Löffel

Löffel
Etwas mit Löffeln gegessen (auch gefressen) haben: es gründlich satt haben, zu viel von etwas haben.
   Mit dem großen Löffel essen: eingeladen sein. In der seit dem 17. Jahrhundert häufig bezeugten Wendung Die Weisheit mit Löffeln gegessen (gefressen) haben: sich sehr weise dünken (und dabei ein Dummkopf sein), liegt ein doppelter Spott: denn erstens wird geistige Nahrung nicht so bequem eingenommen wie leibliche, und zweitens geht es auch nicht so schnell wie beim Löffeln der Suppe. So heißt es 1663 bei Schuppius (Schriften 1 45): »Ihr habt Salomons Weisheit mit Löffeln gefressen«, und an anderer Stelle (264): »Du wirst meynen, daß man auf Universitäten lauter Weisheit mit Löffeln fresse«. Bisweilen wird die Redensart noch ironisch verstärkt: ›Die Weisheit mit Schaumlöffeln gefressen haben‹, so auch in den Mundarten, z.B. ostfriesisch ›De heet ett Verstand mit de schümlepel gefrette‹; obersächsisch ›Die haben alle Tugenden mit Rohmleffeln (Rahmlöffeln) gefressen‹.
   Mit einem goldenen (auch silbernen, großen) Löffel im Mund geboren sein: reich sein, in allen Dingen Glück haben (vgl. englisch ›to be born with a silver spoon in his mouth‹).
   Jemanden über den Löffel barbieren: ihn betrügen. Die Redensart soll ihre Entstehung einem Verfahren verdanken, das früher weniger geübte Barbiere mit alten zahnlosen Leuten vornahmen: Anstatt die eingefallene Backe vorsichtig zu behandeln, steckten sie einen Löffel hinein, um so eine glatte Wölbung herzustellen. Der Ausdruck bedeutete also zunächst: mit jemandem nicht viel Umstände machen, ihn rücksichtslos behandeln, und hat sich dann zu der heutigen Bedeutung verschlimmert. Zur Zeit Ludwigs XIV. war das ›über den Löffel barbieren‹ allgemein bekannt. Die Galane, die zum Rendez-vous gingen, mußten scharf ausrasiert sein, durften nicht ›kratzen‹ beim Tête-a-tête. Vielleicht liegt hier der ursprüngliche Real-Gehalt der Redensart, die später andere Inhalte bekam, je mehr sich das Rasieren änderte.
   Doch ist auch eine andere Entwicklung denkbar. Man sagte zunächst nur ›barbieren‹ für betrügen (ähnlich wie ›scheren‹ und ›einseifen‹). Nun kann Löffel (richtiger ›Läffel‹ zu ›Laffe‹) auch ›Tolpatsch, Narr, Schelm‹ bedeuten, und so konnte man zu ›barbieren‹ hinzufügen ›über den Löffel‹ wie in der Redensart ›einen über einen Tölpel werfen‹, ihn als Einfältigen behandeln. Vielleicht beruht der Witz der Redensart auf diesem Doppelsinn. Liegt der Doppelsinn des hölzernen Eßlöffels (oder des Löffelbretts) und des Schelms doch auch dem aus Sachsen bezeugten witzigen redensartlichen Vergleich zugrunde: ›Das Kleid hängt an ihm herum wie Löffel(holz) am Galgen‹, es sitzt ihm schlecht.
   Als Löffel werden schon in mittelhochdeutscher Weidmannssprache die großen Ohren des Hasen bezeichnet: umgangssprachlich wird das auf den Menschen übertragen: Wer die Löffel nicht (gehörig) aufsperrt und sich eine gute Lehre nicht hinter die Löffel schreibt, kriegt eins hinter die Löffel. ›Er scheint die Löffel am Hintern zu haben‹, er hört schwer; ist aus Leipzig bezeugt.
   Die Löffel spitzen: etwas erlauschen wollen, aufmerksam zuhören.
   In zahlreichen mundartlichen Versionen wird das Sterben mit dem Bild vom Weglegen des Löffels umschrieben. Da hat wieder einer den Löffel hingelegt (weggeworfen, fallen lassen) sagt man, wenn jemand gestorben ist; z.B. mecklenburgisch ›de het den Läpel an de Wand stäken‹, ›de lickt den Läpel ok nich wedder‹; schlesisch ›se hot a Löffel ibrig gemacht‹; rheinisch ›der hät de letzten Löffel geleckt‹; schwäbisch ›den Löffel wischen (aufstecken)‹. Schon in Johann Fischarts ›Geschichtklitterung‹ heißt es im selben Sinn: »Es entful jhm der Löffel«. Der Löffel ist nicht nur ein sinnfälliges Bild der Vitalfunktion ›essen‹ und auf dem Land individueller Besitz jedes Essers, der ihn nach Gebrauch ›wischt‹ und auf das geschnitzte Löffelbrett an der Wand ›aufsteckt‹, sondern er ist auch Rechtssymbol des Besitzers. Das Abendblatt zur Neuen Münchner Zeitung 1857, Nr. 280 bemerkt: »Hier (in München) ist ein adeliges Haus bekannt, wo jeder Dienstbote strengen Verweis erhält, wenn ein Silberlöffel auf den Boden fällt, denn dann sterbe jemand aus der Familie, heißt es«, zeitlich.
   Da muß man schon silberne Löffel gestohlen haben: da muß man sich etwas Schwerwiegendes, etwas Kriminelles zu Schulden haben kommen lassen, bevor man entlassen werden kann. Die Wendung bezieht sich ursprünglich auf Dienstboten, die bei ihrer Herrschaft eine Vertrauensstellung besaßen, doch die Gelegenheit zum Diebstahl nutzten. Voller Empörung heißt es dagegen von jemandem, der sich ungerecht behandelt fühlt, der unschuldig in Verdacht geraten ist: Ich habe ja schließlich keine silbernen Löffel gestohlen.
   Zum schmutzigen Löffel oder Schmutziger Löffel nennt man ein heruntergekommenes, schlampig geführtes, in schlechtem Ruf stehendes Wirtshaus.
• E.L. ROCHHOLZ: Deutsche Glaube und Brauch im Spiegel der heidnischen Vorzeit, 2 Bde. (Berlin 1867), I, S. 142; G. RHYNER: ›Über den Löffel barbieren‹, in: Schweizer Archiv für Volkskunde 1 (1897), S. 320; A. HABERLANDT: Artikel ›Löffel‹, in: Handbuch des Aberglaubens V, Spalte 1317-1323; A. HELFRICH-DÖRNER: Messer, Löffel, Gabel seit wann? (Schwäbisch Hall 1 959); G. BENKER: Alte Bestecke. Ein Beitrag zur Geschichte der Tischkultur (München 1978); CHR. A. DOUGLAS: Die Konstanzer Silberschmiede von 1550 bis 1800 (Diss. Freiburg i. Br. 1984), S. 131; 771. GANTNER: Die ausgelöffelte Suppe. Eine kleine Kulturgeschichte des Löffels in Europa, in: Rund ums Essen (Mensch, Kultur. Umwelt 1) (Basel 1986), S. 55-62; E. GERHARDS (Hrsg.): Löffel. Zur Kulturgeschichte eines Eßgerätes, Museum für Völkerkunde (Freiburg i. Br. 1988); J.P. BARBIER (Hrsg.): Der Kongreß der Löffel (Genf 1989).

Das Wörterbuch der Idiome. 2013.

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