läuten

läuten
Er hat etwas Iäuten hören: er hat davon reden hören, weiß aber nichts Genaues; er hat noch nichts Endgültiges gehört, nicht das Ganze erfaßt, sein Wissen bleibt oberflächlich. Die Redensart ist verkürzt aus einer ursprünglich längeren Wendung: ›Er hat etwas läuten hören, weiß aber nicht, wo die Glocken hängen‹; in anderen Versionen: ›Er hat läuten hören, weiß aber nicht wo‹, ostpreußisch ›ostpreußischHei heft wat lüdde gehört, wêt aber nich ön welk Kärch (ön welken Derp)‹, ›Er hat läuten hören, aber nicht zusammenschlagen‹. In dieser letzten Form war die Redensart schon Luther bekannt. In Chr. Weises ›Kleine Leute‹ findet sich die Wendung: »Der liebe Herr Bürgermeister hat läuten hören, aber er weiß nicht in welchem Dorfe«. Mit einer anderen der schon angeführten Fortsetzungen findet sich die Redensart bei Friedrich Nicolai in den ›Briefen, die neueste Literatur betreffend‹ (1761-67): »Wenn ein Kenner der Malerei etwas anderes davon sagen kann, als – um mit einem Gottschedischen Kern- und Sprichworte zu reden – der Verfasser habe die Glocken läuten gehört und wisse nicht, wo sie hängen«. Lessing tadelt einen Kritiker: »Wenigstens hat der, von welchem sich diese Berichtigung herschreibt ... nur läuten hören, ohne im geringsten zu wissen, wo die Glocken hängen«. Goethe schreibt aus Italien: »Von dem deutschen Kunstsinn und dem dortigen Kunstleben kann man wohl sagen, man hört läuten, aber nicht zusammenklingen«. Diese Formulierung führt auch zur Erklärung der Redensart; ihr kulturgeschichtlicher Hintergrund ist nämlich der alte kirchliche Brauch, nach dem zum Hauptgottesdienst zunächst zweimal mit einer einzelnen Glocke und erst beim dritten Male mit sämtlichen Glocken zusammengeläutet wurde. Eine Art Illustration der Redensart bietet H. Chr. Andersens Märchen ›Die Glocke‹. Die Bedeutung der verschiedenen Glockenzeichen ist nur dem Eingeweihten bekannt. Noch ohne auf unsere Redensart Bezug zu nehmen, schreibt Geiler von Kaysersberg in seinen ›Brösamlein‹ (1, 44a): »Wenn man sunst in den Rat lütet, der ein Ratsherr ist, der verstot dabei, das er in den Rat sol gon, wer ein frembder Man, der da wißt nit, was das Lüten bedüte, er hörte die Glocken wol«. Positiv gewendet, hört man die Redensart Davon habe ich etwas läuten hören. Der Sinn bleibt aber der gleiche: davon weiß ich, aber nichts Genaues.
   Die Bedeutung des Läutens als Zeichen zeigt auch die rheinische Redensart Für dich hat's geläutet: für dich ist es Zeit geworden zu verschwinden. Die gehen für's Läuten in die Kirch sagt man im Rheinland von einem Brautpaar, das bereits vor der Hochzeit zusammen lebte. Von dem, der lieber ins Wirtshaus als in die Kirche geht, heißt es: ›Er geht lieber in die Kirch, wo mit den Gläsern (beim Zuprosten) zusammengeläutet wird‹. Wer sich zwischen zwei Dingen nicht entscheiden kann und beide zugleich möchte ›Will zugleich läuten und mit der Prozession gehen‹. Meist von den Spielzeugen der Kinder sagt man: ›Sie halten von 11 bis Mittag, es muß aber gleich läuten‹, d.h. sie halten keine Stunde. Die Wendung geht auf das im Dorf gewohnte Mittagsläuten um 11 und um 12 Uhr zurück und ist vor allem im Rheinland und in Schwaben weit verbreitet. ›Et laid Schoofs‹ oder ›et laid op et Schoof‹ sind rheinische mundartliche Umschreibungen für das Läuten der Totenglocke; sie beziehen sich darauf, daß die Toten früher auf Stroh aufgebahrt wurden, Schoof.
   Dem Esel zu Grabe läuten Esel.
• K. HELM: Artikel ›Läuten‹, in: Handbuch des Aberglaubens V, Spalte 938-950; M. WILLBERG: Die Musik im Sprachgebrauch, in Sprichwörter, in Redensarten ..., in: Die Muttersprache (1963), S. 201ff.; weitere Literatur Glocke.

Das Wörterbuch der Idiome. 2013.

Игры ⚽ Поможем написать курсовую

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • lauten — lauten …   Deutsch Wörterbuch

  • Läuten — Läuten, verb. reg. welches das Activum des vorigen ist. 1) * In weiterer und eigentlicher Bedeutung, einen Laut oder Laute verursachen, hervor bringen. In dieser Bedeutung ist es im Hochdeutschen veraltet; indessen kommt es in derselben noch bey… …   Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart

  • Lauten — Lauten, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert. 1. Stimme und Laut von sich geben, sich dem Gehöre merkbar machen. 1) Eigentlich. Er ist so heiser, daß er nicht lauten kann, wofür im gemeinen Leben auch auslauten üblich ist.… …   Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart

  • lauten — V. (Grundstufe) einen wörtlichen Inhalt haben Beispiele: Wie lautet die Frage? Seine Antwort lautete: etwa drei Jahre . lauten V. (Aufbaustufe) in einem bestimmten Dokument erwähnt werden, einen bestimmten Inhalt haben Beispiele: Die Strafe… …   Extremes Deutsch

  • läuten — V. (Mittelstufe) helle Laute von sich geben Synonyme: klingen, bimmeln (ugs.) Beispiel: Jeden Sonntag um zehn beginnen die Kirchenglocken zu läuten …   Extremes Deutsch

  • läuten — Vsw std. (8. Jh.), mhd. liuten, ahd. (h)lūten, liuten u.ä. Stammwort Aus wg. * hlūd ija Vsw. laut machen, lärmen, tönen , auch in ae. hlӯdan. Faktitivum zu dem Adjektiv laut, in der neueren Sprache auf Glocken usw. eingeschränkt. ✎ Röhrich 2… …   Etymologisches Wörterbuch der deutschen sprache

  • lauten — ↑ laut …   Das Herkunftswörterbuch

  • läuten — [Basiswortschatz (Rating 1 1500)] Auch: • klingeln Bsp.: • Die Glocke läutete. • Jack läutet an der Türglocke …   Deutsch Wörterbuch

  • Läuten — 1. Dat loa k luien, sach de Köster, doa was me sin Wyf afstuoarwen. (Hemer in der Grafschaft Mark.) – Frommann, III, 6. Der Ton liegt auf lasse. Diesmal lasse ich läuten, ich läute nicht selbst. 2. Es ist zu spät geläutet, wenn die Kirchkinder da …   Deutsches Sprichwörter-Lexikon

  • läuten — läu·ten; läutete, hat geläutet; [Vt] 1 etwas läuten bewirken, dass eine Glocke Töne erzeugt <die Glocken läuten>; [Vi] 2 etwas läutet eine Glocke erzeugt Töne 3 etwas läutet besonders südd (A) ≈ etwas klingelt <der Wecker, die Türglocke …   Langenscheidt Großwörterbuch Deutsch als Fremdsprache

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”