schreiben

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Mit einem eisernen Griffel schreiben: es unauslöschlich eingraben, es nicht in Vergessenheit geraten lassen. Die Redensart ist biblischer Herkunft. Hiob klagt über sein Elend und die Härte seiner Freunde (Hiob 19, 23. 24): »Ach daß meine Reden geschrieben würden, ach daß sie in ein Buch gestellt würden, mit einem eisernen Griffel auf Blei und zu ewigem Gedächtnis in einen Fels gehauen würden!«
   Dagegen meinen die Wendungen Etwas mit Kohle (schwarzer Kreide) in den Schornstein schreiben und Mit Kreide an die (weiße) Wand schreiben, daß etwas rasch unleserlich wird, daß die Schrift wirkungslos ist, Schornstein.
   Es steht nirgends geschrieben noch gedruckt: es ist keine zwingende Vorschrift, kein Gesetz, kein Gebot Gottes, es ist nicht selbstverständlich. Vergleiche lateinisch ›Neque fictum, neque pictum, neque scriptum‹.
   Zur Bestätigung der Wahrheit wird besonders in Predigten die Wendung ›Es steht geschrieben‹ (in der Bibel) gebraucht. Die Frage »Wo steht das geschrieben?«, die Luther in seinem 4. und 5. Hauptstück des Katechismus stellt, erscheint humoristisch wieder in einem bekannten Liedtext:
   Wo steht denn das geschrieben?
   Man darf nur eine lieben.
Was ich geschrieben habe, das habe ich geschrieben: es ist unumstößlich. Die Wendung wird auch in griechischer und lateinischer Form zitiert: ›o gegrapa, gegrapa‹ und ›Quod scripsi, scripsi‹, wie es in der Bibel steht. Es ist ein Ausspruch des Pilatus (Joh 19, 22), als er sich weigerte, die Schrift über dem Kreuze Jesu zu verändern. Vergleiche französisch ›Ce qui est écrit, est écrit‹.
   Er kann schreiben, aber keine Federn schneiden: er ist mehr für die praktische Seite; er ist nicht mit der Planung, sondern mit der Durchführung eines Unternehmens beschäftigt.
   Er schreibt: er ist schriftstellerisch tätig. Vergleiche schweizerisch ›Er cha schriba wien Landama‹, er kann sehr gut schreiben, formulieren.
   Eine kräftige Handschrift schreiben: tüchtige Ohrfeigen austeilen können.
   Sich etwas hinter die Ohren schreiben: es sich nun endlich merken, eine Lehre aus etwas ziehen.
   Redensartliche Vergleiche werden gern gebraucht, um schlechte, unordentliche und unleserliche Schrift zu charakterisieren: Er schreibt mit der Krähe um die Wette, als wären die Hühner über das Papier gelaufen; vgl. französisch ›pattes de mouches‹ (Fliegenbeine), auch: Wie ein Doktor. Dagegen: Er schreibt wie gestochen, wie gedruckt: die Schrift ist so sauber und regelmäßig, als wäre sie für den Druck in eine Kupferplatte sorgfältig gestochen worden (L. Günther, Wörter und Namen, S. 61). Die schlesische Wendung ›Er schreibt, daß ein Auge das andere nicht sieht‹, meint: er arbeitet sehr emsig und angestrengt.
   Etwas ins unreine schreiben: einen Entwurf, ein Konzept anfertigen.
   Einem steht etwas auf der Stirn (im Blick, im Gesicht) geschrieben: man kann seine Gedanken, Absichten erkennen, er verrät sich selbst; vgl. französisch ›Cela se voit sur son front, à ses yeux, sur son visage‹.
   Einem ist etwas wie auf den Leib geschrieben: es ist wie für ihn geschaffen. Die Wendung meint in der Theatersprache vor allem eine Rolle, die sehr gut zu einem Schauspieler paßt, so als hätte sie der Autor extra für ihn geschrieben.
   Traditionell gehört ›schreiben‹ außerdem in den Bereich der erotischen oder skatologischen Bildhaftigkeit:
   Mein Schatz ist ein Schreiber,
   ein Schreiber muß sein,
   bald spitzt er sein' Feder,
   bald dünkt er's mir ein.
   (Beleg aus Luzern, Schweizer Archiv).
Feder und Tintenfaß, Embleme eines seit jeher viel verspotteten Berufsstandes, sind jedoch in ihrer zweideutigen Metaphorik im heutigen Kontext oft nicht mehr unmittelbar zu entschlüsseln.
   Nicht wenige Redensarten und Wendungen sind Schriftmetaphern des Mündlichen, d.h. sie umschreiben mündliche Vorgänge mit Bildern des Schreibens. Dazu gehören Ausdrücke wie ›Denkzettel‹, ›Wegbeschreibung‹, etwas hat sich ›ins Gedächtnis eingegraben‹.
• TH. GANTNER: Kalligraphie – von der Schreibkunst zur Schulschrift. In: Schreibkunst. Ausstellungskatalog (Zürich 1981); W. SANDERMANN: Die Kulturgeschichte des Papiers (Berlin 1988); B. HOLBEK: What the Illiterate Think of Writing, in: K. Schonsboe and M.I. Larsen (eds.): Literacy and Society (Kopenhagen 1989), S. 183-195; K. MÜLLER: ›Schreibe, wie du sprichst‹. Eine Maxime im Spannungsfeld von Mündlichkeit und Schriftlichkeit (Frankfurt/M. – Bern – New York – Paris 1990).

Das Wörterbuch der Idiome. 2013.

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