Boden

Boden
Der Boden gilt als das Fundament, das Sichere und Feststehende und steht häufig für oder in Verbindung mit Grund (›Grund und Boden‹) wie bei Johann Fischart, ›Gargantua‹ (1594), 88, wo es heißt: »findst grund, siehst den herrgot am boden?« Die Redensart Sich auf den Boden der Tatsachen stellen heißt deshalb: von einer sicheren Grundlage aus alles realistisch betrachten. Dagegen bedeutet die Wendung Sich auf schwankenden Boden begeben, daß unsichere Voraussetzungen mit einbezogen werden, daß man von Vermutungen ausgeht und von Zufällen abhängig wird; vgl. französisch ›se rendre sur un terrain mouvant‹.
   Die Redensart Der Boden wankt unter den Füßen hat einen doppelten Sinn: das Fundament einer menschlichen Existenz bricht zusammen, aber auch: jemand hat einen starken Rausch; vgl. französisch ›Le sol se dérobe (versagt) sous les pieds de quelqu'un‹.
   Die alte Vorstellung, daß sich der Boden auftun und den Menschen verschlingen kann, spiegelt sich in mehreren Wendungen Der Boden tragt 's nit! oder Dieser Boden trägt solche Leute! und in dem Wunsch, am liebsten In den Boden versinken zu wollen.
   Eine Beziehung zu Johannes dem Täufer als Wegbereiter (Mt 3,3) besitzt vielleicht die Wendung jemanden Den Boden ebnen (bereiten): Schwierigkeiten aus dem Wege räumen; vgl. französisch ›frayer un passage à quelqu'un‹ (wörtlich: jemandem einen Weg bahnen).
   Auf deutschen Boden kommen, scherzhaft für: die Schuhsohlen durchgelaufen haben. Auf deutschem Boden (deutschen Sohlen) gehen (laufen): barfuß gehen. Hat der Schweizer seine Schuhsohlen durchgelaufen, so sagt er: ›Er goht uf der tütsche Erde‹, ›er lauft uf de tütsche Sole‹. Obersächsisch nicht auf deutschen Boden kommen: vor Geschäften immer in Bewegung sein, gleichsam in der Schwebe bleiben, nie zu einer ruhigen (niederdeutsch ›boddenfesten‹) Tätigkeit im Leben kommen.
   Der Boden brennt ihm unter den Füßen: seine Lage ist gefährlich und unsicher; ebenso Der Boden wird ihm zu heiß, besonders von Flüchtigen und Verbrechern gebraucht.
   Einer Sache Ist der Boden aus: sie ist verloren, zu Ende; in Bayern gesteigert zu ›letz is n Himmel de Boden aus‹, jetzt ist alles zu Ende. Sie begegnet schon im frühen 16. Jahrhundert, sowohl im wörtlichen wie im übertragenen Sinne: »... dem sack fuhr doch der boden aus« (Th. Murner, ›Narrenbeschwörung‹, 1512): Vor allem aber wurde sie bekannt durch die Redensart Das schlägt dem Faß den Boden aus: das geht zu weit, d.h. es wird Unwahres und Unrichtiges, aber auch Unvernünftiges gesagt, Faß.
   Eine Anzahl weiterer Redensarten mit Boden bedürfen kaum einer Erklärung: Den Boden unter den Füßen verlieren; An Boden gewinnen: Fortschritte machen (vgl. niederländisch ›Veld winnen‹, französisch ›gagner du terrain‹, englisch ›to gain ground‹); desgleichen: An Boden wettmachen, d.h. (im Sport) verlorenen Boden zurückgewinnen, aufholen. ›Sieh zu, daß du Boden gewinnst!‹ ist hingegen eine Aufforderung zu verschwinden, sich aus dem Staub zu machen.
   Etwas aus dem Boden stampfen: wie durch Zauberei herbeischaffen. So hatte Pompeius schon geprahlt, es würden Scharen von Fuß- und Reitervolk aus der Erde steigen, wenn er auf Italiens Boden stampfe (Plutarch, Pompeius, Kapitel 57). Vgl. die Stelle in Schillers ›Jungfrau von Orleans‹ (I, 3): »Kann ich Armeen aus der Erde stampfen?« Ebenso niederländisch ›legers uit de grond stampen‹; französisch ›faire surgir du sol comme par enchantement‹ (wörtlich: etwas aus dem Boden hervorzaubern).
   Auf guten (fruchtbaren) Boden fallen, entlehnt aus dem biblischen Gleichnis vom Sämann (Mt 13,8 und Mk 4,8); daher ist diese Redensart auch in anderen Sprachen bekannt: niederländisch ›in goede aarde vallen‹; englisch ›to fall in good ground‹ und französisch ›tomber dans la bonne terre‹.
   Von sauber geputzten Räumen sagt man: Darin könnte man vom Boden essen (so sauber ist es in ihnen). Dagegen bedeutet: Den Boden lecken das Letzte verzehren, was man besitzt.
   Am Boden scharren: am falschen Ende sparen.
   Jemanden zu Boden drücken: ihn überaus schwer belasten, so daß er sich wie unter einer Bürde beugen muß. Eine weitere Steigerung enthält die Redensart Jemanden unter den Boden bringen: ihn ins Grab treiben.
   Jüngere Redensarten sind: Etwas (jemandem) den Boden entziehen: etwas gegenstandslos machen, jemanden wirtschaftlich vernichten), Einen gemeinsamen Boden finden: Übereinstimmung, ähnliche Ausgangspunkte, Probleme und Argumente haben; vgl. französisch ›trouver un terrain d'entente‹ (wörtlich: einen Verständigungsboden finden).
   Zu Boden gehen: hinfallen, zugrunde gehen, z.B. 1452 in der preußischen Geschichte von Schütz: »So hatte das gantze Regiment ... durch innerliche Uneinigkeit müssen zu boden gehen«. Die Wendung kommt schon in biblischen Texten vor in der Bedeutung von untergehen, verderben: » ... darum müssen sie zu Boden gehen« (Jer 48,36); » ... daß sie gar zu Boden gehen« (Weish 4,19); »Ninive wird bald zu Boden gehen« (Tob 14, 6). Man findet sie im gleichen Sinne verwendet bei Luther, Melanchthon, Sebastian Franck, H. Sachs u.a.; vgl. französisch ›mordre la poussière‹ (wörtlich: den Staub beißen) Staub.
   In späteren Zeiten treten gehäuft Belege auf, die auch die im 16. Jahrhundert – unter anderem von Luther – häufig verwendete Verbindung von Grund und Boden wieder aufnehmen. Während bei Luther jedoch mit dem Begriff ›Zu Grunde gehen‹ das ursprüngliche Wurzelschlagen gemeint ist: »gottes werke sind rechtschaffen, gehen zu grund und boden, ist alles ernst und vollkömlich ding« (Deutsche Schriften 4,122), ist bei den späteren Autoren nur noch das Untergehen, das Verderben gemeint: » ... wenn sie nicht wolten zu grund und boden gehen« (J.B. Schuppius, Lehrreiche Schriften [Frankfurt 1684], 40), Grund.
   Die Wendung ›Zu Boden gehen‹ lebt im Boxsport weiter.
   Im Zusammenhang mit den Bombenangriffen auf Flugplätze im 2. Weltkrieg, durch die gegnerischen Luftstreitkräfte ausgeschaltet wurden, entstanden die Wendungen: Etwas am Boden zerstören: völlig vernichten, Jemanden am Boden zerstören: ihn heftig prügeln und Völlig am Boden zerstört sein: kraftlos, fassungslos, niedergeschlagen, auch betrunken.
   Einen neuen Boden ins Glas legen gilt als scherzhafte Umschreibung für erneutes Einschenken.
   Eine Moral mit doppeltem Boden bedeutet die Anwendung verschiedener Maßstäbe. Neben der Bedeutung Erde, Grund, Fußboden kann mit Boden auch der Dachboden (mundartlich ›Speicher‹, auch ›Bühne‹) bezeichnet werden, etwa in Wendungen wie ›Hol Heu vom Boden!‹, ›Bring's auf den Boden!‹, ›Alles, was das Haus bietet, vom Keller bis zum Boden‹.

Das Wörterbuch der Idiome. 2013.

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