Nachtigall

Nachtigall
Nachtijall, ick hör' dir trapsen (trampsen, loofen); ich merke, was los ist, Ich ›rieche den Braten‹, riechen; die berlinische Redensart ist zuerst 1878 in Hans Meyers ›Richtigem Berliner‹ gebucht und wird auch heute umgangssprachlich allgemein nur im berlinischen Dialekt gebraucht. Die Redensart ist vermutlich eine Verballhornung der ersten Zeile des Liedes ›Frau Nachtigall‹, einem Fliegenden Blatt, das in ›Des Knaben Wunderhorn‹ abgedruckt ist:
   Nachtigall, ich hör dich singen,
   Das Herz möcht mir im Leib zerspringen;
   Komme doch und sag mir bald,
   Wie ich mich verhalten soll.
   Nachtigall, ich seh dich laufen,
   An dem Bächlein tust du saufen,
   Du tunkst dein klein Schnäblein ein,
   Meinst, es wär der beste Wein.
Möglicherweise liegt bei der Redensart eine Vermischung der Anfangszeile der ersten mit der der zweiten Strophe »Nachtigall, ich seh dich laufen« vor.
   Die Nachtigall singen lehren: etwas Unnützes tun. Vgl. niederländisch ›Hij leert den nachtegaal zingen‹.
   Der Gesang der Nachtigall gilt seit der Antike als glückbringendes Omen; im Volksglauben ist sie zudem als Bringerin eines sanften Todes bekannt. Aus ›Romeo und Julia‹ stammt die Wendung »Es war die Nachtigall und nicht die Lerche« (III, 5: »It was the nightingale and not the lark«). Dieser Spruch wurde von Georg Herwegh in seinem Gedicht ›Morgenruf‹ (1845) parodiert. Die Lerche ist hier als Verkünderin des Tages zu verstehen: »Die Lerche war's und nicht die Nachtigall«.
   Weiterhin wurde die Nachtigall in vielen Gedichten personifiziert, so z.B. in Goethes ›Faust‹ im ›Lied des Frosches‹ (1808): »Schwing dich auf, Frau Nachtigall«.
   Eine Gedichtsammlung nennt H. Hoffmann von Fallersleben: ›Die schlesische Nachtigall‹ (1825). ›Die Nachtigall von Sesenheim‹ ist der Titel einer lyrischen Erzählung von Gustav Ad. Müller (1894).
• K. BODE: Die Bearbeitung der Vorlagen in ›Des Knaben Wunderhorn‹ (= Palaestra 76), Berlin 1909, S. 395; O. KELLER: Die antike Tierwelt 2 (Leipzig 1913), S. 73-74; E. INGERSOLL: Birds in Legend, Fable and Folklore (New York 1923), S. 48-50; L. RÖHRICH und R.W. BREDNICH: Deutsche Volkslieder, Band 2 (Düsseldorf 1967), S. 359ff. ›Nachtigall als Liebesbotin‹ (mit weiterführender Literatur); E. und L. GATTIKER: Die Vögel im Volksglauben (Wiesbaden 1989), S. 82-89.

Das Wörterbuch der Idiome. 2013.

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