- pfeifen
- Der pfeift nicht mehr lange: der lebt nicht mehr lang; in verwandtem Sinne: Er pfeift auf dem letzten Loch (⇨ Loch).Einen pfeifen: einen Branntwein trinken. Die Wendung ist vorwiegend in niederen gesellschaftlichen Kreisen üblich und rührt von dem alten Brauch her, daß man, wie es noch heute ab und zu geschieht, am Rande der Flasche mit dem Mund einen pfeifenden Ton hervorbringt, ehe man aus ihr trinkt. In Thomas Murners ›Narrenbeschwörung‹ (18,57) heißt es: »Noch wendt sy uß der fleschen pfyffen« Das Pfeifen hatte auch einen praktischen Zweck: wenn die Flasche aus undurchsichtigem Material bestand, konnte man aus der Höhe des Pfeiftons schließen, wie weit die Flasche noch gefüllt war. Da der, der pfiff, auch trank, ist der Begriff pfeifen in den des Trinkens selbst übergegangen.Neben dieser Umschreibung für Trinken, Saufen sind auch fast alle anderen Wendungen aus dem Musikbereich genommen: z.B. sagt man auch: ›Einen blasen‹, ›Einen schmettern‹, oder niederdeutsch ›tuten‹, was auch: ›Ins Horn blasen‹ heißt; vgl. englisch ›to wet one's whistle‹: einen heben.Einem etwas pfeifen: nicht tun, was er wünscht; dazu: Auf jemanden (auf etwas) pfeifen: darauf verzichten; literarisch z.B. in Freys ›Gartengesellschaft‹ (46): »ein pfeiff geb ich euch, lieben Herrn, umb alle eure gedult und geistlichkeit«. Aus dieser Stelle läßt sich schließen, daß die Grundbedeutung der Redensart ist: eine ⇨ Pfeife, d.h. etwas Wertloses, für eine Sache geben.In einem oberdeutschen Volkslied heißt es:I pfeif' auf mei Jungfernschaft,i pfeif auf mei Leb'n,Der Bu', der mir's g'nomme hat,der kann mir's nimmer geb'n.Sich eins pfeifen: den Gleichgültigen spielen.Da hilft kein Maulspitzen, es muß gepfiffen werden: hier muß gehandelt werden.Dieser Satz ist die Pointe einer weitverbreiteten, in vielen Varianten auftretenden Sage, in der der Gehenkte beim Anziehen des Stricks durch Pfeifen auf seinen Schmerz aufmerksam machen soll, es aber nur noch bis zum Mundspitzen schafft. Es handelt sich um die Sage von den Knaben, die Hängens spielen. Als sie statt des verabredeten Zeichens nur ein Mundzucken bei dem (im Spiel) Gehenkten sehen – ohne zu begreifen, daß es sich um die letzten Zuckungen des Erwürgten handelt – rufen sie ihm zu: »Maulspitzen gilt nicht, es muß gepfiffen sein!« Später verselbständigt sich diese Mahnung und kehrt mit verändertem Sinn, nämlich als Schlußfolgerung daraus, im Sprichwort wieder in der Bedeutung: ›Jetzt muß etwas geschehen‹.Wenn in dieser Redensart das Pfeifen als selbstverständliches Mittel der Kommunikation begegnet, dann nur, weil es sich hier um spielende Jungen handelt. Bei Mädchen hingegen galt das Pfeifen von jeher als Einbruch in die männliche Domäne, den es mit abschreckender Härte zu bekämpfen galt; daher heißt es warnend: ›Mädchen, die pfeifen, und Hühnern, die krähn, soll man beizeiten die Hälse umdrehn‹, ⇨ Mädchen.Jemanden zurückpfeifen: einen mit einer Sache Beauftragten wiederum zu sich rufen, um ihm neue Anweisungen zu geben.Nord- und mitteldeutsch Bei dir piept's wohl?: Du bist wohl nicht recht bei Verstand?, auch: er hat einen Piepmatz, einen Vogel (im Kopfe).• J. GRIMM: Hängens Spielen, in: Kleinere Schriften (Berlin 1871, Nachdruck Darmstadt 1965) VII, S. 259; O. GLODE: Einen pfeifen, in: Zeitschrift für den deutschen Unterricht 5 (1891), S. 776; R. BECKER: Einen pfeifen, in: Zeitschrift für den deutschen Unterricht 5 (1891), S. 645; 7 (1893), S. 137; M. WILLBERG: Die Musik im Sprachgebrauch ..., in: Muttersprache (1963), S. 201ff.; ST. ODLIVAK: Whistling in the dark, in: American Notes and Queries 9 (1970-71), S. 24;M.E. BARRICK: Whistling in the dark, in: American Notes and Queries 9 (1970-71), S. 89; A. DUNDES: The Crowing Hen and the Easter Bunny, in: A. Dundes: Interpreting Folklore (Bloomington/Indiana 1980), S. 160-175; L. RÖHRICH: Die Welt der alemannischen Sprichwörter, in: Einheit in der Vielfalt, Festschrift für P. Lang (Bern 1988 u.a.), S. 447; R.W. BREDNICH: Hängen spielen, in: Enzyklopädie des Märchens VI, Spalte 481-485.
Das Wörterbuch der Idiome. 2013.