundheit abträglich ist. In früherer Zeit bedeutete das vor allem: die Gesundheitsregeln einhalten, wie sie z.B. in der Spruchliteratur begegnen:
   drei ding sindt gesundt:
   wenig esz dein mundt,
   üb dich alle stund,
   lauf nicht wie ein hund.
   (Sebastian Franck: ›Sprichwörter‹ [1541], 1,45).
Ein Gesundheitsapostel sein bedeutet dagegen, bestimmte, mitunter ausgefallene Gesundheitsregeln fanatisch befolgen und auch andere von deren ausschließlicher Richtigkeit überzeugen wollen.
   Die Sitte, dem Niesenden einen Heilwunsch (›Gesundheit!‹) zuzurufen, ist alt und beruht auf der Vorstellung, daß sich durch das Niesen Veränderungen in der Konstitution des Niesenden offenbaren, denen man mit dieser Wunschformel entgegentreten wollte. Die ältere Formel war ›Helf Gott‹, das neben anderen Wendungen wie ›Prosit!‹, ›Wohl bekomm's!‹ weiterbesteht. Eine Erklärung dieses Brauchs findet sich unter anderem in einem literarischen Beleg der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts: »das niesen ist eine operation, wo durch grosze übel entstehen können. dieses ist die ursache, warum man prosit sagt, gott gebe, dasz dir dies nicht schaden möge« (G. Chr. Lichtenberg: Vermischte Schriften [1844ff.], 2, 29).
   Die gleichen Wendungen sind auch bekannt durch das Zutrinken und Zuprosten (in den Frühbelegen ›Gesundheitstrinken‹ genannt). Dieses wird unter anderem schon bei J. Mathesius erwähnt (›Sarepta oder Bergpostilla‹, 1587): »kombt an die ort, da es lendlich und sittlich ist, einen gesandten, von seines gesunds wegen, einen starcken trunck zu bringen«, und bei Albertinus, 1617): »wofern das zubringen und gesund trünck sauffen nur uber tisch und in währender mahlzeit geschehe«.
   Im 17. Jahrhundert erscheint der Wunsch unter anderem in französischer und lateinischer Fassung in einem Vers (›bon vinum‹, 1668, in: Hoffmann v. Fallersleben: ›Die deutschen Gesellschaftslieder des 16. und 17. Jahrhunderts‹, 2, No. 247):
   à la santé! hor hie
   en tibi hocce poculum
   à tout compagnie!...
   hunc tibi wiederum
   saluti dieses römerlein.
Später findet man den Wunsch als Ausruf des Jägers bei Schiller in ›Wallensteins Lager‹: »Euch zur Gesundheit, meine Herrn!«, und bei Goethe in ›Goetz von Berlichingen‹: »Auf Gesundheit Eurer Frau!«
   ›Das haut den Gesündesten um!‹ bezieht sich zumeist auf ein starkes alkoholisches Getränk.
   ›Gesunde Ansichten haben‹: Ansichten, die bei den meisten Menschen auf Zustimmung stoßen, weil sie allgemeinen Erfahrungen entsprechen. Ähnlich: ›(Einen) gesunden Menschenverstand haben‹: die Dinge gegeneinander abwägen können.
• A. PERKMANN: Artikel ›Gesundbeten‹, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens III, Sp. 772-780; W. ESCHER: ›Formeln beim Niesen‹, in: Atlas der schweizerischen Volkskunde (1963), II,547-559 und Karten Nr. 241-242; G. GROBER-GLÜCK: Motive und Motivationen in Redensarten und Meinungen (Marburg 1974), 0263 104ff., S. 153-165.

Das Wörterbuch der Idiome. 2013.

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