- Dorn
- wird oft übertragen gebraucht für: Schwierigkeit, Unannehmlichkeit (vgl. ›Ein dornenvolles Amt, Ein dornenreicher Weg‹ u.ä.). Schon mittelhochdeutsch heißt es in Freidanks ›Bescheidenheit‹ (17,14): »disiu frage ist ein dorn«. Alte Redensarten, die hierher gehören, sind: In den Dorn fallen: in Sünde geraten, z.B. im ›Renner‹ Hugos von Trimberg (2305):doch vellet manger in den dorn,von swelhem geslehte sie sin geborn.Sehr bekannt ist die Stelle bei Johann Fischart (›Aller Praktik Großmutter‹ 1623): »Sie ist in den Dorn getreten, wie die Magd, der der Bauch davon geschwol«. Die Verbindung von Rose und Dorn verdeutlicht die Beziehung von Schönheit, Liebe und Schmerz bzw. die Folgen von Liebe, wie z.B. im Volkslied:Ach Mutter, ich bin im Rosengarten gewesen,Da hab ich mir einen Dorn in den Fuß getreten.Im Märchen ›Dornröschen‹ (Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm 50) schützt die Dornenhecke vor verfrühten Penetrationsversuchen. Den Bewerbern gelingt es nicht, bis zu Dornröschen vorzudringen. Wie in Goethes ›Heideröslein‹ stechen sich die Freier, die die Rosen brechen wollen. Doch als der Reifungsprozeß abgeschlossen ist, erwacht Dornröschen aus seinem todesähnlichen Schlummer. Das Mädchen wird als heiratsfähige Frau wiedergeboren.Der Kontrast von Dorn und Rose war den Gläubigen des Mittelalters sinnfälliger Ausdruck der typologischen Gegenüberstellung von Eva und Maria (›Eva spina, Maria rosa‹). Die Jungfrau Maria ist die ›Rosa sine spinis‹, die Rose ohne Dornen. Der ›Rosenkranz‹ gilt darum als Herzstück der Marienverehrung. Zum selben Symbolkreis gehört auch das Lied von Maria, die ›durch ein Dornwald ging‹. Als ›Passionsrose‹ wird die Blume zum Symbol der Dornenkrönung Christi.Einem den Dorn in den Fuß stecken: ihm etwas Böses antun, eine Schuld aufbürden, ebenfalls schon mittelhochdeutsch belegt, etwa bei Ulrich von Türheim:ir woldet uns des schaden dornhan gestecket in den fuoz:der dorn in iuwern stecken muozvon gotes kraft iuwer tage.Umgekehrt auch: Einem den Dorn aus dem Fuß ziehen: ihn von seinem Leiden befreien; vgl. französisch ›ôter a quelqu'un l'épine du pied‹.Die Redensart stammt aus der Androklus-Tradition. Die hierher gehörigen Überlieferungen gehen auf eine Fabel des Phädrus (1. Jahrhundert n. Chr.) zurück: Ein Löwe mit einem Dorn im Fuß kommt zu einem Hirten, der ihm den Dorn auszieht. Der Hirt wird später aufgrund falscher Anklagen festgenommen und in einer circensischen Veranstaltung den wilden Tieren in der Arena vorgeworfen. Unter den Bestien ist auch sein gefangengenommener Löwe, der ihn erkennt und schützt.Auf Dornen wandern: heimliche Nachstellungen erfahren, Unter Dornen sitzen: gedrückt sein; 1513 sagt Tunnicius (Nr. 858 seiner Sprichwörtersammlung): »Och, och, ik wone unter den dornen!«; in Luthers ›Tischreden‹ heißt es: »Wir Sachsen sind schwach, sitzen unter den Dörnen«. Im Elsaß hat sich bis in unsere Zeit gehalten ›Man meint, man sitzt uf den Dörnen‹, man fühlt sich sehr unbehaglich; auch französisch ›marcher sur des épines‹.Einen Dorn hinter den Ohren haben: heimtückisch sein.Einem ein Dorn im Auge sein: jemandem unerträglich, verhaßt sein; diese Wendung ist bereits den Minnesängern geläufig; bei Konrad von Würzburg findet sich im ›Trojanerkrieg‹ (V. 22 871):Paris was ouch nicht ein dornHelenen in ir ougen.In Strickers ›Karl‹ heißt es:er ist ein helt ze handenund sînen vîandenin den ougen ein dorn.Luther hat diese Redensart in seine Bibelübersetzung mehrfach übernommen: »Werdet ihr aber die Einwohner des Landes nicht vertreiben vor eurem Angesicht, so werden euch die, so ihr überbleiben laßt, zu Dornen werden in euren Augen« (Num 33, 55, vgl. Jos 23,13), von daher auch weiter verbreitet, z.B. italienisch ›un pruno negli occhi‹, niederländisch ›een doorn in het oog‹. Geiler von Kaysersberg exemplifiziert die Redensart in seinem ›Buch der Sünden des Munds‹ (Straßburg 1518): »Nim ein gleichnis bei einer muter die so vil kind hat und under denen ist ein eschengründelin (Aschenputtel) das ist ir ein dorn in den augen: es mag leicht nummen ein clein ding thun, die muter schilt es«. Vgl. auch die biblische Wendung ›Den Balken im eigenen Auge nicht sehen, aber den Splitter im fremden‹, ⇨ Balken.Eine Rose unter den Dornen sein ⇨ Rose.• K. RANKE: Artikel ›Androklus und der Löwe‹, in: Enzyklopädie des Märchens I, Spalte 501-508; J.R. KLIMA: Artikel ›Dorn, Dornbusch, Dornenhecke‹, in: Enzyklopädie des Märchens III, Spalte 773-780; G. HEINZ-MOHR und V. SOMMER: Die Rose. Entfaltung eines Symbols (München 1988).Einem ein Dorn im Auge sein. Zeichnung von Wilhelm Scholz: ›Der Dorn im Auge der Schwarzen‹, 1872, aus: Bismarck-Album, S. 68.
Das Wörterbuch der Idiome. 2013.