Pfeife

Pfeife
Sein Pfeifchen schneiden (oder schnitzen): die Gelegenheit ausnützen, seinen Vorteil wahrnehmen. Die günstige Gelegenheit besteht im Bilde darin, daß der Pfeifenschneider mitten im Rohr sitzt und hier bei der reichen Auswahl bequemes Arbeiten hat. Luther verzeichnet die Redensart in seiner Sprichwörter-Sammlung. Eine Erklärung findet sie erstmals bei Gerlingius (Nr. 102): »Wer in den roren sitzet, der mag jhm pfeiffen schneiden, wo er will«; literarisch z.B. in Rückerts Lehrgedicht ›Die Weisheit des Brahmanen‹ (11. Buch,17): »Das Sprichwort auch ist wahr: Wer sitzet in dem Röhricht und keine Pfeife sich da schneidet, der ist töricht«.
   Die Pfeife im Sack halten: schweigen, kleinlaut sein; Die Pfeife in den Sack stecken, Die Pfeife einziehen: kleinlaut werden, das Spiel aufgeben. Die Redensart ist von der Sackpfeife, dem Dudelsack, genommen. In einem Volkslied des Dreißigjährigen Krieges (J.W. von. Ditfurth, Nr. 62, Str. 72) heißt es:
   Der Hans hat es gemerket wol,
   Die Pfeif hübsch eingezogen.
Bei Grimmelshausen im ›Simplicissimus‹ (I, S. 239): »So hätte ich die Pfeiffe wol im Sacke müssen stecken lassen«; ähnlich im 2. Band (S. 35): »Die Pfeiffe fiel mir bald in Dreck«, es ging mir schlecht.
   Nach jemandes Pfeife tanzen müssen: sich nach ihm richten, ihm gehorchen müssen (vgl. Geige). Die Redensart geht auf die Äsopsche Fabel vom flöteblasenden Fischer zurück: Ein Fischer versucht, zunächst vergeblich, durch Flötenspiel die Fische an sich zu locken. Schließlich greift er zum Netz und sagt dann zu den gefangenen und vor ihm auf dem Strand zappelnden Fischen: »O ihr schlechtes Getier, als ich flötete, wolltet ihr nicht tanzen, nun ich aber aufgehört habe, tut ihr's«. Die Nutzanwendung dieser Fabel durch Cyrus berichtet Herodot I,141 (Büchmann).
   Es wurde allerdings beobachtet, daß die äsopische Geschichte kaum das in der Bibel bei Mt 11,17 stehende Gleichnis beeinflußt haben kann (D. Zeller, S. 253). Denn die Aussagen sind jeweils grundverschieden: Durch das Verhalten der Fische bei Äsop wird folgende Weisheit vermittelt: was man nicht freiwillig tut, kann, in einer Zwangslage getan, wertlos werden. Die Bibelstelle lautet Mt 11,16-17): »Wem soll ich aber dies Geschlecht vergleichen? Es ist den Kindlein gleich, die an dem Markte sitzen und rufen gegen ihre Gesellen und sprechen: Wir haben euch gepfiffen, und ihr wolltet nicht tanzen; wir haben euch geklagt und ihr wolltet nicht weinen«. Das biblische Gleichnis steht für die Verstocktheit der Menschen, ähnlich dem Sprichwort ›Pfeife oder weine, so wird doch nichts daraus‹ (Wander III, Spalte1261, Nr.15). Als Quelle für Mt 11,16f. wird ein rabbinischer Text herangezogen (D. Zeller, S. 256): »Welchen Gesang auch immer einer singt, er geht nicht ein in die Ohren der Tanzenden, welchen Gesang auch immer einer singt, der verstockte Sohn hört es nicht«.
   Abraham a Sancta Clara verwendet die Redensart in seinem 1721-23 in Wien und Nürnberg gedruckten Werk ›Abrahamische Lauberhütt‹ (Band III, S. 280): ›Tantze, wie dir Gott pfeift‹ (aus: Fr. Lauchert: Sprichwörter und sprichwörtliche Redensarten bei Abraham a Sancta Clara, S. 27), Friedenspfeife.
   Das reichste Leben entfaltet diese Redensart in den Totentänzen seit dem Ende des 15. Jahrhunderts. Sie stellen in Bildern und Versen dar, wie der Tod als Musikant die Menschen zu seinem Tanze abholt und jedem Stand mit einem besonderen Instrument aufspielt. Bei dem Maler und Dichter Nikolaus Manuel (1484-1530) z.B. schlägt er dem Bischof die Laute, vor dem Priester bläst er in ein Horn, dem Bettler flötet er, die Königin folgt seinem Fiedelbogen, der Dirne bläst er auf der Sackpfeife vor, und die Witwe führt er mit Pfeife und Trommel. Ein niederdeutsches Sprichwort, 1768 im ›Bremisch-niedersächsischen Wörterbuch‹ (III,320) gebucht, lautet: ›Fleuten sunt hohe Pipen‹, leere Versprechungen; darauf geht wohl die norddeutschen Wendung Det is mir pipe: gleichgültig, zurück. Eine ähnliche Wendung muß einst freilich auch oberdeutsch bekannt gewesen sein, denn schon bei dem Prediger Geiler von Kaysersberg heißt es: »... gaben ein Edelgestein, das viel Königreich wert ist, umb ein Pfeiffen«; auch ›Ein Roß um ein Sackpfeifen geben‹. Gerade die Sackpfeife muß schon um 1500 als besonders minderwertig gegolten haben. Auf dem Holzschnitt zum 54. Kapitel von Sebastian Brants ›Narrenschiff‹ bläst ein Narr wohlgefällig auf einem Dudelsack, während Harfe und Gitarre zu seinen Füßen liegen. Darüber stehen die Verse:
   Wem sackpfiffen freüd, kurtzwil gytt
   Vnd acht der harpff vnd luten nytt,
   Der gehört wol vff den narren schlytt.
Die Pfeife galt früher als Rauchgerät der armen Leute. Bismarck hat am 21. Mai 1869 in einer Rede die Wendung vom ›Pfeifchen des armen Mannes‹ geprägt: »Und wenn ich mich darauf einlassen wollte, davon zu reden, wie grausam es wäre, dem armen Mann sein Pfeifchen Tabak oder den stärkenden Trank zu verkümmern ...« (Büchmann). ›Ja, Pfeifendeckel‹ sagt man im Schwäbischen, um seine große Ablehnung einer Sache gegenüber deutlich zu machen, oder auch bei einer Enttäuschung, ähnlich wie rheinisch Pustekuchen ( Pustekuchen), Flötekies ( Flötekies).
   Neben diesen älteren Redensarten sind im 20. Jahrhundert mehrere neue Redensarten aufgekommen, die Pfeife im Sinne von Raucherpfeife oder bildlich für ›Versager‹, verhüllend für ›penis‹ gebrauchen; z.B. ›Dein Kopf auf einer Pfeife, und man kann vor Lachen nicht ziehen‹ (zur Bezeichnung eines Dummen); ›Dabei kann einem die Pfeife ausgehen‹, das dauert mir zu lange; ›Ihm geht die Pfeife aus‹, er bekommt keine Atemluft mehr, er ist impotent geworden, er liegt im Sterben; ›Die Pfeife ausklopfen‹, coire; ›Sich die Pfeife verbrennen‹, sich eine Geschlechtskrankheit zuziehen; ›Halt die Pfeife!‹, schweige!; ›Das haut einem die Pfeife aus der Schnauze‹, Ausdruck großer Erschütterung (Küpper; Bornemann, Sex im Volksmund).
• D. ZELLER: Die Bildlogik des Gleichnisses Matth. ll, 16f./Luk. 7,31f., in: Zeitschrift für neutestamentliche Wissenschaft 68 (1977), S. 252-257.}
Nach jemandes Pfeife tanzen müssen. Totentanz, Holzschnitt aus einem Heidelberger Druck von 1485.

Das Wörterbuch der Idiome. 2013.

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